Freidenkerbund zum Ethikunterricht

Stellungnahme Freidenkerbund vom 31.8.12

Religion ist für uns eine sehr persönliche Sache, um die Traditionen der Familie zu pflegen, keineswegs etwas, was in den öffentlichen Raum gehört und schon gar nicht in die Schule, wo damit Feindbilder kreiert statt abgebaut werden, (wie eine Direktorin aus der Leopoldstadt im ORF klagte).

Dazu kommt, dass diese private Sache der Öffentlichkeit hunderte Millionen kostet, eine Subvention der Religionen, die ihre Berechtigung verloren hat. Einwände wie Konkordat schmälern nicht die Berechtigung des Anliegens, sondern zeigen nur auf, wie verfahren die Situation ist und wie schwierig es sein wird, hier eine für die säkulare Gesellschaft tragbare Lösung zu finden.

Die Schule hat auch andere, dem Religionsunterricht zuwider laufende Ziele: Wie schon der Blogger Hermann Geyer im April dieses Jahres formuliert hat, "sowohl BV-G Art 14 (5a) als auch SchOG §2 (1) zielen auf eine Befähigung der Schüler zum "selbstständigen Urteil". Das kann - im Einklang mit bereits früher analysierten Lehrplänen - am besten über "selbstständiges Denken" bzw. "kritische Reflexion", also gerade über das Gegenteil von Gläubigkeit, erreicht werden. Im Interesse des Staates kann es nur liegen, den jungen Menschen zu einem kritischen, selbständig denkenden Staatsbürger zu erziehen, der dadurch aus der Rolle des Stimmviehs in eine Rolle des mündigen, klug entscheidenden Bürgers schlüpft, um als Souverän vom Populismus möglichst unbeeinflusste, gute Entscheidungen zu fällen.

Ähnlich bei der Moral: Die Aufgabe des Staates wäre es auch, eine einheitliche Ethik für alle auf Basis der letzten Erkenntnisse der Menschheit und nicht auf Basis von vor 3000 Jahren zu etablieren, ähnlich wie die Hygienevorschriften für Fleischverarbeitung nicht aus der Bibel stammen, sondern aus der Feder der besten dafür qualifizierten Wissenschafter.

Die Forderung nach Religionsunterricht entstammt sorgsam tradierter Wissenlücken und Missverständnissen in der Gesellschaft, die alle x-mal widerlegt wurden, aufgrund der Durchsetzungsmacht der Kirche aber immer wieder wie der Wiener Wurschtl aufstehen:
1. Grundgesetz und Moral sind auf die 10 Gebote aufgebaut.
2. (kath.) Moral macht aus Menschen bessere Menschen.
3. Menschenrechte sind religiös fundiert

Aber trotz der zweifelsfreien Berechtigung der Anliegen ist es derzeit nicht realistisch, von einer Abschaffung des Religionsunterrichtes auszugehen. Die religiösen Verbände haben eine riesige und machtvolle Lobby, der die Konfessionsfreien nur die blanke Vernunft entgegenzusetzen haben. Um zu einem konstruktiven Beitrag unsererseits zu leisten, müssen wir daher vom Status Quo ausgehen, das ist das Religionsunterrichts-Gesetz aus dem Jahr 1949. Danach ist die Regelung unangefochten, dass man sich vom Religionsunterricht ohne Angabe von Gründen abmelden kann. Das Problem: Schüler sitzen in der Schule, andere nicht. Einzige Lösung: Ersatzunterricht für einen an sich nicht in die Schule gehörenden Religionsunterricht. Es ist schwer, für etwas nicht Sinnvolles einen sinnvollen Ersatz zu finden, abgesehen von den Kosten. Daraus kann man schon erkennen, dass eine Lösung vollkommen ausscheidet: Religionsunterricht plus Ersatzunterricht für alle! Eine gangbare Lösung wird sein, dass man den Ersatzunterricht genauso behandelt wie den Religionsunterricht: Von den konfessionsfreien Verbänden approbierte Lehrer (also keinesfalls approbierte Religionslehrer!) halten den Ethikunterricht. Die Lehrpläne werden von den Verbänden erstellt oder begutachtet.

Langfristig hat der Religionsunterricht keine Chance, weil die Kosten für die Bereitstellung von Lehrern verschiedenster Religionsgemeinschaften in Zahl und Qualität jedes Budget sprengen wird. Der Weg in diese Richtung wird immer verfahreneren und irgendwann einmal irreversibel für den säkularen Staat. Da ist es, worauf die religiöse Lobby vermutlich wartet. Der Unterschied zu der von uns vorgeschlagenen Lösung sind hunderte Millionen ohne jeden Qualitätsverlust für den Staat, eher im Gegenteil!