Die katholische Kirche ist nicht darauf angewiesen, Aktionären steigende
Aktienkurse zu bieten. Aber ein bisschen Einsparung braucht man doch. Was
man nicht so machen kann, wie es bei den Konzernen üblich ist, die sperren ihre
Produktionsstätten in den hoch entwickelten Ländern gerne zu und errichten in
Indien oder China neue Fabriken. Weil dann bleiben mehr Mittel, die man für
Börsenspekulationen verschwenden kann.
Religionsgemeinschaften müssen
das anders machen. Man kann schließlich die Sonntagsmessen nicht nach Polen
oder Malta auslagern, wo es noch ausreichende Mengen an Sonntagsmessbesuchern
gibt.
Was macht man, wenn man zwei Probleme hat? Erstens zuwenig
Messbesucher, zweitens zuwenig Priester. Weil der Messbesucherschwund ist
ja deutlich höher als der Priesterschwund. Es mag zwar sein, dass heute auf
einen Priester mehr Kirchenmitglieder entfallen als vor 50 Jahren, aber es sind
sicherlich heute pro Priester wesentlich weniger aktive Gläubige als früher.
Was jetzt die größere Belastung ausmacht, ist gar nicht der Priestermangel,
sondern der Gläubigenmangel. Es zahlt sich eben immer weniger aus, wenn in
kleinen Pfarren für eine Handvoll Gläubige der ganze Betrieb aufrecht erhalten
werden muss, womöglich noch mit einem rundreisenden Pfarrer.
Bei den
Nahversorgern gab es eine ähnliche Entwicklung: Die kleinen Einzelhandelsgeschäfte
hatten zuwenig zu bieten und waren auch preismäßig meist ungünstiger, sie sind
verschwunden, geblieben sind die Handelskonzerne, die ihre Filialen so positionieren,
dass genug Einkaufpotential vorliegt.
Schönborn will nun offenbar
ähnliche Wege gehen. Großpfarren sollen die verbliebenen Kleingruppen der aktiven
Katholiken betreuen. Der Herr Kardinal ließ am 17.1.2012 wissen: "Wir
müssen auf die veränderte Kirchengestalt angemessen reagieren. Kein Zurück zum
business as usual". Für eine Art pfarrliche Probebohrung wurde in Wien
das Dechanat Favoriten ausgewählt, bis September 2013 soll sich dort ein Neuordnungsprozess
in Form einer Reorganisation von Pfarren und Gemeinden entwickeln, bis Sommer
2012 soll darüber ein Zwischenbericht vorliegen.
Der Bezirk Favoriten hat
177.000 Einwohner, davon sind nur noch rund 60.000 katholisch, von diesen 60.000
besuchen weniger als 2.000 regelmäßig die Sonntagsmesse. Das Dechanat besteht
aus 15 Pfarren, somit kommen auf eine Pfarre im Schnitt etwa hundert bis hundertfünfzig
sonntägliche Messbesucher, für die paar Leute jeweils eine eigene Kirche, einen
eigenen Pfarrhof zu betreiben und womöglich auch einen eigenen Pfarrer zu installieren,
ist kostentreibend und bringt letztlich nichts. Die Strukturen müssen "reformiert",
also geschrumpft werden.
In der Aussendung vom 17.1. hieß es dazu: "Die
Strukturreformen sollten dabei jedoch stets unter der Vorgabe eines missionarischen
Aufbruchs und neuer pastoraler Initiativen stehen, erläuterte Schönborn das
Ziel des Projekts bei einer Pressekonferenz am Montag in Wien." Man sperrt
also einige besonders leere Pfarren zu. Wie man bei einem Anteil von ca. drei
Prozent aktiven Gläubigen einen "missionarischen Aufbruch" hinlegen
will und mit den eingesparten Pastoralassistenten "neue pastorale Initiativen"
setzen, wurde in der Aussendung nicht erläutert.
Konkret wird festgelegt:
Neben einer Verschlankung der pfarrlichen Strukturen sollen kleinere christliche
Gemeinschaften gefördert oder neu aufgebaut werden. Zu den Rahmenvorgaben gehören
u.a., dass eine Pfarre zukünftig mindestens über 4.000 Katholiken verfügen müsse,
fünf Prozent des Pfarrbudgets für neue Initiativen und Projekte gewidmet sein
müssen, die Kosten für den Pfarrhof und das Pfarrheim nicht mehr als 20 Prozent
der erwirtschafteten Einnahmen ausmachen dürfen und die Instandhaltungskosten
der Sakralbauten ohne diözesane Zuschüsse auskommen können müssen. Nicht ausgeschlossen
wird laut Rahmenplan auch eine alternative Nutzung von nicht erhaltbaren Kirchen.
Als
positive Entwicklung sieht Schönborn die deutliche Zunahme katholischer Privatschulen
(Verdreifachung seit 1995)*) und die Ausweitung der Dienste der Caritas. Das
Erstere hat seine Ursache im langjährigen völligen Versagen der Politik in Sachen
Migration und Integration, wodurch speziell in Wien das öffentliche Schulwesen
schwerstens geschädigt wurde und die Nachfrage nach privaten Alternativen explodierte,
das Zweitere ist bedingt durch die ansteigende Nachfrage nach Sozialdiensten,
Pflegeheimen etc., beide Dinge haben nichts mit Religion zu tun, sondern mit
Mängeln im öffentlichen Bereich, welche nun die Geschäfte von Privatanbietern
forcieren.
*) diese Verdreifachung laut Aussage Schönborn war von kathpress
mit der APA-OTS 0120
vom 16.1.2012 (letzter Absatz) gemeldet worden, wie mich Christoph Baumgarten wissen ließ, stimmt
das jedoch offenbar bei weitem nicht, es gab wohl ein Anwachsen von PrivatschülerInnen, aber weitaus nicht in diesem
Ausmaß, siehe Meldung der Presse,
demnach betrug der Anstieg von 1990 bis 2010 etwa 37,5 %. Was lernt man
daraus? Man sollte fallweise auch kathpress-Meldungen und Bischofsstatistiken
so vertrauen wie man als Atheist dem Wort Gottes vertraut.
Es schaut also so aus: die katholische Kirche reduziert
ihre Strukturen und verlegt ihre Geschäftsfelder in den nichtreligiösen, aus
öffentlichen Mitteln und Nutzerbeiträgen finanzierten Bereich. Beweihraucht
wird das durch religiöse Floskeleien über missionarische Aufbrüche etc. Beachtet
muss dabei klarerweise werden, dass die Religionsgemeinschaften offenbar versuchen,
ihre Gläubigenverluste durch Geschäftsgewinne im Sozialdienstleistungsbereich
ausgleichen, also die eingetretene Unabhängigkeit von der Religion durch Abhängigkeiten der
Menschen im erwähnten
Schulwesen und im Pflegedienst zu ersetzen. Diese Gefahr ist beträchtlich!