Seliger Wojtyla

Am 1. Mai 2011 hat man Karol Wojtyla den Status eines katholischen "Seligen" verpasst. Der Brauch bei den Katholiken "Selige" und "Heilige" zu ernennen, geht auf die Zeit zurück, wo man in Konkurrenz mit Naturreligionen wegen der dort herrschenden Göttervielfalt (Sonnen-, Mond-, Wind-, Donnergötter usw.) ebenfalls ein größeres Aufgebot an transzendenten Figuren benötigte, darum gibt es Heilige, die den Status eines "Fürsprechers", eines "Schutzpatrons" haben, sich also beim katholischen Gott um Anliegen katholischer Beter bekümmern.

Zu Papst Wojtyla ist schon 2010 der Gag aufgetaucht, wenn er selig und später heilig gesprochen werde, dann könnte man ihn zum Schutzpatron der Kinderschänder erwählen, siehe Profil Nr. 17 / 2010. Siehe auch Info Nr. 392 und Nr. 478.

Aber die katholische Kirche ließ sich von solchen Vorwürfen nicht abhalten.

Wojtylas "Wunder" der Heilung einer Nonne von der Parkinson-Krankheit wird von Fachärzten zurückgewiesen, die Nonne habe nicht an Parkinson, sondern an einer Fehldiagnose gelitten. Aber sowas macht nichts, weil wenn die Kirche sagt, es war ein Wunder, dann muss es eins gewesen sein! Auf kath.net dichtete man Karol Wojtyla am 2. Mai übrigens ein weiteres Wunder an: Er habe den Ostblock in seinen Grundfesten erschüttert und schließlich einstürzen lassen. Lachhaft. Die kommunistische Planwirtschaft war am Ende, der Ostblock war daher ökonomisch und dadurch auch politisch konkursreif, egal wie der Papst geheißen hat. Aber das nur nebenbei.

Eine Million Katholiken sollen sich bei der Seligsprechung versammelt haben, wenn die Leute extrem dicht gedrängt stehen, fasst der Petersplatz zwar nur 500.000, aber in den Nebenstraßen werden auch noch ein paar Platz gefunden haben. Die Million kommt wohl dadurch zustande, weil es seinerzeit bei Papst Wojtylas Weltreisen üblich war, überall mindestens eine Million Zuschauer zu behaupten. Die skurrilste Teilnehmerzahl im Zusammenhang mit Wojtyla gab's bei seinem Begräbnis 2005, damals behauptete man doch glatt, es wären vier Millionen Leute beim Begräbnis gewesen, davon zwei Millionen aus Polen! Polen hat um die 37 Millionen Einwohner, somit wären über fünf Prozent der polnischen Bevölkerung nach Rom und wieder zurückgefahren und geflogen, was aber vermutlich in höheren Sphären passiert sein muss, weil auf irdischen Wegen sah man nichts von dieser Völkerwanderung. Und jetzt bei der Seligsprechung redete man von 80.000 polnischen Pilgern und stellte fest, dass sich die Euphorie über die Seligsprechung in Polen ziemlich in Grenzen hielt und auch in diesem so katholischen Land deutliche religiöse Abbautendenzen bestehen.


Ratzinger bei der Verseligung seines Vorgängers

In Österreich interessierte die Seligsprechung kaum jemanden, nach Medienberichten fuhren zwischen etlichen hundert und wenigen tausend ÖsterreicherInnen nach Rom, die ORF-Quoten von den beiden Seligsprechungssendungen zeigen wenige Zuschauer, den Hintergrundbericht um 9h35 sahen 91.000, um 10h die Übertragung der Seligsprechungsmesse 137.000, das Kitschfest der englischen Prinzenhochzeit sahen in den vier Übertragungsabschnitten zwischen 387.000 und 899.000. Und das am Freitag! Es siegte somit der Kitsch über die Religion um das Sechskommafünffache. Zwar kein besonders gutes Zeichen für den guten Geschmack der Leute, aber ein gutes Zeichen für religiöses Desinteresse.

PS: Der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi war auch anwesend. Aber so ein Politiker hat es nicht leicht: schwere Tage, anstrengende Nächte. Da kann es schon passieren, dass man eine Seligsprechung verschläft ...