Nein. Hier ist nicht die Rede vom großen Karl, sondern vom Kardinal in
München. Namensgleichheit bedeutet nicht unbedingt gleiche Qualität. Und
da wagt sich der Kardinal auf ein Eis und in eine Politik, die ein Gewicht seines
Kalibers nur schwerlich trägt. Für den Kardinal, und das ist verständlich, gibt
es kein Europa ohne Gott. Ob aber die aktuelle Finanzkrise durch die Anwendung
christlicher Prinzipen vermeidbar gewesen wäre, darf mit Fug und Recht und einem
Blick in die Geschichte der Catholica ernsthaft bestritten werden.
Es
ist zunächst absolut richtig, dass es noch nie eine Welt und auch Europa nie
ohne Gott gegeben hat. Die Frage ist nur, welcher Gott bzw. welche Götter, wann
und für welchen Zweck. Lässt man die letzten 6.000 Jahre Revue passieren, gab
es immer schon Götter und Göttinnen mit sehr menschelnden Problemen, Streitigkeiten,
Jungferngeburten, Himmelfahrten, Tod und Auferstehung. Da nehmen sich die Gottesvorstellungen
der Catholica seit knapp 2000 Jahren eher wie eine Spielart bekannter Muster
aus. Bis hin zur Trinität, die es bei den Römern im Trio Jovis-Mars-Quirin auch
schon gab, oder der Mutter Gottes bei den alten Ägyptern. Ja gar der große Alexander
soll jungfräulich geboren worden sein.
So ziemlich genau vor 1.700 Jahren
nahm dann die Catholica das Heft in die Hand, nachdem ihr Kaiser Galerius am
30. April 311 mit seinem Toleranzedikt die Ausübung ihrer Religion erlaubte,
solange sie sich an die Ordnung halte. Das klingt ganz aktuell und ist sogar
in unserem GG unter Bezug auf § 137 WRV festgeschrieben, wo Religionsfreiheit
"in den Schranken des Gesetzes" toleriert wurde. Seitdem und bis heute
hat sich die Catholica an diese Auflage nicht gehalten. Sie hat sich unter Berufung
auf ihren Gott stets in die Angelegenheiten der Menschen und Regierenden eingemischt,
bis hin zu blutigen Zwangschristianisierungen und Verbrennen missliebiger Menschen
und Schriften. Von allen bisher bekannten Göttern scheint der Gott der Catholica
angesichts der Handlungen seiner Diener einer der Grausamsten zu sein. Da ist
es ganz verständlich, dass nicht alle Menschen an eben diesen Gott glauben können
und wollen. Und blind vor Eifer sagt der Kardinal: "Die wichtigste Aufklärung,
die Europa erlebt hat, war die Verkündigung des Evangeliums". Da hat er
wohl in der Schule die Stunde über die Aufklärung in Frankreich verpasst, aber
auch z.B. über Pelagius und Marcion, die schon in der Frühzeit des Christentums
gegen die abstrusen Auslegungen christlicher Lehren durch selbstberufene Kirchenoberen
wetterten. Aber die Catholica ist dann, wenn der säkulare Druck zu groß wird,
immer schon als Erfinderin von Titeln und Thesen aufgetreten, die es schon lange
vorher gab.
Im vom Kardinal beschworenen Evangelium kam sein Verfasser
im späten 4. Jahrhundert um Paulus von Tarsus leider nicht herum. Und damit
sind wir bei der christlichen Auffassung von Sozialpolitik. Wer nicht arbeitet,
soll auch nicht essen, polterte Paulus gegen die Thessalonikier. Und er verlangte
unbedingt von der Milch der Schafe zu trinken, die er weidete. Religionslehre
zum Broterwerb! Kaum eine Institution hat solange Sklaven (Leibeigene) gehalten
wie die Catholica. Ausbeutung von Menschen im Namen Gottes zur Bewirtschaftung
von Gütern und Pfründen. Alle hehren Grundsätze der Bibel über Bescheidenheit
und Verzicht auf Reichtum werden konsequent über den Haufen geworden, wenn es
um den Vorteil der Catholica geht.
So wirkt die Behauptung des Kardinals
grotesk vor dem Hintergrund der finanziellen Machenschaften des Vatikans (Stichpunkt
Vatikan AG von G. Nuzzi), den zahllosen Finanzbeteiligungen der Catholica an
Rüstungsbetrieben und anderen Wirtschaftsunternehmen, die mit dem "Geschäftszweck"
der Catholica auch im Entferntesten nichts zu tun haben, wilden Immobilienspekulationen
mit Millionenverlusten z.B. in der armen Diözese Magdeburg, satter Pensionen
für geschasste Bischöfe bei schamvollem Schweigen zu Hartz IV, staatlichem Einzug
von Kirchensteuer bei Verlust des Sakraments der hl. Kommunion, wenn man das
nicht will. Alles Mittel und Manifestationen von Macht, die mit dem behaupteten
sozialen Auftrag der Catholica unvereinbar sind, abstoßende Beispiele eines
"Casino-Kapitalismus", der nur um Kapitalrendite kreist. Und dieses
System bietet der Kardinal aus München zur Lösung der aktuellen Finanzkrise
an. Nein Danke! So blind für die Realität kann nur ein Kardinal Marx murxen
und eben nicht der große Karl gleichen Namens.