Interessant
zu beobachten waren die Diskussionen, die im Gefolge des Buches von Thilo Sarrazin
losbrachen. Dem ehemaligen SPD-Funktionär und zwischenzeitlich auch ehemaligen
deutschen Bundesbanker könnte man vorwerfen, dass er eine sehr auf Nutzen orientierte
Weltsicht hat und eine starke Abneigung gegen bildungsferne Schichten, schwerlich
allerdings wird man ihm gröbere Fehler in der Betrachtung der deutschen Wirklichkeit
nachweisen können, wenn man seine oben angeführte ideologischen Blickwinkel
berücksichtigt.
Die Diskussionen drehten sich vorerst allerdings nicht
um ideologische Differenzen, sondern darum, ob es überhaupt statthaft ist, eine
Meinung zu äußern, die islamische Kulturaspekte als negative Elemente sieht.
In Österreich fiel diesbezüglich besonders die Zeitschrift "Profil"
auf, wo zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eine Schimpftirade losbrach,
die offenbar durch keinerlei inhaltliche Buchkenntnisse begründet war. Sarrazin
wurde sozusagen freihändig zum bundesdeutschen Strache-Klon befördert und niedergebügelt.
Dass
Sarrazin von der FPÖ im Wiener Gemeinderatswahlkampf genutzt wurde, überraschte
natürlich nicht. Weil das Thema "Migration" ist eben das Hauptthema
der FPÖ und kann es auch leicht sein, weil die anderen Parteien entweder das
Thema mit Stillschweigen behandeln oder Probleme in diesem Bereich einfach nicht
wahrhaben wollen.
Nach der Wahl entdeckte man reihum plötzlich Handlungsbedarf.
In Deutschland lief es ähnlich ab. Zuerst war Sarrazins Buch ein Hilfsinstrument
für die NDP und wurde wild entschlossen verurteilt und zurückgewiesen. Das Buch
ward trotzdem zum Bestseller (in Österreich inzwischen auch!). Und plötzlich
redeten auch die, die vorher gar keine Probleme thematisieren wollten, von Problemen
im Migrationsbereich.Wie es sowas passieren kann! Da schreibt einer
ein Buch voller Dinge, die es gar nicht gibt, und plötzlich gibt es diese Dinge
doch. Der deutsche Bundespräsident Wulff war noch auf dem falschen Fuß
als er kurz entschlossen den Islam einzugemeinden versuchte und ihn einem christlich-jüdischen
Kulturkreis als eine Art gleichberechtigte Neukultur zuordnete. Blöderweise
hat es diese christlich-jüdische Kultur in Europa überhaupt nie gegeben, Christen
waren antisemitisch, Juden eben keine Christen und deswegen ausgegrenzt, aber siebzig Jahre nach Hitler
gibt's dann plötzlich eine christlich-jüdische Kultur. Oh, Ihr Heuchler! Die
europäische Kultur der Gegenwart ist eine säkulare Kultur, die auf den Errungenschaften
der Aufklärung beruht, also auf der Überwindung des Christentums!
Dass
Wulff nun auch noch den Islam miteingemeindete, war vielleicht gut gemeint,
aber schlichtweg dumm. Es gibt keine christlich-jüdisch-islamische Kultur.
Der Islam ist zudem auch historisch nie ein Bestandteil der europäischen
Kultur gewesen, sondern ein Produkt des "Morgenlandes", das sich erst vor
wenigen Jahrzehnten im aufgeklärten Europa via Gastarbeiter breitflächig anzusiedeln begann.
Darum bekam Wulff auch gleich die Rechnung präsentiert, seine Islameingemeindung
fand wenig Zustimmung, in der Bevölkerung stieg die ohnehin vorhandene Abneigung
gegen diese Religion stark an.
Das Thema Migration wird zurzeit in Deutschland
heftig diskutiert, ebenso die Haltung zum Islam, einschließlich der Frage, ob
es Kritik an jedweder Religion geben dürfe oder sogar geben müsse. Sarrazin hat
diese Diskussionen ausgelöst, wofür ihm - mit Vorbehalten gegen mancher seiner
ideologischen Positionen - zu danken ist.
Hier als Abschluss ein ZDF-Interview mit dem bekannten Atheisten und Religionskritiker
Michael Schmidt-Salomon zu diesem Themenbereich: