Bibelministerin ohne Doktor?

Siehe unten Nachtrag vom 7.2.2013

Bibelministerin? Bildungsministerin!
Aber über Frau Schavan stand in der Info Nr. 609 u.a. zu lesen:
In Deutschland heißt die Bundesministerin für Bildung und Forschung Annette Schavan, sie ist von der CDU. Die neue Kuratoriumsvorsitzende der ökumenischen Stiftung Bibel und Kultur heißt ebenfalls Annette Schavan. Die Stiftung Bibel und Kultur wurde 1977 mit dem Ziel gegründet, Bemühungen zu fördern, die kulturelle Bedeutung der Bibel öffentlich bewusst zu machen. Annette Schavan sieht ihre Aufgabe in dieser Stiftung darin, sich in den nächsten Jahren zu bemühen "vor allem junge Menschen neugierig auf die Bibel zu machen".

Dass eine Bildungsministerin auf die Bibel neugierig macht, spricht nicht unbedingt für Bildungskompetenz. Jetzt hat sie noch ein Problem.
Die "Süddeutsche" meldete am 5.2.2012:
Die Universität Düsseldorf erkennt Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) ihren Doktortitel ab. Dies entschied der Rat der Philosophischen Fakultät am Dienstagabend in Düsseldorf. Nach Angaben des Dekans der Philosophischen Fakultät, Bruno Bleckmann, votierte das Gremium mit zwölf Ja- gegen zwei Nein-Stimmen bei einer Enthaltung für den Entzug. Schavan habe "systematisch und vorsätzlich über die gesamte Dissertation verteilt" gedankliche Leistungen vorgegeben, die sie in Wirklichkeit nicht selbst erbracht habe, sagte Bleckmann. Der Fakultätsrat wirft ihr deshalb vor, in ihrer Doktorarbeit von 1980 absichtlich durch Plagiate getäuscht zu haben.

Sie erwarb diesen wackelig gewordenen Doktortitel in Philosophie, hat aber auch katholische Theologie studiert und seit dem Wintersemester 2009/10 lehrt sie als Honorarprofessorin diese katholische Theologie an der Freien Universität Berlin.

Laut Wikipedia engagierte sie sich auch in Berlin für das Projekt "pro reli" mit dem der Religionsunterricht in der religionsfernen deutschen Hauptstadt wieder Pflicht werden sollte, Wikipedia: Schavan unterstützte die im April 2009 gescheiterte Berliner Pro-Reli-Kampagne. In einem Gastbeitrag in der Berliner Zeitung erklärte sie im Dezember 2008, Schüler müssten "die freie Wahl haben, ob sie in den Ethik- oder in den Religionsunterricht gehen wollen". Religion gehöre "in die Mitte der Gesellschaft". Kinder und Jugendliche hätten einen Anspruch darauf, "dass sie erfahren, worauf Menschen seit über zweitausend Jahren ihre Hoffnung setzen".

Die Frau Bildungs- und Bibelministerin Schavan will jetzt ihre Hoffnung auf ein Klageverfahren gegen die Aberkennung des Doktortitels setzen, für die Bundestagswahl 2013 könnte sie zu einer Belastung für die CDU werden, für einen säkularen Staat war sie schon bei Amtsantritt eine Belastung.

Nachtrag vom 7.2.:

Inzwischen ist Näheres zur Doktorarbeit bekannt, das Thema war offenbar ein katholisch-theologisches, trotzdem führte die Arbeit nicht zum Dr. theol., sondern zum Dr. phil.: "Person und Gewissen. Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissenbildung". Die katholische Gewissenbildung ist was sehr Wichtiges, weil jeder Katholik verpflichtet wäre, sich ein "rechtes Gewissen" zu bilden. Was wohl auch umfassen müsste, keine Doktorarbeiten zu verfassen, die nicht erkennbare Zitate enthalten. In der Dokumentation über die Doktorarbeit heißt es z.B. einleitend: "(..) Insgesamt gibt es 97 Seiten im Haupttext der Dissertation von S. 11 bis 335, auf denen Übernahmen aus 45 Quellen nicht oder nicht ausreichend kenntlich gemacht werden. Bei 63 von 131 einzelnen Fragmenten handelt es sich um Verschleierungen, d.h. die (wirkliche) Quelle der Ausführungen wird (..) auch im Umfeld der Übernahme nicht genannt. Bedeutendste Plagiatsquelle ist die Habilitationsschrift des polnischen Franziskaners Antoni Jozafat Nowak mit 19 Fragmenten. Als Muster lässt sich erkennen, dass die Verfasserin oft vorgibt, Primärquellen zu rezipieren, während sie tatsächlich mit leichten Abwandlungen aus der Sekundärliteratur abschreibt, ohne diese zu nennen; dies gilt insbesondere für in den Sekundärtexten enthaltene Interpretationen der Primärtexte. In vielen Fällen werden dabei auch Fehler bei Zitaten oder Literaturangaben mit übernommen bzw. -seltener -korrekte Literaturangaben fehlerhaft übertragen.

Der § 1783 des Katechismus der katholischen Kirche lautet: "Das Gewissen muß geformt und das sittliche Urteil erhellt werden. Ein gut gebildetes Gewissen urteilt richtig und wahrhaftig. Es folgt bei seinen Urteilen der Vernunft und richtet sich nach dem wahren Gut, das durch die Weisheit des Schöpfers gewollt ist. Für uns Menschen, die schlechten Einflüssen unterworfen und stets versucht sind, dem eigenen Urteil den Vorzug zu geben und die Lehren der kirchlichen Autorität zurückzuweisen, ist die Gewissenserziehung unerläßlich."

Woraus sich ergibt, dass es grundgesätzlich problematisch werden kann, wenn man eine philosophische Doktorarbeit über ein theologisches Thema verfasst und danach in einer Dokumentation vorgerechnet bekommt, gewissenlos abgeschrieben zu haben. Noch gilt die Unschuldsvermutung, weil die Bibel- und Bildungsministerin Schavan ja gegen die universitäre Entscheidung klagen will.

PS: Am 9.2.2013 ist Annete Schavan zurückgetreten, siehe Info Nr. 1294.