Es ist schon beinahe aufdringlich auffällig wie beharrlich sich leitende
Kirchenfunktionäre damit befassen, dass die katholische Kirche ihre Außenwirkung
durch christlich-missionarisches Auftreten von aktiven Gläubigen wesentlich
steigern soll. Nachdem hier der Wiener Bischof Schönborn schon mehrfach
mit seinen Missionierungsplänen und Jüngerschulungsprogrammen genannt wurde
(siehe z.B. auf der unteren Hälfte der Info Nr. 700),
kann dazu jetzt auch der deutsche Oberbischof Zollitsch zitiert werden.
Zollitsch
meinte in seiner Silvesterpredigt: "Das Ansehen der Kirche hängt von
der Überzeugungskraft jedes einzelnen Christen ab, von Menschen, die mit demütigem
Selbstbewusstsein ihren Glauben bekennen, die sich für andere stark machen und
sich für die Schwachen einsetzen, die tapfer zu ihren Gewissensüberzeugungen
stehen, auch dann wenn sie dafür nicht öffentlich gelobt werden", die Christen
müssten die "Verantwortung in der Gesellschaft und für die Schöpfung ernst
nehmen", denn "der Glaube an Gott macht dankbar für das Geschenk der
Schöpfung, er macht sensibel für einen verantwortungsvollen und nachhaltigen
Umgang mit der Natur." Dann wird Zollitsch richtig konkret: "Mit Jesus
Christus und dem Eintritt des Christentums in unsere Welt sind Respekt vor dem
Leben in allen Situationen, Solidarität, Hinwendung zu den Kranken, Fürsorge
für Arme und Notleidende, für Ausgegrenzte und Verachtete in diese Welt eingetreten.
Gott schenkt unserem Leben seine unantastbare Würde. Er ist das Licht, das jeden
Menschen erleuchtet."
Eine mehr als kühne bischöfliche Behauptung!
Dass die Fürsorge für Arme und Kranke heute weitestgehend funktioniert, war
eine Folge der Aktivitäten der Arbeiterbewegung, das hat mit dem Christentum
absolut nichts zu tun, solange die Christen dafür zuständig waren, war Not
und Elend institutionell gesichert. Mit ein paar barmherzigen Almosen ließ sich
die unbarmherzigen Ausbeutung der Menschen durch Kirche, Adel und Unternehmen
nicht regulieren. Es waren Karl Marx und seine Genossen und nicht Jesus und
die Christen,
die die Verkündigung einer besseren Welt zur Errichtung einer besseren Welt
vorantrieben.
Die Überzeugungskraft der einzelnen Christen wird daher
gar nix reißen. Dass sich Not und Elend im Großteil Europas in Grenzen hält,
ist eine Folge der Errichtung der Sozialstaaten. Dass Not und Elend auch hinkünftig
außen vor bleiben, bedarf keines Jesus und keiner Almosen verteilender Christen,
sondern kämpferischer Gewerkschaften und politischer Parteien, die die Interessen
der arbeitenden Menschen vertreten. Daran liegt es zurzeit im Argen, in Österreich
gibt es z.B. seit rund zwanzig Jahren praktisch keine Reallohnzuwächse mehr,
aber eine ständige Verschärfung der Ausbeutung. Dagegen helfen leider heutzutage
weder ein ÖGB, noch eine SPÖ, ein Zollitsch, ein Schönborn, ein Jesus schon
überhaupt nicht, sondern Aktionen wie "Occupy Wallstreet".
Jawohl,
nicht die Menschen sollen sich vor der Regierung fürchten, sondern die Regierung
vor den um ihre Rechte bestohlenen Menschen!
"Die
Arbeiter von Wien", eine Aufnahme und ein Film dazu aus einer Zeit, wo
die SPÖ noch wusste, warum und wofür sie gegründet worden war ..