Die Bedeutung des christlichen Menschenbildes für die Politik hat Bundeskanzlerin Angela Merkel hervorgehoben. Bei der Jubiläumsveranstaltung zum 60-jährigen Bestehen des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU am 17. März in Siegen verwies sie unter anderem auf die Menschenrechte, die im christlich-jüdischen Bild von der unveräußerlichen Menschenwürde wurzeln. Europa sei wesentlich von diesen Werten geprägt, doch müsse man in einer globalisierten Welt bedenken, dass die Europäer noch sieben Prozent aller sieben Milliarden Menschen stellten; die Deutschen machten nur ein Prozent aus. Wenn man also christlichen Werten Geltung verschaffen wolle, müssten die Europäer gemeinsam handeln. Das gelte auch angesichts der Tatsache, dass Christen weltweit wegen ihres Glaubens verfolgt würden. Die die Bibel sei zwar kein "Handbuch" für Politik, aber Religion und Glaube seien nötig, um einen "moralischen Kompass" zu gewinnen, und schützten vor "Allmachtsphantasien". Die Politik sei nicht "allwissend und allmächtig". Merkel: "Das letzte Wort hat Gott." Das mahne zur Demut. Politiker könnten nicht alles regeln und vor allem nicht selbst sinnstiftend wirken.
In den heiligen Büchern der Juden und Christen kommt das Wort "Menschenrecht"
nirgendwo vor, es gibt dort nur Gottesrecht. In Europa wurde im Zuge der
Aufklärung der Begriff "Menschenrechte" entwickelte und schließlich
in Frankreich am 26. August 1789 die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte
in 17 Artikel vorgelegt wurde, in welchen die grundlegendsten Bestimmungen über
den Menschen, seine Rechte und die Nation festgeschrieben waren, alle Menschen
müssen vor dem Gesetz und dem Recht gleich sein und unveräußerliche Rechte wie
Freiheit, Eigentum, Sicherheit, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit besitzen.
Das Recht müsse vom Volk ausgehen, daran dürfen alle Bürger direkt oder durch
Vertreter mitwirken, kurz all das, was in den Verfassungen demokratischer Staaten
steht, sei eben durch solche Verfassungen zu gewährleisten.
Überdies wurde es beispielsweise im "Syllabus errorum", dem
"Verzeichnis der Irrtümer", 1864 vom verkündenden Papst Pius IX. als
Irrtum bezeichnet, dass der Staat und nicht die katholische Religion der Ursprung
und die Quelle aller Rechte sei und Staatsrecht vor Kirchenrecht ginge,
staatliche Gesetze von der kirchlichen Lehre abweichen dürften. Bis heute hat
der Vatikan die Europäische Erklärung der Menschenrechte nicht gebilligt.
Bei
den Protestanten (zu denen Merkel gehört) gibt es keine Zentrale, die
protestantischen Kirchen sind autonom. Sie mögen deshalb den Menschenrechten
näher gestanden sein, wenn es darum ging, eigene religiöse Rechte gegen die
katholische Kirche zu erreichen. Als Kämpfer für die Menschenrechte sind auch
die protestantischen Kirchen höchst selten in Erscheinung getreten, man erinnere
sich etwa an den hitlertreuen protestantischen "Reichsbischof" der
"Reichskirche" in der NS-Zeit oder beobachte die Ansichten von US-Evangelikalen.
Allmachtsphantasien
haben in den Religionen immer die tragende Rolle gespielt. Je größer Gott
war, desto größer war seine Kirche und desto kleiner waren die Menschen. Für
die Menschen sind daher kleine Kirchen günstiger und Säkularismus ist das Beste,
das die Gesellschaft erreichen kann. Weil dann bleiben wahrscheinlich auch an
Allmachtsphantasien leidende Politköpfe besser unter Kontrolle. Als moralischer
Kompass dienen die ungöttlichen Menschenrechte sicherlich um Welten besser als
religiöse Sprüche oder göttliche Gebote.
Das letzte Wort muss
bei den Menschen sein. In der realen Welt nicht auf der Börse oder im Konzernvorstand,
in der Gedankenwelt nicht bei einer Phantasiefigur von religiös beeinträchtigten
PolitikerInnen, die dann womöglich noch meinen, sie handelten im Sinne ihres
allwissenden und allmächtigen Gottes und das müsse für die Völker mächtig gut
sein.