BRD: Ausgetreten und trotzdem katholisch

In Deutschland hat ein Katholik folgendes ausprobiert: er ist aus der öffentlich-rechtlichen Körperschaft "Römisch-katholische Kirche" beim zuständigen staatlichen Amt ausgetreten, will aber weiterhin der katholischen Glaubensgemeinschaft angehören, aber ohne Kirchensteuer.

Es gibt nämlich aus dem Jahre 2006 eine Anordnung des PÄPSTLICHEN RATES FÜR DIE GESETZESTEXTE zum richtigen Kirchenaustritt. Darin heißt es: Der Abfall von der katholischen Kirche muss, damit er sich gültig als wirklicher actus formalis defectionis ab Ecclesia darstellen kann, auch hinsichtlich der in den zitierten Canones vorgesehenen Ausnahmen, konkretisiert werden in:
a) einer inneren Entscheidung, die katholische Kirche zu verlassen;
b) der Ausführung und äußeren Bekundung dieser Entscheidung;
c) der Annahme dieser Entscheidung von Seiten der kirchlichen Autorität.

Was also heißt, wenn wer bloß die Kirchensteuer sparen will, aber nicht den Punkt a) vollzieht, ist er kostenloses Kirchenmitglied. Offenbar hatten die vatikanischen Kirchenrechtsgelehrten nicht bedacht, dass in Italien die Vorgangsweise gänzlich anders ist als z.B. in Deutschland oder Österreich. In Italien zahlt man Kultursteuer, entweder an seine Religionsgemeinschaft oder sonst an eine Institution, die dafür zugelassen ist. Beim Kirchenaustritt in Italien muss man sich dazu aus dem kirchlichen Taufregister löschen lassen, man erspart sich jedoch nichts. Italienische Katholiken, die ihre Kultursteuer beispielsweise dem Rote Kreuz widmen, bleiben trotzdem im Taufregister und gelten weiterhin als katholische Kirchenmitglieder. In Deutschland meldet man sich von der übers staatliche Finanzamt eingehobenen Kirchensteuer ab, eine Löschung aus dem Taufregister kann man lt. der obigen Vatikanauslegung anscheinend verweigern.

Die deutsche katholische Kirche hatte das 2006 so vorgesehen:
1. Durch die Erklärung des Austritts aus der katholischen Kirche vor der staatlichen Behörde wird mit öffentlicher Wirkung die Trennung von der Kirche vollzogen. Der Kirchenaustritt ist der öffentlich erklärte und amtlich bekundete Abfall von der Kirche und erfüllt den Tatbestand des Schismas im Sinn des c. 751 CIC*).
2. Die Erklärung des Austritts vor der staatlichen Behörde wird durch die Zuleitung an die zuständige kirchliche Autorität auch kirchlich wirksam. Dies wird durch die Eintragung im Taufbuch dokumentiert.
3. Wer - aus welchen Gründen auch immer - den Austritt aus der katholischen Kirche erklärt, zieht sich die Tatstrafe der Exkommunikation zu, d. h. er verliert die mit der Zugehörigkeit zur kirchlichen Gemeinschaft (Communio) verbundenen Gliedschaftsrechte, insbesondere zum Empfang der Sakramente und zur Mitwirkung in der Kirche. Ebenso treten die im kirchlichen Eherecht vorgesehenen Rechtsfolgen ein.
4. Wer den Austritt aus der katholischen Kirche erklärt, kann nicht in einem kirchlichen Dienst- bzw. Arbeitsverhältnis stehen.
5. Die Exkommunikation ist eine Beugestrafe, die zur Umkehr auffordert. Nach dem Austritt wird sich die Kirche durch den zuständigen Seelsorger um eine Versöhnung mit der betreffenden Person und um eine Wiederherstellung ihrer vollen Gemeinschaft mit der Kirche bemühen.
*) Codex Iuris Canonici 751: Häresie nennt man die nach Empfang der Taufe erfolgte beharrliche Leugnung einer kraft göttlichen und katholischen Glaubens zu glaubenden Wahrheit oder einen beharrlichen Zweifel an einer solchen Glaubenswahrheit; Apostasie nennt man die Ablehnung des christlichen Glaubens im ganzen; Schisma nennt man die Verweigerung der Unterordnung unter den Papst oder der Gemeinschaft mit den diesem untergebenen Gliedern der Kirche.

Der Vatikan nahm zum angeführten Fall Stellung und stellte fest: Diese innerdeutsche Regelung ist wirkungslos (CIC 751 trifft also nicht zu!). Der Kirchensteuerflüchtling ist im Recht. Was er getan hat, sei zwar ein "Ärgernis", aber er weiterhin Katholik.

Spaßig diese kirchenrechtliche Situation! Damit könnten gläubige Katholiken, die aus irgendeinem Grund mit dem aktuellen Kirchenkurs nicht einverstanden sind, Kirchensteuer oder Kirchenbeitrag amtlich stornieren, aber weiterhin in der katholischen Glaubensgemeinschaft bleiben, wenn sie gleichzeitig bekunden, sie hätten keine inneren Entscheidung, die katholische Kirche zu verlassen, getroffen.