Gegen Forderungen zur Verschärfung des sog. "Blasphemie-Paragrafen"
166 StGB hat sich der Berliner Rabbiner Andreas Nachama diese Woche in der Jüdischen
Allgemeinen ausgesprochen. Er plädiert für einen "Glauben ohne Zwang".
Nachama
verweist auf "den Fall Salman Rushdie und die Mohammed-Karikaturen einer
bis dahin kaum über Dänemark hinaus bekannten Tageszeitung". Hier zeigt
sich, wohin die Behauptungen führen können, religiöse Auffassungen seien sakrosankt.
Zur Warnung weist er auch auf jüngste Ereignisse hin: "Dort, wo es eine
enge Verflechtung zwischen Religion und Staat gibt, sind die Folgen 'blasphemischen'
Verhaltens unabsehbar: Die Verurteilung der Band 'Pussy Riot' in Russland lässt
ahnen, wohin eine solche Gesetzgebung führen kann." Rabbiner Nachama
hält einen gesonderten Schutz von Religionen und Religionsgemeinschaften nicht
für erforderlich, diese seien durch die allgemeinen für alle geltenden Gesetze
hinreichend geschützt.
Denjenigen Gläubigen der abrahamitischen Religionen,
die nach einer Verschärfung von strafrechtlichen Blasphemie-Vorschriften rufen,
hält er den Spiegel vor. Im Judentum, so schreibt er, sei es die Entwürdigung
oder Entweihung des Gottesnamens -das Gegenteil der Heiligung des Gottesnamens.
Hiervon ausgehend formuliert er, was Blasphemie wirklich sei: "Aus meiner
Sicht waren aber die größten Blasphemiker jene, die zum heiligen Dienst ordiniert
waren und doch schwiegen, als Millionen von Männern, Frauen und Kindern ermordet
wurden, nur weil sie Juden waren. Oder jene in kirchlichen Diensten, die in
den vergangenen Jahren bewusst wegsahen, obwohl sie hätten wissen können, dass
Kinder für sexuelle Handlungen missbraucht wurden. Das ist Blasphemie. Aber
diese Art der Gotteslästerung steht bereits als krimineller Tatbestand im Strafgesetzbuch
und ist wohl auch mit dem Vorschlag zur Einführung eines Blasphemieverbotes
nicht gemeint."
Eine Verschärfung der Strafen für derartige Blasphemie
hat allerdings bislang keiner der Gläubigen gefordert. Das sollte zu denken
geben -und bei der Beurteilung von Forderungen nach Verschärfung von Blasphemie-Vorschriften
auch stets mit beachtet werden.
Quelle: Walter Otte am 28.6.2013 auf http://hpd.de/ Nr. 16260