Unter der Leitung des Émile-Durkheim-Universitätszentrums wurde eine erste soziologische Studie über die Gelbwesten durchgeführt. Dafür sind zahlreiche Soziologen durch ganz Frankreich gereist und haben das Gespräch mit den Gelbwesten gesucht. Die Ergebnisse überraschen.
Zwischen dem 24. November und dem 1. Dezember haben über 70 Soziologen Fragebögen mit 28 Fragen an die Gelbwesten im ganzen Land verteilt und analysiert. Die ersten Ergebnisse hat die Tageszeitung Le Monde veröffentlicht.
Die Zahlen brechen mit einigen Vorurteilen, insbesondere was die politische
Verortung der Teilnehmer bei den Gelbwesten betrifft. 33 Prozent der Befragten
bezeichnen sich als "weder links noch rechts". Aber von den 67 Prozent
der Gelbwesten, die sich zu einer politischen Richtung bekennen, bezeichnen
sich 42 Prozent als links und 15 Prozent als "extrem links". Sechs
Prozent positionieren sich in der "politischen Mitte", zwölf
Prozent als "rechts" und 5,4 Prozent als "extrem rechts".
Gemeinsam
ist allen die Aussage, dass sie für eine höhere Kaufkraft und gegen
eine Politik zugunsten der Reichen kämpfen. 81 Prozent sprechen sich gegen
politische Parteien als Teil der Bewegung aus, und 64 Prozent der Gelbwesten
lehnen Gewerkschaften ab.
45 Prozent der Gelbwesten-Aktivisten sind Frauen. Die Formalbildung der Aktivisten
liegt signifikant unter dem französischen Durchschnitt, ebenso deren Haushaltseinkommen.
Der Medianwert beträgt bei den Gelbwesten 1.700 Euro Netto und liegt damit
30 Prozent unter dem Median-Durchschnittseinkommen in Frankreich. Ein hoher
Anteil der Teilnehmer entstammt der Arbeiterklasse.
Es engagieren sich
vor allem Angestellte (33 Prozent) und Arbeiter (14 Prozent) bei den Gelbwesten;
Handwerker, Händler und mittelständische Unternehmer sind mit zehn
Prozent vertreten. Wenig überrascht, dass Führungskräfte aus
Politik, Wirtschaft und Verwaltung nur mit fünf Prozent bei den Gelbwesten
präsent sind.
47 Prozent der befragten Gelbwesten nehmen laut der
Studie zum ersten Mal in ihrem Leben an einer Protest-Mobilisierung teil, und
56 Prozent haben nach eigener Aussage noch nie an einem Streik teilgenommen.
Das Durchschnittsalter der befragten Gelbwesten wird mit durchschnittlich
45 Jahren angeben, wobei die Sozialwissenschaftler darauf verweisen, dass die
am stärksten mobilisierte Altersgruppe sich im Bereich von 35 bis 49 Jahren
befindet.
Diese Vielfalt der politischen und sozialen Zugehörigkeit
verleiht der Bewegung, laut Darstellung der beteiligten Soziologen, eine große
Singularität, die in der Geschichte der Protest-Mobilisierung in dieser
Form einmalig sei.
So vorsichtig man mit diesen Zahlen auch umgehen muss,
laut Le Monde wurden nur einige Hundert Gelbwesten befragt, die Anzahl der Teilnehmer
an der Studie bleibt also unter der Grenze zur Repräsentativität,
so brechen die Zahlen doch mit gewissen medialen Narrativen, insbesondere in
den deutschen Medien über die politische Ausrichtung der Gelbwesten-Bewegung.