Rauscher attackiert Volksbegehren

Der ansonsten meist recht liberal agierende Standard-Kolumnist Hans Rauscher hat leider auch seine Eigenheiten. So passiert es ihm öfters, dass er fest davon überzeugt ist, über eine bestimmte Sache alles zu wissen. In der Standard-Ausgabe vom 30.3.2013 weiß er alles über das Antikirchenprivilegien-Volksbegehren und verkündet seine Wahrheiten, die soweit gehen, dass er das Volksbegehren in die Nähe von Faschismus und Kommunismus rückt.

Da der Text des Volksbegehrens stellenweise etwas unpräzise -und gemäß der dieser Tage im Rundfunk erfolgten Aussage des Mitinitiators Niko Alm -nicht ganz treffsicher formuliert worden ist, kann Rauscher klarerweise dort anknüpfen. Z.B. dass die Steuerfreiheit für Kircheneigentum nicht den weltlichen Besitz betrifft (im Unterstützungsformular hieß es "kirchliche Besitztümer sind vielfach grundsteuerbefreit"). Allerdings vergisst Rauscher die Steuerfreiheit des Kirchenbeitrages zu erwähnen und das macht alleine schon pro Jahr 120 Millionen Euro, in echtem Geld also 1,65 Milliarden Schilling aus.

Aber das nur nebenbei. Richtig los geht es bei Rauscher so: "Religion sei Privatsache, sagen die Initiatoren des Begehrens. Mag sein, aber das übersieht, dass der Staat große und immer größere Aufgabenbereiche an private Nichtregierungsorganisationen auslagert, die er teils subventioniert, teils nicht. Ohne diese Arbeitsteilung wäre sehr vieles im sozialen und im Bildungsbereich einfach nicht leistbar - oder viel teurer, weil vieles über Ehrenämter geschieht. Die Kirche ist eine riesige NGO."

Dann sollte er einmal die Kirchen z.B. mit dem Roten Kreuz oder der Feuerwehr vergleichen. Bei beiden NGOs gibt es hauptamtlich Tätige und geringfügig oder gar nicht entschädigte Freiwillige, bei beiden erfolgt die Finanzierung aus öffentlichen Mitteln. Wo gibt's in den Religionsgemeinschaften Ähnliches? Arbeiten Lehrer an kirchlichen Schulen kostenfrei oder zahlt sie der Staat? Kostet das Personal in kirchlichen Krankenhäusern der Öffentlichkeit nichts, weil das die Kirchen bezahlen? Oder sind Ärzte und Krankenschwestern dort ehrenamtlich tätig? Rauscher weiß vermutlich nicht einmal, dass auch Ordensangehörige in den Ordensspitälern tarifmäßig entlohnt werden, aber dieses Geld an die Orden und nicht an die Nonnen und Mönche geht. Im Bildungsbereich wird das Personal der kirchlichen Schulen zu hundert Prozent vom Staat bezahlt, die Betriebskosten zahlen die Eltern, die Kirche zahlt so gut wie nichts.

Rauscher schließt mit "Wenn der Staat den Kirchen jede Unterstützung ('Privilegien') entzieht, dann muss er ihre Aufgaben selbst übernehmen. Ist übrigens schon versucht worden - im Kommunismus, großteils im Nationalsozialismus und Faschismus. Und der demokratische Staat? Er wäre damit heillos überfordert - allein mit der Denkmalpflege."

Also wenn es keinen staatlich finanzierten Religionsunterricht mehr gibt, dann ist der demokratische Staat heillos überfordert? Wenn die theologischen Fakultäten kirchliche und nicht staatliche Einrichtungen wären, ebenso? Und wenn der Kirchenbeitrag nimmer von der Steuer abgesetzt werden kann, dann ist Österreich kommunistisch oder kommt dann der Hitler wieder?
Dass die von Rauscher hochgelobte Caritas nur zu zwei Prozent aus Kirchengeldern finanziert wird, hat der Qualitätsjournalist sichtlich nicht ermittelt, der glaubt vermutlich, das zahlt alles die Kirche -und vielleicht glaubt er auch, die SPÖ finanziere die Volkshilfe. Dass gerade kirchliche Gebäude den staatlichen Denkmalschutz (und auch die öffentlichen Stellen vor Ort) sehr viel kosten, hat Rauscher auch nicht bemerkt. Er glaubt wohl, die Kirchen zahlen sich ihre Renovierungen selber. Glauben heißt aber nichts wissen und Glauben gehört ins Kirchenblatt und nicht in eine Qualitätszeitung.

In diesem Zusammenhang noch ein Zitat aus derselben Standard-Ausgabe wo sich Bischof Kapellari und der Autor Gerhard Roth einem Interview stellten. Roth agierte als Agnostiker und durchaus religions- und kirchenkritisch. Aber auch er fiel auf die angeblich soziale Rolle der Kirche hinein, er sagte: "Man darf natürlich nicht übersehen, dass die Kirche auch Positives leistet. Etwa im Krankenwesen. Ich selbst hatte vor kurzem eine Lungenembolie und wurde in das Krankenhaus der Elisabethinnen in Graz eingeliefert. Man hat mich dort gerettet und sehr liebevoll betreut - Ich bin dafür dankbar. Auch an Menschen wie Franz Küberl und die Caritas oder an Schulen denke ich. Das ist die andere Seite."

Wäre er in ein staatliches Krankenhaus eingeliefert worden, hätte man ihn dort nicht gerettet und nicht entsprechend betreut? Und zahlt die Kirche die Behandlung vom Roth und nicht die Krankenkasse? Die Kirche hat für Gerhard Roth gar nichts geleistet, geleistet hat das Krankenhauspersonal was und die Krankenversicherung. Aber das Beispiel zeigt, wie sehr Vorurteile über den Nutzen von Religionsgemeinschaften in den Köpfen verankert ist. Kirchliche Spitäler werden zu hundert Prozent aus öffentlichen Mitteln finanziert, Caritas und kirchliche Schulen erhalten minimale Kirchengelder, aber der Ruhm für alles fällt der Kirche zu 100 % zu und nicht den Krankenkassen und dem Staatsbudget. Es wäre allerdings auch einem Rauscher und einem Roth zuzumuten, darüber nachzudenken.