Mehr Gehorsam & mehr Jesus

Kardinal Schönborn hat es nicht leicht. In Rom sitzt sein lieber Freund und Lehrer Papst Ratzinger und will zurück zu den guten alten Zeiten, wo die Messen noch auf Latein gelesen wurden, nicht nur die schweren, sondern alle Sünden gebeichtet werden mussten und der HErr nicht lieb, sondern rachsüchtig war. In Österreich drangsalieren Laien und Priester, die das 2. Vatikanum in Richtung Protestantismus weiterentwickeln wollen, die katholischen Hierarchen. Schönborn ist ein durchschnittlicher katholischer Bischof, bemüht sich um das Zeigen freundlicher Nasenlöcher, fürchtet sich vor Vorgesetzten und will mit seinen Untergebenen keine Troubles haben.

Zurzeit gibt's in Österreich Troubles. Die Pfarrerinitiative hat den Ungehorsam ausgerufen und fordert:


Dazu hatte nun die herbstliche Bischofskonferenz eine Stellungnahme abzugeben (siehe dazu Info 645). Am 11.11.2011 - dem Tag des Faschingsbeginns - wurde pressekonferenzt. Zuerst wird lautstark geheuchelt: "Erneuerung der Kirche war der große Anspruch des Zweiten Vatikanischen Konzils, dem wir auch heute verpflichtet sind und in Zukunft verpflichtet bleiben". Aber das ist nach Bischofsansicht die Pfarrerinitiative nicht. Manche Forderungen und Modelle dieser Initiativen würden "nach Überzeugung vieler zu kurz greifen oder gar der kirchlichen Identität schwerwiegend widersprechen und die Einheit der Kirche aufs Spiel setzen."

Die Ungehorsamen erhalten frohgemut eine Absage:
Der Ungehorsamsaufruf habe "bei vielen Katholiken nicht nur ein Kopfschütteln, sondern tiefe Sorge und Traurigkeit ausgelöst". Dazu zum Nachschlagen für die Schönborns, 7.11., religion.ORF.at: "Zwei Drittel der Pfarrer in Österreich orten einen 'bedrohlichen Reformstau' in der katholischen Kirche und eine 'dramatische Kluft' zwischen Kirche und moderner Kultur, mehr als 70 Prozent von ihnen sehen den Aufruf der von Helmut Schüller initiierten Pfarrer-Initiative zum Ungehorsam grundsätzlich positiv - als Impuls zu notwendigen Reformen. Das ist die zentrale - und sehr brisante - Aussage einer aktuellen 'kreuz und quer'-Studie unter 500 Pfarrern in Österreich." Unter den von Schönborn angeführten "vielen Katholiken" werden vermutlich die Pfarrer von Kopfing und Windischgarsten, der Weihbischof Laun aus Salzburg und Ewald Stadler, der FPÖ/BZÖ-Paradekatholik sein. Bestimmt dabei wäre auch der Porno-Humer, aber der ist schon zum HErrn heimgekehrt.

Die zwei Drittel reformorientierten Priester bekümmern die Schönborns klarerweise weniger als die Ratzingers in Rom. Und überhaupt: "Wer bei der Weiheliturgie öffentlich und freiwillig ein Dienstamt in der Kirche übernommen hat, schadet der Gemeinschaft und sich selbst, wenn er mit diesem Wort leichtfertig umgeht. Meinungsumfragen können ihm die schwerwiegende Verantwortung für eine fundamentale Einheit in der Kirche nicht abnehmen." Also Arsch zusammenkneifen und verantwortungsvoll den Mund halten.

Zum Thema Zölibat wird erklärt, dass diese Frage nicht in Österreich - wo nicht einmal ein Prozent*) der Katholiken weltweit lebten - entschieden werden könne. Regional unterschiedliche Wege in Fragen der Kirchendisziplin seien vorstellbar, wenn dies weltkirchlich so entschieden wird.
*) es sind nicht einmal 0,5 %

Das stimmt sachlich sicher. Aber wer hindert den Herrn Schönborn daran, die Forderung nach Abschaffung des Pflichtzölibats als Forderung der Mehrheit der österreichischen Pfarrer im Vatikan laut und deutlich kundzutun? Wieviel Prozent der Weltkatholiken braucht eine Bischofskonferenz, um eine offizielle Meinung dazu in Richtung Vatikan äußern zu dürfen?

Der Kleinmut des Herrn Schönborn ist jedenfalls groß.

Also lenkt er ab und redet über utopische Angelegenheiten. Weil viel wichtiger sei es, zu "betonen, dass es heute und morgen vor allem darauf ankommt, die Zahl jener Getauften zu vermehren, die Gott inständig suchen und für die der Glaube an Jesus Christus immer mehr zur entscheidenden Frage für ein gelingendes Leben wird". Dazu müsse brauche es die Bereitschaft, "sich im Glaubenswissen zu vertiefen und aus den Sakramenten zu leben", was immer das heißen mag. Gibt's dann in den Pfarren mehr Gottsucher und mehr Bibelkurse und jeder muss am Sonntag zur Kommunion? Und was machen die Bischöfe mit der großen Mehrheit der Kirchenmitglieder, die maximal - damit sich die Oma freut - zu Weihnachten in die Kirche gehen? Erscheint denen dann der HErr im Traum und schimpft sie wegen ihrer Gottesferne? Faszinierend, wie realitätsferne religiöse Träumereien als eine Art Zukunftspläne aufgetischt werden!

Jedenfalls: "Wo 'katholisch' draufsteht, muss auch 'katholisch' drinnen sein".
Darum sind Sachen wie von Laien abgehaltene Messen samt Verteilung des Leib des HErrn sowieso unmöglich. Über die Verabreichung des Herrenleibes an wiederverheiratete Geschiedene will man immerhin nachdenken. Obwohl gerade das eindeutig verboten ist, weil wiederverheiratete Geschiedene beständig in schwerer Sünde leben und solche Sünder den HErrn nicht verspeisen dürfen, siehe Katechismus §1650: "Falls Geschiedene zivil wiederverheiratet sind, befinden sie sich in einer Situation, die dem Gesetze Gottes objektiv widerspricht. Darum dürfen sie, solange diese Situation andauert, nicht die Kommunion empfangen (..) Die Aussöhnung durch das Bußsakrament kann nur solchen gewährt werden, die es bereuen, das Zeichen des Bundes und der Treue zu Christus verletzt zu haben, und sich verpflichten, in vollständiger Enthaltsamkeit zu leben." Der liebe Gott, der das Universum mit 100 Milliarden Galaxien geschaffen haben soll, schaut also nach römischer Lehre bei jedem Geschlechtsverkehr nach, ob eh eine gültige katholische Ehe vorliegt. Weil sonst gibt's am Sonntag keinen Jesus zum Frühstück.

Die Bischofskonferenz ist trotzdem zukunftsfroh, weil die Bischöfe wissen die Lösung der Kirchenprobleme: "Es gibt seit 2.000 Jahren keinen besseren Reformweg als das Evangelium." Und das Evangelium legt Ratzinger aus, nicht Schüller. Das sagte Schönborn natürlich nicht, aber das ist wohl klar. Und für die Schönborns geht es dabei um drei Leitworte, erstens: "Auf Christus schauen", zweitens: "Mit den Augen Christi auf die Menschen blicken", drittens: "Den Menschen Christus zeigen". Da kann ja nichts mehr passieren. Wenn dann alle Menschen Christus gesehen haben, dann geht's der katholischen Kirche wieder gut!

In der Steiermark hatte man im Herbst 2010 im ganzen Land die Straßen und Plätze mit Hinweispfeilen beschmiert, jede Kapelle, jeder Bildstock erhielt einen Hinweispfeil zwecks "auf Christus schauen" - dass diese gesetzeswidrige Aktion irgendeinen messbaren katholischen Effekt gehabt hätte, war nicht zu vernehmen.

Schaut Euch die Presseerklärung vom Schönborn direkt an, er redet sieben Minuten über die Pfarrerinitiative und dann knapp fünf Minuten über andere Themen (Pfarrgemeinderatswahlen, Bildung, Entwicklungshilfe).


Von der Homepage der Pfarrerinitiative stammt das folgende Inteview mit dem Innsbrucker Altbischof Stecher (zwecks besserer Einpassung in die Seite wurde die Spaltenaufteilung des Originalartikels neu arrangiert):


Jedenfalls hat es die Bischofskonferenz in keiner Weise geschafft, mit der Unruhe im aktiven Kirchenvolk fertig zu werden, das wird weitergehen! Die Presse meldete dazu: "Pfarrer-Initiative und die Reformbewegung Wir sind Kirche wollen keinen Millimeter von ihren Forderungen zurückweichen. Auch nicht nach der Absage der Bischofskonferenz an einen österreichweiten Dialog und der Mahnung Kardinal Christoph Schönborns, der Einheit und Identität der Kirche auf dem Spiel sieht. Helmut Schüller, Kopf der Pfarrerinitiative, stellt am Freitag im Gespräch mit der 'Presse' die rhetorische Frage: 'Wird nicht von den Bischöfen die Identität und die Einheit der Kirche mehr aufs Spiel gesetzt durch das laufende Negieren der Erwartungen, die die Pfarrer und die Gemeinden haben?'
Er wollte eine österreichweiten Dialog zu den Themen Pfarrermangel, Zölibat, Umgang mit Geschiedenen, die wieder geheiratet haben. Diese Gespräche nun nur in den Diözesen zu führen, schwäche die österreichische Stimme, die die Anliegen in Rom zu artikulieren hätte. Schüller: 'Wir sind verwundert, dass den gerade in den letzten Monaten geäußerten Erwartungen, die Fragen auf der Österreich-Ebene anzugehen, nicht entsprochen wurde. Das ist nicht nur eine Antwort an drei Viertel der Pfarrer, die unsere Anliegen unterstützen, das ist auch eine Antwort an die Katholiken insgesamt, die mehrheitlich unserer Meinung sind.' Er werde mit der Pfarrerinitiative die Anliegen unermüdlich vertreten - und die Reformpraxis fortsetzen.
Schärfer formuliert Hans Peter Hurka, Chef der Plattform Wir sind Kirche in Richtung Bischöfe: 'Das ist ein Verkennen der Dramatik der Situation. Der Zug in Richtung Reformen ist aus dem Bahnhof. Zu glauben, dass er auf halbem Weg in den Bahnhof zurückkehrt ist ein Nicht-zur-Kennntnis-nehmen-Wollen der Realitäten.' Er werde weiter mit den Bischöfen im Dialog bleiben. Aber, so Hurka: 'Die Menschen werden sich abwenden oder ihren eigenen Glauben leben'."

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