Als strengen Klerikalen outete sich der Vizepräsident des Deutschen
Bundestages, Wolfgang Thierse, er sprach sich dafür aus, Beleidigungen religiöser
Gefühle wie rassistische Äußerungen zu behandeln. In einem ZDF-Interview
sagte er am 19.10.2012: "Wir müssen noch mal in
dieser Gesellschaft darüber nachdenken, was alles zulässig sein soll. Wir haben
Strafbestimmungen gegen die Verletzung persönlicher Ehre; ausländerfeindliche,
rassistische Äußerungen stehen unter Strafe, aber die Verletzung von religiösen
Gefühlen von Menschen, die doch auch das ganz ernst meinen, die nehmen wir hin
und verlangen von ihnen, dass sie das alles hinnehmen. Also ich bin sehr dafür,
dass wir generell gleich behandeln alle Formen von Ehrverletzung, von Herabwürdigung,
von Beleidigung sollten ungefähr gleich behandeln. Das gilt für rassistische
Äußerungen und das gilt auch für Beleidigungen religiöser Gefühle."
Wolfgang
Thierse ist kein verbohrter CSU-Katholik aus der tiefsten Tiefe des hintersten bayrischen
Waldes, Wolfgang Thierse ist ein verbohrter SPD-Katholik.
Die Sozialdemokratische
Partei Deutschlands hat sich einst für Religionsfreiheit,
für das Recht auf freie Meinungsäußerung eingesetzt. Heute ist diese Partei
nicht einmal mehr in der Lage, offiziell einen säkularen Arbeitskreis in der
Partei zuzulassen, vermutlich würden dadurch die religiöse Gefühle vom Herrn
Thierse und anderen christlich beeinträchtigten Funktionären beleidigt.
Diese Gefühle müssen staatlich geschützt und rechtlich bewacht werden! Da sagt
womöglich wer was Schlimmes über einen katholischen Bischof! Das beunruhigt womöglich die katholische
Gefühlswelt des Herrn Thierse! Das ist antikatholischer Rassismus! Oder jemand
zeigt öffentlich Karikaturen des Propheten Mohammed. Das beunruhigt die religiöse
Gefühlswelt von militanten Salafisten, das ist antisalafistischer
Rassismus! Dieser Tage wurde in erster Instanz ein Salafist zu sechs Jahren
Haft verurteilt, weil er sich infolge verletzter religiöser Gefühle gezwungen
gesehen hatte, zwei Polizisten niederzustechen. Beim Thierse gäbe es sowas nicht,
da säßen die Zeiger der Karikaturen wegen Hetze gegen salafistische religiöse
Gefühle im Gefängnis!
Und dort säße schon längst die komplette Redaktion der Zeitschrift Titanic, diese
Rassisten hatten den Papst verarscht und die Religionsgefühle von 25 Millionen
deutschen Katholiken beleidigt!
Thierse hat in der DDR gelebt. Möglicherweise
ist ihm in alter Gewohnheit Russland
noch irgendwie ein Vorbild. Dort haben einige junge Frauen in einer Kirche gegen Präsident
Putin protestiert und damit die religiösen Gefühle Putins und der russisch-orthodoxen
Kirche verletzt, zwei Jahre Haft wegen antiputinistischen Rassismus, das ist
das Wahre! Darauf könnte auch ein Thierse das wahre katholisch-orthodoxe Recht
aufbauen! Für die Bestrafung der Pussy-Riots-Sympathisanten, die in Köln in
einer Kirche in Sprechchören ihre Solidarität ausdrückten, ist der Herr Thierse
natürlich, weil dieser Protest war vermutlich antikatholischer Rassenhass.
Im September 2012 hatte ein Gesinnungsfreund von Thierse,
ein gewisser
Johannes Singhammer (diesmal nicht SPD, sondern CSU!), Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, den §
166 in deutschen Strafgesetzbuch kritisiert und gefordert, dass jede öffentliche
Beschimpfung eines religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses unter Strafe
gestellt werden sollte, aber die jetzt im § 166 stehende Einschränkung, dass
durch diese Beschimpfung der öffentliche Friede gefährdet werden müsste, gestrichen
werden sollte.
Der Gesetzesgeber hatte mit der Gefährdung des öffentlichen Friedens wohl
nicht gemeint, es dürfe gegenüber Religionen und Weltanschauungen nichts gesagt
werden, was bei den Kritisierten oder Verspotteten gewaltsame Ausschreitungen
auslöst, sondern es dürfe nichts geäußert werden, was als Anstiftung zu Ausschreitungen
gegen bestimmte Religionen oder Weltanschauungen zu sehen ist. Eine Äußerung
wie "die islamische Lehre enthält zur Gewalttätigkeit anstiftende Elemente"
bricht den öffentlichen Frieden nicht, eine Äußerung wie "steinigt die,
die den Islam schmähen" kann klarerweise den öffentlichen Frieden brechen.
In
Russland wird zurzeit an einer rigorosen Verschärfung der entsprechenden
Paragrafen gearbeitet, die Verletzung religiöser Gefühle soll allgemein
unter Strafe gestellt werden. Der Maßstab dafür, wann die religiösen Gefühle
verletzt sind, sollen die Gefühlsverletzten selber sein. Diese müssten nur versichern,
sich religiös gekränkt zu fühlen, um Strafverfahren auszulösen.
Singhammer hat mit seiner Forderung keine nennenswerte Zustimmung geerntet,
vielleicht tut er sich nun mit Thierse zusammen und die zwei Religionsgefühlewächter
fordern einen ähnlich klerikalfaschistischen Schutzparagraphen für heilige Religionsgefühle,
wie ihn der Putin installieren lassen will?