Das Europaparlament hat an diesem Mittwoch über neue Regeln für
Geldmarktfonds (siehe ganz unten) abgestimmt. Das Ergebnis ist dem systemischen
Risiko von Schattenbanken nicht angemessen. Deshalb hat die Grüne/EFA-Fraktion
dagegen gestimmt.
Das Abstimmungsergebnis kommentiert Sven Giegold,
finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im
Europaparlament:
"Die Abgeordneten der konservativen, sozialdemokratischen
und liberalen Fraktionen haben ihren Kopf in den Sand gesteckt und für
eine lasche Regulierung von Schattenbanken gestimmt. Anstatt dem Rat des Globalen
Finanzstabilitätsrats (FSB) und des Europäischen Systemrisikorats
(ESRB) sowie der Position der deutschen und französischen Regierung zu
folgen, sind die Abgeordneten vor der Finanzlobby eingeknickt.
Die Mehrheit
der Europaparlamentarier hat die Warnhinweise von FSB und ESRB ignoriert. Nur
eine ganz bestimmte, neu geschaffene Fonds- Kategorie, sogenannte Low Volatility
Net Asset Value (LVNAV) Geldmarktfonds, soll nach einer Übergangsfrist
von fünf Jahren ihre Geschäfte einstellen. Das sind drei Jahre mehr
als in den USA und daher völlig inakzeptabel. Dagegen sollen Geldmarktfonds
für Staatsanleihen mit konstantem Rückkaufswert unbegrenzt weiterlaufen
dürfen. So erhalten Staatsanleihen über die Freistellung von Eigenkapitalpflichten
von Banken und Versicherungen hinaus ein weiteres unberechtigtes Privileg in
der Finanzmarktregulierung. Selbst der Änderungsantrag der Grünen/EFA-Fraktion,
dieses Privileg nach fünf Jahren auslaufen zu lassen, fand keine Mehrheit.
Der
Gesetzesvorschlag der EU-Kommission sah vor, CNAV-Geldmarktfonds analog zu normalen
Banken mit einem Mindestkapitalpuffer von drei Prozent zu belegen. Damit blieb
die EU-Kommission bereits hinter den Empfehlungen von FSB und ESRB zurück,
die für ein vollständiges Austrocknen von CNAV-Geldmarktfonds plädiert
hatten. Die Abgeordneten kassierten heute sogar die Verpflichtung zum Aufbau
eines Mindestkapitalpuffers. Der Änderungsantrag der Grünen/EFA-Fraktion
zur Beschränkung von Fondsmanagergehältern wurde ebenso abgelehnt
wie der Antrag, Geldmarktfonds die Niederlassung in Steueroasen zu untersagen.
Das ist ein Armutszeugnis.
Nach der Finanzkrise hat das Europaparlament dazu
beigetragen, gegen große Widerstände der Finanzindustrie umfassende
Regulierungsvorhaben im Bankensektor durchzusetzen. Das heutige Abstimmungsergebnis
beschädigt nachhaltig das Ansehen des Europaparlaments als Wahrer der Finanzstabilität.
Während sich im Rat die Regierungen von Frankreich und Deutschland für
eine strikte Regulierung einsetzen, sind ihnen die Abgeordneten aus den eigenen
Reihen, Konservative und Sozialdemokraten, mit der heutigen Abstimmung in den
Rücken gefallen. Wird das Abstimmungsergebnis in den Verhandlungen mit
dem Rat der Mitgliedsländer nicht korrigiert, bleibt die EU meilenweit
hinter den internationalen Anstrengungen der G20 zur Regulierung von Schattenbanken
zurück."
Der Markt für Geldmarktfonds innerhalb der
EU ist etwa eine Billion Euro groß. Einige Geldmarktfonds, sogenannte
Constant Net Asset Value Money Market Funds (CNAV), versprechen ihren Investoren
die Zahlung eines festen Rückzahlungswerts. Sie agieren somit wie eine
im Einlagengeschäft tätige Bank und werden zurecht als Schattenbanken
bezeichnet. In der Finanzkrise haben Notverkäufe eben dieser Geldmarktfonds
den Kursverfall vieler Staatsanleihen beschleunigt und gelten deshalb als besonders
gefährlich für die Stabilität des Finanzsystems. Der Globale
Finanzstabilitätsrat (FSB) und der Europäische Systemrisikorat (ESRB)
haben deshalb konsequenterweise ein Ende dieser Fonds gefordert.