Alfred Adler wurde 1870 in Wien
geboren,
studierte Medizin, war bereits als Student sozialdemokratisch engagiert, er
arbeitete anfangs als Augenarzt, wandte sich dann dem Bereich der Sozialmedizin
zu, da die medizinische Betreuung eines Großteils der Bevölkerung sehr im Argen
lag. Ab 1902 nahm er an den Diskussionsabenden bei Sigmund Freud teil, entwickelte
jedoch eine von der Psychoanalyse abweichende, eigenständige Lehre. Er sah den
Menschen nicht vom Sexualtrieb bestimmt, sondern vom Verlangen, Situationen
der Niederlage zu vermeiden, zu überwinden.
Da die Meinungsverschiedenheiten
mit Freud nicht überwunden werden konnten, kam es 1911 zum Bruch zwischen den
beiden. Adler nannte
seine Lehre "Individualpsychologie", weil er den einzelnen Menschen als
unteilbares Wesen sah und behandeln wollte. Der Begriff des "Minderwertigkeitskomplexes"
geht auf Adler zurück und spielt in seiner Lehre eine wesentliche Rolle. 1911
gründete er den "Verein für freie psychoanalytische Forschung", aus
dem 1913 der "Verein für Individualpsychologie" wurde. Bekannte österreichische
Individualpsychologen: Erwin Ringel, Walter Spiel, Josef Rattner.
Alfred
Adler erwarb sich in den 1920er-Jahren große Verdienste im Aufbau von Erziehungsberatungsstellen
im Rahmen der Wiener Schulreformen (Otto Glöckel). Da Adlers Schriften fast
durchgehend als Fallbeschreibungen verfasst wurden, unterblieb das, was mit
Sigmund Freud in der 1960ern passierte, er wurde keine linke Leitfigur. Freud
selber war nie ein Linker gewesen, er hielt Adler sogar dessen sozialistische
Gesinnung vor.
Einen wichtigen Versuch, die Individualpsychologie in die
linke Politik einzubringen, machte der nachmalige berühmte Autor Manes Sperber,
der in den 1930er-Jahren als Individualpsychologe tätig und Kommunist war.
Er hatte bis 1933 für die KPD eine Reihe von individualpsychologischen
Vorträgen gehalten, die jedoch erst 1978 in Buchform erschienen ("Individuum
und Gemeinschaft", Klett-Cotta, leider schon lange vergriffen). Über Adler
meinte Sperber, dieser wäre der radikalste Atheist gewesen, der ihm je begegnet
ist. Was auch aus anderer Quelle nachvollzogen werden kann: "Zwischen
Allmacht und Ohnmacht - ein Versuch, Irrationalismus, Mythen und Magie im
menschlichen Dasein aus der Sicht der Individualpsychologie Alfred Adlers zu
erklären".
Alfred Adler emigrierte 1934 wegen der faschistischen
Entwicklungen in Europa in die USA, wo die Individualpsychologie bald große
Popularität erlangte, er verstarb 1937 auf einer Vortragsreise in Schottland.
Die Familie reiste zur Trauerfeier nach Aberdeen, die Urne blieb jedoch in der
Verwahrung des Krematoriums, wo sie nunmehr wieder aufgefunden wurde. Anlässlich
des 25. Internationalen Kongresses der Individualpsychologie wird sie am 12.
Juli 2011 in einem Ehrengrab der Stadt Wien auf dem Zentralfriedhof
beigesetzt.
die
Urne von Alfred Adler vor der Beisetzung