Jugend ist religiös desinteressiert

Eine aktuelle Untersuchung der Evangelischen Kirche Deutschlands zur Frage "Kirche und Jugend" brachte ein (für Atheisten) positives Ergebnis: "Bei dieser Suche nach Orientierung und Engagement erscheinen die kirchlichen Angebote in vielen Fällen nicht attraktiv. Jugendliche interessieren sich häufig nicht für die kirchlichen Antworten und Angebote. (..) Die Kirchenmitgliedschaft wird dann in dieser Altersgruppe nicht selten zu einer bloßen Konvention und Tradition. Auch zu den Inhalten des christlichen Glaubens besteht dann zunehmende Distanz: Hinsichtlich des Glaubens an Gott werden häufig Zweifel geäußert bzw. man begegnet bei Jugendlichen der Einstellung, dass man 'an eine höhere Kraft' glaube, aber nicht an einen Gott, wie ihn die Kirche beschreibt. (..) Diese Form der Distanz zur Kirche unterscheidet sich von den Formen der Institutionenkritik von Jugendlichen der vorhergehenden Generationen. Die kirchenkritische Haltung von Jugendlichen war bis in die 80er Jahre aus der heutigen Perspektive eher emotional von Kirchennähe geprägt. Schließlich ging es vielfach darum, die Institution zu verändern, mit der man selbst groß geworden war. Vielen Jugendlichen heute ist die Institution Kirche von vornherein fremd geblieben und deshalb gleichgültig, sie wollen sie nicht einmal mehr verändern. Hierin zeigt sich eine generelle Distanz zu Institutionen."

Die Studie sieht die Hintergründe davon u.a. in den demografischen Veränderungen (weniger Jugendliche, durch Zuwanderung mehr religiösen Pluralismus). Aber man erkennt auch echte Ursachen, etwa, "dass das begleitende religiöse Lernen im Elternhaus und der Gesellschaft immer weniger vorausgesetzt werden kann". Grundlage evangelischer Arbeit mit Jugendlichen sei "die wechselseitige Verschränkung zwischen der Botschaft des Evangeliums und der Orientierung an den Jugendlichen als Subjekten und ihrer Lebenswelt. Aus der Botschaft des Evangeliums ergeben sich Orientierungsmarken für die Lebenswelten Jugendlicher, und gleichzeitig erwachsen aus den Lebenswelten Jugendlicher zentrale Fragen, die das Evangelium erschließen".

Hier müsste die Frage kommen: Ist das "Evangelium" mit den heutigen Lebenswelten von Jungendlichen verschränkbar? Natürlich kann diese Frage nicht kommen, weil sie die Grundsubstanz des Glaubens beträfe. Der Kernsatz dazu, "die Verschränkung der Botschaft des Evangeliums mit den Lebenslagen Jugendlicher ist für das Verhältnis von Kirche und Jugend von zentraler Bedeutung, eben weil sie dem Evangelium selbst in seiner Menschenfreundlichkeit entspricht", zeigt schon deutlich die von der Kirche nicht wahrgenommene Ausweglosigkeit. Weil das "Evangelium" kann ja doch nicht gleichzeitig Ausgangspunkt und Ziel sein. Die "Menschenfreundlichkeit des Evangeliums" ist eine zeitgeistige Anpassung. Bis zum 2. Vatikanischen Konzil war katholischerseits das Evangelium die Botschaft des belohnenden und strafenden Gottes, die "Gottesfurcht" daher ein ganz elementarer Bestandteil der katholischen Religion. Bei den Evangelischen war das nicht ganz so scharf, aber durchaus verpflichtende Glaubenslehre. Seit den 1960ern wurde das Schritt um Schritt entsorgt, der furchtbare Gott ward ein bloß noch lieber Gott, was natürlich die vorher durch Angst und Unwissenheit erzeugte Religiosität schwinden ließ.

Die Jesus-Story hat keine allgemein nutzbare Verbindung mit dem Leben von heute. Wobei, wozu und warum sollte ein Glaube an die Lehren der Bibel jungen Menschen helfen? Das zu definieren, gelang den Erstellern der Studie jedenfalls nicht. "Wenn Jugendliche keinen Kontakt zur christlichen Tradition bekommen, wird es zumindest unwahrscheinlich, dass sie den christlichen Glauben als wertvoll für ihr Leben entdecken", wird richtig erkannt. Dass das Christentum fürs Leben keinen Wert hat, darf natürlich nicht erkannt werden. Ohne frühkindliche religiöse Konditionierung, ohne "Kontakt zur christlichen Tradition" bleibt vom Glauben nichts übrig. "Wenn es der Kirche nicht gelingt, immer wieder der nachwachsenden Generation Zugänge zur Botschaft des Evangeliums zu eröffnen, wird sie auf Dauer in ihrer eigenen Existenz gefährdet". So ist es. Und daran werden die Großkirchen nichts mehr verändern können. Organisiert und engagiert werden eher kleine Gruppen in diversen Sekten auftreten, aber immer weniger in den Großkirchen, das allein schon deshalb, weil Menschen mit heftigen religiösen Bedürfnissen dort zu wenig gefordert werden (und viel fordern kann man nicht, sonst vertreibt man die immer noch Beitrag zahlenden Taufscheinchristen).

Religiosität wird weiter zunehmend weniger institutionell auftreten, sondern - wenn überhaupt - eher privat. Als irgendwelche "höhere Wesen", als Esoterik, ein Gemisch aus Beliebigem. Und für immer mehr Menschen nicht einmal das. Junge Leute wundern sich heutzutage mit Recht darüber, wenn es unter ihren Bekannten welche gibt, die sonntags zur Kirche gehen und sehen diese mit Recht als reichlich merkwürdig an. Jesus verkauft sich ohne frühkindliche Beeinflussung, ohne gesellschaftlichen Druck nimmer. Ein ewiges Leben der Seelen ist keine glaubwürdiges Produkt mehr. Dagegen werden auch die vorgeschlagenen "niederschwelligen Angebote" der Evangelischen Kirche für Jugendliche nicht viel helfen.