Nicht
nur in der Politik, sondern auch auf dem Feld der Weltanschauung werden seltsame
Strategien angewandt, um den vermeintlichen Gegner zu desavouieren. Für Religiöse
aller Art ist der britische Evolutionswissenschaftler Richard Dawkins ein rotes
Tuch, weil er sich vehement gegen den religiösen Glauben ausspricht und den
Atheismus propagiert. Die Auseinandersetzungen werden teils hitzig geführt,
ein besonderer Tiefschlag ist nun dem konservativen Sunday Telegraph gelungen.
"Aufgedeckt"
wird von dem Blatt, dass das Vermögen der Familie Dawkins auch aus der Sklavenarbeit
stammt. Damit will man dem Atheisten, der "gegen Aberglaube, Intoleranz
und Leiden" zu Felde zieht, eins auswischen, da er gegen "die Übel
der Religion" gekämpft und "die Welt über der Tugenden des Atheismus
gelehrt" habe.
Einer seiner Vorfahren, ein Henry Dawkins, habe zur
Zeit seines Todes über tausend Sklaven in Jamaica gehabt, auch andere Dawkins
hatten in Jamaica Plantagen. Zumindest dürfte ein Teil des 400 Hektar großen
Grundbesitzes der Familie in der Nähe von Chipping Norton, Oxfordshire, mit
dem Geld erworben worden sein, das durch Sklavenarbeit auf der Zuckerplantage
eingenommen wurde, so der Telegraph. Over Norton Park, das Richard Dawkins Vater
geerbt habe, sei in der Familie geblieben, Dawkins besitze Anteile und agiere
als Direktor, so der Vorwurf (es scheint um einen Jahresgewinn von 12.000 Pfund
zu gehen). Irgendwie scheint dem Atheisten und seinem Standpunkt auch Scheinheiligkeit
deswegen attestiert zu werden, weil manche seiner Vorfahren sich auch gegen
die Abschaffung der Sklaverei eingesetzt haben.
Er selbst hat sich
allerdings, wenig verwunderlich, gegen die Sklaverei ausgesprochen und gesagt,
dass die Haltung seiner Vorfahren zur Sklaverei mit ihm nichts zu tun hätten.
Und er fügte hinzu: "Einer der abstoßendsten Verse der Bibel sagt, dass
die Sünden des Vaters auf den Kindern bis in die dritte oder vierte Generation
lasten würden", sagte er dem Telegraph-Journalisten, der ihn angerufen
hatte. Dem Journalisten warf er vor, dass er erst einmal Genetik lernen
müsse, schließlich stamme höchstens 1 von 512 seiner Gene von Henry Dawkins.
Und genüsslich wird ihm die Forderung von Esther Stanford-Xosei, of Lewisham,
Vizevorsitzende der Pan-African Reparations Coalition in Europe, vorgehalten,
das ser nun seinen Worten auch Taten folgen lassen müsse, weil es bei Verbrechen
gegen die Menschlichkeit keine Fristen gebe. Er solle eine Initiative finanzieren,
die über die Geschichte der Sklaverei aufkläre. Da könnten sich freilich viele
beteiligen, der Großteil des Adels sowieso und auch die Kirchen, die, wie Dawkins
auch anmerkt, Sklaverei sanktioniert hatten.
Dawkins sieht die Art der
Kritik als Ausdruck für die gesunkene Qualität Journalismus, wenn dieser schon
einen Scoop darin sieht, einen Menschen für das anzugreifen, "was seine
fünf Urgroßväter getan haben". Die Farm sei zudem klein, würde ums Überleben
kämpfen und gerade mal "peanuts" wert sein. Überdies gebe es in bei
seinen Vorfahren eine ununterbrochene Folge von sechs Generationen anglikanischer
Priester: "Ich frage mich, ob er (der Journalist) glaubt, dass ich auch
ein Gen für Religiosität geerbt habe." Dawkins musste sich allerdings korrigieren.
In der Hitze des Telefongesprächs habe er sich verrechnet, er habe ein von 128
seiner Gene von Henry Dawkins geerbt.
Florian Rötzer am 20.2.2012 auf Telepolis