Das gab am 27.12.2023 Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) bekannt
Generelle Maßnahmen oder Verordnungen der Bundesregierung wird es - "Stand
heute" - keine mehr geben.
Wien. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) setzt im Umgang mit Corona
und den gesundheitlichen Folgen auf Forschung und Weiterentwicklung der Behandlungsmöglichkeiten.
Dies betreffe sowohl die akute Erkrankung, aber auch Langzeitfolgen. Generelle
Maßnahmen oder Verordnungen der Bundesregierung wird es - "Stand heute"
- keine mehr geben, wiederholte er. Für das Wahljahr 2024 warnt Rauch eindringlich
vor einem Rechtsruck. Auch müsse die soziale Frage wieder in den Fokus rücken.
"Ich kann die Sehnsucht von allen verstehen, die die Nase voll haben von
Covid", betonte der Minister im APA-Jahresabschluss-Interview. "Ich
habe immer gesagt, die Pandemie wird verschwinden oder sich verändern oder
weniger werden - aber das Virus wird bleiben.
Also es wird einfach jede Saison da sein, so wie die Grippe auch.
"Und es mache natürlich in gewissen Situationen Sinn, etwa eine Maske
zu tragen. Wir wissen, was sich in den Spitälern abspielt. Einschränkungen
von Freiheitsrechten wie in der Vergangenheit seien jedoch nur gerechtfertigt,
wenn eine Überlastung des Gesundheitssystems droht. Man habe gute Instrumente
- etwa das Abwasser-Monitoring und das SARI-Dashboard: "Wir wissen, was
sich in den Spitälern abspielt." Österreich sei weit von einer Überlastung
des Gesundheitssystems entfernt - mit laut Rauch aktuell rund 1.200 COVID-19-Patientinnen
und -Patienten in den Spitälern, auch jetzt in der bisher mit Abstand größten
Welle an Ansteckungen. Jeder Gesundheitseinrichtung bleibe es freilich selbst
überlassen, im Rahmen der Hausordnung - wie es auch jetzt aktuell teils der
Fall ist - Maßnahmen wie beispielsweise eine Maskenpflicht zu erlassen.
Bezüglich der möglichen Langzeitfolgen einer Covid-Infektion verwies
der Minister auf die gesetzten Maßnahmen und erwartet weitere Forschungsergebnisse.
Die vom Obersten Sanitätsrat empfohlenen Schritte werde man alle umsetzen,
sprach Rauch etwa das geplante Referenzzentrum für postvirale Erkrankungen
an (wie etwa Long/Post Covid oder ME/CFS). "Was die Langzeitwirkung angeht,
da ist die Forschung einfach offen. Da differieren die Zahlen der Long-Covid-Betroffenen
von fünf Prozent bis 40 Prozent, wobei ich die fünf Prozent für zu niedrig
halte, die 40 für zu hoch, aber das ist meine Meinung." Man müsse abwarten,
wo die wissenschaftliche Evidenz dann landet.
Rauch: "Betroffene zu Recht verärgert"
"Faktum ist, das sei schon auch gesagt: Man kann einfach nicht sagen, es
existiert kein Long Covid oder ME/CFS ist eine Erkrankung, die quasi nur eine
psychosomatische ist", sprach der Minister auch die in Teilen der Wissenschaft
noch schwelende Diskussion um eine somatische Ursache der Erkrankung an. "Da
sind die Betroffenen zu Recht verärgert, fühlen sich nicht ernst genommen
und allein gelassen. Das ernst zu nehmen und da die entsprechenden Schritte
zu setzen, das tun wir", versicherte Rauch.
Befürchtungen, dass der niedergelassene Bereich mit der Behandlung von Long
Covid- bzw. Post Covid- oder ME/CFS-Patienten überfordert sein könnte, wies
Rauch zurück. So erinnerte er etwa an ein von der Präsidentin der Österreichischen
Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM), Susanne Rabady, entwickeltes Tool
für die niedergelassene Ärzteschaft, mit dem man "online sozusagen Symptomatiken
abchecken kann".
Das heiße, die Information der Ärztinnen und Ärzte finde "sehr niederschwellig
statt", betonte Rauch. Und es gebe auch "Fort- und Weiterbildung"
auf Kongressen - Vorwürfe, dass nichts passiere, seien daher unzutreffend.
Rauch: "Kampf gegen die Wissenschaftsfeindlichkeit"
Um der geringen Impffreudigkeit der Österreicher - vor allem bei Covid, aber
etwa auch Influenza - entgegenzuwirken, will Rauch vor allem auf "Bewusstseinsbildung"
setzen. Es brauche einen "Kampf gegen die Wissenschaftsfeindlichkeit"
im Land. "Das sehe ich schon, weil ja manche der Meinung sind, die Erde
ist eine Scheibe und Impfen nützt nichts", sagte er - auch mit Blick auf
die FPÖ. "Mit dem Unfug muss man aufräumen, dem muss man entgegenstehen
und das tun wir auch."
Eine Notwendigkeit für eine größere Impfkampagne wie sie es in der Anfangsphase
der Corona-Pandemie gegeben hatte, sieht Rauch aber nicht: "Das ist schlicht
der Erfahrung geschuldet, dass große Kampagnen nicht wirklich etwas bewegen."
Auch sieht er einen hohen Informationsstand der Bevölkerung - fast drei Jahre
nach den ersten Corona-Impfungen. Man habe vielmehr auf Länderebene "sehr
gezielt" Alten- und Pflegeheime aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die
Bewohner aufgefrischt werden. Rauch setzt dabei auch stark auf die Hausärzte:
"Ich glaube, dass die Basisinformation sozusagen von unten nach oben in
der Arztpraxis die allerbeste Information ist." Denn dort bestehe Vertrauen,
"das glauben die Menschen auch".
Kontingente für Gratis-Impfungen teils rasch vergriffen
Dass die Überführung des Impfprogramms - auch bei Influenza - in den niedergelassenen
Bereich nicht ganz so wie erhofft funktioniert hat, räumt Rauch aber ein: Das
habe - anfangs - "nur bedingt funktioniert." Daher habe er mit den
Gesundheitslandesräten in der jüngsten Sitzung der Bundeszielsteuerungskommission
vereinbart, im Jänner die Lehren zu ziehen und für die kommende Impfsaison
besser vorbereitet zu sein. Beim Influenza-Impfstoff waren ja beispielsweise
die Kontingente für die Gratis-Impfungen teils rasch vergriffen.
Gleichzeitig rief der Minister neuerlich dazu auf, die Impfangebote wahrzunehmen:
"Impfen schützt und die Impfung wirkt", dies sei anderslautenden
Verschwörungstheorien entgegenzuhalten. "Natürlich ist die Corona-Impfung
sinn-voll und schützt vor schwerwiegenden Verläufen. Natürlich ist die Influenza-Impfung
sinnvoll" - insbesondere für Risikopatientinnen und Patienten über 60
Jahren. Und ebenso schütze etwa die HPV-Impfung - "die wir jetzt gratis
gemacht haben bis 21 Jahre" - davor, möglicherweise an Krebs zu erkranken,
erinnerte der Minister an eines seiner Projekte.
Rauch ist mit der Gesundheitsreform zufrieden
Zufrieden ist Rauch auch mit der im Dezember im Nationalrat beschlossenen Gesundheitsreform.
"Ich würde das schon als Riesenwurf bezeichnen", sagte er. Ihm sei
es darum gegangen, die Situation für die Patienten und Patientinnen zu verbessern
und etwa einen "einheitlichen Katalog an Leistungen vom Bodensee bis zum
Neusiedlersee" zu schaffen. Dass nicht alle Maßnahmen sofort wirken, ist
dem Minister bewusst: "Jetzt wird es darum gehen, in die Umsetzung zu kommen."
Volle Wirkung entfalten werde die Reform in ein bis drei Jahren, "wenn
tatsächlich im niedergelassenen Bereich der Ausbau stattgefunden und dann
die Entlastung der Spitäler stattgefunden hat". Die "gute Nachricht"
laute: "Wir haben jetzt schon deutlich über 50 Primärversorgungseinrichtungen
eröffnet, fünf davon sind Kinder-PVEs. 30 haben wir in der Pipeline."
Kritisch sieht Rauch die internationale wie auch nationale Entwicklung, was das Wahlverhalten und den Aufstieg von rechten Parteien betrifft. Einmal mehr bezeichnete Rauch die im Juni stattfindenden EU-Wahlen als "die wichtigsten Wahlen meines politischen Lebens". Er sei nicht bereit, es kampflos hinzunehmen, "dass die ganze politische Lage sich nach rechts bis rechtsextrem verschiebt und wir statt einem Orban oder einem Kaczynski viele kleine Orbans oder Kaczynskis bekommen - dann werden wir dieses Europa nicht wiedererkennen".
Rauch: Rechte Parteien erzählen "eine komplette Illusion"
Die rechten Parteien wie die FPÖ würden "eine komplette Illusion"
erzählen, nämlich, dass man "nur eine Festung bauen" müsse, und
die Probleme seien gelöst. "Das Gegenteil ist der Fall." In der Konkurrenz
zu den großen Blöcken China, den USA, den BRICS-Staaten werde man es in Europa
nur schaffen, "wenn wir als Union, als Europäische Union wirkmächtig
sind und in der Lage sind, gemeinschaftlich zu agieren". Den rechten Parteien
sei die parlamentarische Demokratie ein "Gräuel". "Die verachten
die Parlamente, denen geht es darum, Durchgriffsrechte zu schaffen und Strukturen
zu errichten, die die Pressefreiheit bedrohen, die Rechtsstaatlichkeit bedrohen,
Demokratien aushöhlen und letztlich Menschen in Unmündigkeit führen. Das
ist nicht unser Lebensmodell."
Ähnlich sieht der Minister die Situation mit Blick auf die Nationalratswahl
im Herbst, für die die FPÖ laut derzeitigen Umfragen mit einem klaren Wahlsieg
rechnen kann. Es werde gelingen müssen, "die demokratischen Kräfte in
Österreich zu konzentrieren und zu bündeln", meinte Rauch. ÖVP und SPÖ
werden "koalitionsfähig" sein müssen - "es sei dann, man nimmt
tatsächlich einen Bundeskanzler Kickl in Kauf - und in Kauf, auch umzusetzen,
was der angekündigt hat." Es werde aller Voraussicht nach "wohl eine
Dreierkonstellation" sein müssen, "die in der Lage ist, diesem destruktiven
Zugang der FPÖ etwas Konstruktives entgegenzusetzen", setzt Rauch auf
eine Beteiligung seiner Partei, der Grünen. "Es muss versucht werden,
eine demokratische Regierung jenseits der FPÖ zu bilden. Meine Rolle dabei
wird keine ausschlaggebende sein, weil ich nicht mehr kandidieren werde",
betonte Rauch.