BERLIN. (hpd) Im Iran gab es Parlamentswahlen, die die innenpolitische
Situation des Landes verändert haben. Außerdem scheint die Gefahr eines Krieges
gegen das Land zu bestehen. Grund genug für den hpd, sich mit Mina Ahadi über
die Situation im Iran zu unterhalten.
hpd: Hallo Mina,
schön, dass du dir zwischen einer Kundgebung und dem Interview für einen türkischen
Sender die Zeit genommen hast, um mir für ein paar Fragen zur Verfügung zu stehen.
Du hast bei der Veranstaltung zum Frauentag vorhin schon ein paar Worte zur
Menschenrechtssituation und besonders zur Rolle der Frauen im Iran gesagt. Hat
sich durch die Parlamentswahl im Iran am letzten Freitag irgendwas daran verändert?
Mina
Ahadi: Nein. Die Parlamentswahl war eine Farce. Denn oppositionelle Gruppen
wurden zur Wahl erst gar nicht zugelassen. Es gab eine Wahl zwischen dem Klerus,
der durch den Ayatolla Chamenei vertreten wird und den Leuten um den Präsidenten
Amadinedschad. Dabei haben die Kräfte um den "religiösen Führer" die
Macht erhalten.
Man muss sich darüber im Klaren sein, dass das Ergebnis der
Wahl vorher feststand. Die konservativen Kräfte haben die Mehrheit bekommen.
Allerdings bedeutet das nun nicht, dass Amadinedschad nicht konservativ sei.
Soweit
ich weiß, haben die Reformer zu einem Boykott der Wahlen aufgerufen.
M.A.:
Das ist richtig. Vielleicht muss ich hier betonen, dass "Reformer"
und "konservativ sein" eine ganz andere Bedeutung haben als hier.
Reformer im Iran sind Anhänger von Khatamie und damit ein Teil, ein Flügel des
Regime. Aber sogar dieser Flügel hat zum Boykott aufgerufen. Allerdings ist
Khatamie selbst zur Wahl gegangen, weshalb er von seinen eigenen Leuten stark
kritisiert wurde.
Aber ich halte diese Wahl nicht für wichtig. Für mich als
Oppositionelle und als Frau ist diese Wahlfarce absolut unwichtig. Denn sie
ändert nichts am System des islamischen Regimes. Sie zeigt aber, dass das islamische
Regime an Anhängern verloren hat.
Die freiheitliche Bewegung hat schwer gelitten
in den letzten Jahren. Menschen wurden verhaftet, gefoltert oder haben das Land
verlassen. Es ist für die Opposition sehr schwer.
Das gilt - wie mir
scheint - auch außenpolitisch. Der Iran ist international sehr isoliert.
M.A.:
Leider wird im Westen vor allem auf den Atomstreit hingewiesen. Von den andauernden
Menschenrechtsverletzungen im Iran wird viel zu wenig gesprochen und geschrieben.
Außenpolitisch wird der Iran am meisten wegen seiner Atompolitik verurteilt.
Wie
ernst sind die aktuellen Drohungen Israels zu nehmen, den Iran anzugreifen?
M.A.:
Sie sind sehr ernst zu nehmen. Es könnte allerdings sein, dass die Diskussionen
darüber in den USA (Anmerkung der Redaktion: der israelische
Regierungschef Netanjahu war dieser Tage in Washington bei Präsident Obama)
vor allem als Wahlkampfthema herhalten muss.
Es gibt die Hoffnung, dass sich
in Syrien in den kommenden Wochen etwas ändert. Das Regime Assads wird sich
nicht mehr lange halten können. Es gibt die ersten Demonstrationen in Syriens
Hauptstadt Damaskus. Damit ist der Aufstand von der Peripherie in das Zentrum
des Landes gekommen.
Nach Syrien wird der Funke nach Iran überspringen und
- die Hoffnung ist real - es wird eine Revolution geben.
Ich möchte
noch einmal auf den drohenden Krieg eingehen. Aus dem Iran-Irak-Krieg konnte
man die Lehre ziehen, dass eine Bedrohung von außen das Volk zusammenschweißt.
Damit könnte das Mullah-Regime gestärkt werden weil von innenpolitischen Problemen
abgelenkt werden kann.
M.A.: Diese Angst hat auch die Opposition. Die
im Iran so wie auch die Exil-Opposition zu der ich mich zähle. Ich muss aber
auch betonen, dass im Iran zur Zeit viel in Bewegung ist und ein tiefer Hass
gegen das islamische Regime existiert. Das Regime hat nicht sehr viele Chancen
mehr, Rückendeckung von der Bevölkerung zu bekommen.
Es besteht aber vor
allem die Befürchtung, dass durch die Sieger eine Regierung eingesetzt werden
könnte, die vielleicht nicht mehr klerikal, aber trotzdem reaktionär ist. Das
Beispiel von Karzai in Afghanistan steht vielen vor Augen.
Sicher ist nur,
dass es nach 33 Jahren unmöglich sein wird, dass wieder eine islamische Regierung
an die Macht kommen kommt.
Was hältst du von den Sanktionen, die durch
die UN gegen den Iran verhängt worden sind?
M.A. Die Sanktionen schwächen
das islamische Regime. Allerdings ich bin gegen Sanktionen, die die Menschen
im Iran treffen. Schon lange rufen wir alle westlichen Regierungen und auch
die UNO dazu auf, politische Sanktionen gegen das islamische Regime zu verhängen.
Man kann zum Beispiel überall die Botschaften schließen. Warum ist das nicht
möglich?
Das entspricht ja auch dem, was der Bundestagsabgeordnete
Omid
Nourimpur letztens sagte: Es braucht diplomatische Sanktionen wie
die Ausweisung von Botschaftern, Einfrieren von internationalen Konten der "Revolutionsgeraden"
und ähnliches und bei der Begründung den Hinweis auf die Menschenrechtsverletzungen.
M.A.:
Ein politisches Embargo wäre wichtig. Das würde auch ein positiveres Signal
an die Bevölkerung des Iran senden. Denn unter dem Wirtschaftsembargo leidet
die Bevölkerung; unter einem politischen nicht. Die junge iranische Bevölkerung
ist gut vernetzt. Auch Dank des Internets erfährt sie davon, wie der Westen
reagiert. Und die Ausweisung von Botschaftern zum Beispiel würde die Opposition
im Iran stärken und die Macht des islamischen Regimes schwächen.