Liebe Freundinnen und Freunde,
Als das Jahr, in dem die Welt unterging, wird 2012 also doch nicht in
die Geschichte eingehen. Aus Sicht der "Initiative Religion ist Privatsache"
war das Jahr dennoch sehr aufregend. Obwohl Staat und Religion in Österreich
nach wie vor verzahnt sind, gab es einige Erfolgserlebnisse, die es verdient
haben, erwähnt zu werden. Mit einem kleinen thematischen Rückblick möchten wir
also die Highlights kurz Revue passieren lassen und bei dieser Gelegenheit auch
einen Blick in die Zukunft wagen.
In Sachen Ethikunterricht gingen
auch heuer die Gemüter hoch und dies aus gutem Grund: schließlich steht hier
die Erziehung der nächsten Generation auf dem Spiel. Ein erneuter Vorstoß
der ÖVP sollte heuer die flächendeckende Einführung des Ethikunterrichts vorantreiben,
freilich als Strafunterricht nur für jene Schüler, die den Religionsunterricht
nicht besuchen. Als einzige Gegenstimme gelang es der Initiative nicht nur medienwirksam
(auch jenseits der Staatsgrenze) zu zeigen, dass in dieser Sache nicht alles
so klar ist, wie ÖVP+ Kirche es gern hätten. Die von uns ins Leben gerufene
Plattform "Ethik für ALLE" schaffte es zusätzlich, diverse politische
Akteure - erstmals auch vom Umkreis der SPÖ! - zu vereinen, um eine klare und
medial bestens wahrgenommene Alternative zum pro-religiösen "Entweder-Oder-Modell"
zu bilden. Eine gut besuchte Podiumsdiskussion, die von der Initiative am Vorabend
des Nationalfeiertags veranstaltet wurde, rundete das "Ethik-Angebot"
ab und stellte ein Novum dar: erstmals debattierte ein prominent besetztes nicht-kirchliches
Panel über die Frage ob "Ethik" und "Religion" tatsächlich
gleichwertig sind (sind sie natürlich nicht). Das Thema Ethikunterricht wird
uns mit Sicherheit im (Schicksals-)Jahr 2013 ebenfalls beschäftigen. Wir bleiben
dran und arbeiten bereits an einem neuen Projekt!
Einen wichtigen juristischen
Erfolg konnten wir in Zusammenhang mit der versuchten pro-christlichen Sprachregelung
im ORF infolge der Attentate von Norwegen verbuchen: Sowohl in erster als
auch in zweiter Instanz hielt die Regulierungsbehörde fest, dass das Objektivitäts-
und Neutralitätsgebot des ORF nicht nur leere (Gesetzes-)Worthülsen sind. Eine
zweite Beschwerde der Initiative war hingegen - vorerst! - weniger erfolgreich:
Sowohl die KommAustria als auch der Bundeskommunikationssenat betrachteten die
vom ORF landesweit abgehaltene fromme Karfreitagsschweigeminute als "Berichtserstattung"
und daher als gesetzeskonform. Wir werden natürlich berufen und bleiben dran.
Es obliegt nämlich nicht dem ORF, als öffentlich-rechtlichem Rundfunk, profane
Jesu-Christi-Gedenkrituale zu erfinden. Abgesehen davon geht es mittlerweile
um wesentlich mehr als bloß eine "harmlose" Schweigeminute: die Zeit
ist nämlich gekommen, die per Gesetz festgelegten Vertreter der Kirche im ORF
Stiftungs- bzw. Publikumsrat aus diesen wichtigen Gremien zu verbannen. Wie
immer dieses Verfahren auch ausgehen wird, einen Etappensieg konnten wir ohnehin
schon verbuchen: der öffentliche Diskurs wurde nachhaltig belebt und es hat
sich zusätzlich gezeigt, dass Laizisten handlungsfähig sind; davon zeugen die
über 150 Unterstützungsunterschriften, die die Beschwerde begleitet haben.
Ein
wichtiges Projekt der Initiative, nämlich die Meldestelle für religiös motivierte
Diskriminierungsfälle, die im Jahr 2010 eingerichtet wurde, kam im Jahr 2012
erstmals richtig in Fahrt. Dank eines ständig steigenden Bekanntheitsgrades
der Meldestelle, vermutlich gekoppelt an einen zunehmenden Sensibilisierungsgrad
der Betroffenen, erreichten uns heuer zahlreiche Beschwerden, überwiegend Schule
und Arbeitsrecht betreffend. Auch wenn wir keine Wundermittel parat haben, kam
es zu einigen abgeschlossenen Beratungen und parallel dazu zu einer steigenden
medialen Wahrnehmung dieser laizistischen Anlaufstelle. Im Jahr 2013 planen
wir, einen ersten ausführlichen Bericht zur Aktivität der Meldestelle vorzulegen.
Im
Jahr 2012 erfreute sich die Initiative einer erstaunlich breiten Medienpräsenz.
Dank dieser konnten wir den laizistischen Standpunkt zu vielen weiteren Themen,
wie zur "Kirchensteuer für Konfessionsfreie", zur Beschneidungsdebatte
oder zur Schulmesse, öffentlichkeitswirksam vertreten und über Aktionen der
Initiative, wie zum Wiener Papstkreuz, zum König-Abdullah-Zentrum, zum Antrag
auf Aberkennung der russisch-orthodoxen Kirche oder zum Steuerverfahren (das
uns nächstes Jahr sicher noch intensiv beschäftigen wird) österreichweit zu
informieren.
Eine erfreuliche Entwicklung, die das auslaufende Jahr
ebenfalls gekennzeichnet hat, war die zunehmende Kooperation mit Organisationen
bzw. Einzelpersonen im Rahmen laizistischer Projekte. So konnten wir auch
heuer mit Vertretern der Grünen, als einzige Parlamentspartei, und den Jungen
Liberalen (als künftige Parlamentspartei?) wiederholt gemeinsame Sache machen.
Erstmals konnten wir aber auch die Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien, die
Aktion Kritischer Schüler (AKS), die Kinderfreunde, den VSStÖ oder die GWUP
als Partner betrachten. Diese Kooperation gilt es, als oberstes Gebot, im Jahr
2013 weiter auszubauen!
Abschließend dürfen wir uns bei allen, die,
in welcher Form auch immer, unsere Tätigkeit unterstützt haben, herzlich bedanken;
allein hätten wir es nicht geschafft.
Schöne Tage und ein erfolgreiches
neues Jahr wünschen
Heinz Oberhummer - Michael Franz - Eytan Reif
PS: Rechtsanwaltsleistungen und Gerichtsverfahren, Presseaussendungen und -konferenzen, Veranstaltungen und selbst unsere Webpräsenz: alles hat seinen Preis. Anders als die Kirchen und Religionsgesellschaften Österreichs erhält allerdings die "Initiative Religion ist Privatsache" von der öffentlichen Hand KEINEN CENT. Unsere parteipolitische Unabhängigkeit, die nach wie vor außer Diskussion steht, verschließt uns weitere Finanzierungsmöglichkeiten. Die Aktivität der "Initiative Religion ist Privatsache" ist daher auch von deiner Spende abhängig!