BERLIN. (hpd) Ein Phänomen geht durch
Deutschland: Die Wertschätzung für den neuen Papst Franz, der offensichtlich
persönlich vieles von dem darstellt, was viele Menschen, darunter auch
Nicht-Kirchenmitglieder, von einem Bischof erwarten: Bescheidenheit, Demut,
persönliche Armut und Solidarität mit den Armen. Doch dieser Anschein
trügt.
Seit dem Beginn seines Pontifikats hat Jorge Mario Bergoglio als Papst Franz
eine Begeisterung ausgelöst, dass man sich fragen musste, was die
Korrespondenten in Rom eigentlich geraucht haben. Kein Prunk und Pomp, schlicht
als einfacher Priester, allerdings im päpstlichen Weiß. Er bezieht auch nicht
die päpstlichen Gemächer im Lateranpalast, sondern bleibt im Gästehaus wohnen
und stellt dem Schweizer Gardisten, der nun dort Wache stehen muss, einen Stuhl
vor die Tür, damit sich dieser auch einmal setzen kann.
Weitere und andere Gesten folgen, keine allzu vielen Wiederholungen
derselben, die sich sonst schnell im Neuigkeitswert verschleißen. Nach den
Fußwaschungen im Jugendgefängnis dann auch noch der Besuch auf Lampedusa, um
sich für dreieinhalb Stunden unter die dort hausenden Flüchtlinge zu begeben und
die Flüchtlingspolitik Europas zu beklagen. Ach, er warf auch noch einen Kranz
ins Meer, für alle Bootsflüchtlinge, die ertrunken sind. Jubel, ja der zeigt den
Politikern Europa endlich mal Mores, was Menschlichkeit bedeutet.
Hat er nur einen der Bootsflüchtlinge von Lampedusa mit in den Vatikan
genommen? Die Gärten des Vatikans sind recht groß, da könnten sicherlich einige
Hundert Flüchtlinge in sauberen Zelten betreut vorläufig wohnen. Nein, hat er
nicht.
Hat er eines der vielen Gebäude in Rom, die dem Vatikan gehören, als
Flüchtlingsherberge angeboten, um mit guten Beispiel und mit seinen
Möglichkeiten voran zu gehen, den Worten taten folgen lassen? Nein, hat er
nicht.
Hat er den katholischen Premierminister des katholischen Malta öffentlich
ermahnt, als der, wenige Tage nach seinem Besuch auf Lampedusa, erklärte, dass
Malta die Bootsflüchtlinge auf der Insel alle wieder nach Libyen abschieben
werde? Nein, hat er nicht.
Es gibt nichts Richtiges im Falschen
Schon im Mittelalter wurden die "Milleniumsbewegungen" der gläubigen und
armen Christen stets von einfachen Priestern angeführt, da das gläubige,
einfache Volk den saturierten, abgehobenen und meist auch gut ernährten
Bischöfen nicht traute.
Diese Emotion "Er ist einer wie wir!", weiß der Papst Franz vorzüglich zu
aktivieren. Und auch Laizisten in Deutschland spielen das Spiel:
Unglaubwürdige "fette Kirche" -wobei sich auch manche Kardinäle in ihrem
Leibesumfang dazu gerade wie dafür geschnitzt eignen -gegen den glaubwürdigen
und bescheidenen "Papst der Armen", der nur den Glauben als oberste Maxime
gelten lässt.
"An der Seite der Armen"
Karfreitag 2013 zogen durch ein Armenviertel in Buenos Aires, das zu der
früheren Diözese des Kardinal Bergoglio gehört, an der Spitze einer Prozession
mit Palmenwedel und Marienstatuen zwei junge Priester. Die Straßen waren rechts
und links mit Müll gesäumt -nicht, dass einer der Priester vielleicht einen
Besen in die Hand genommen hätte -und inmitten der Behausungen bauten diese
beiden Priester dann einen provisorischen Altar, mit einem blütenweißen,
gestickten Altartuch nebst großem Bild des neuen Papst Franz und einer
Marienstatue unter Glas: "Wir sind an der Seite der Armen". Hat sich dadurch
irgendetwas geändert? Nein.
Und jetzt in Brasilien, die erste Auslandsreise des neuen Papstes zum
Weltjugendtag der katholischen Kirche. Die Fahrzeugkolonne fährt nicht den
geplanten Weg, alles stockt, die Menschen strömen zum seitlich offenen
"Papamobil", die Sicherheitskräfte sind entsetzt und der Papst kann sich mit
Händeschütteln und Segen spendend wieder von seiner 'menschlichen Seite' zeigen.
Das muss man dem Mann lassen, er hat offensichtlich ein festes Gottvertrauen,
was seinen Vorgängern so nicht eigen war, die es vorzogen im gläsernen Aquarium
durchs Volk zu fahren.
Er wird in Rio eines der kleineren Armenviertel (ca. 1.000 Bewohner) besuchen
und dort die kleine Kirche segnen. Hat er vielleicht vor seiner Abreise nur
eines der vielen Gemälde von Michelangelo, Caravaggio, Raffael etc. im Vatikan
verkaufen lassen und bringt die 10 Mio. Dollar Verkaufserlös mit, als
beispielhafte Anschubfinanzierung für eine gemeinnützige Baugenossenschaft, die
dort die Wohnhäuser instand setzt? Nein hat er nicht.
Auch Johannes Paul II hat Armenviertel besucht. Hat sich dort dadurch etwas
geändert? Nein, hat es nicht.
An ihren Taten sollt ihr sie erkennen
Die katholische Kirche vermittelt ihren Gläubigen Projektionsflächen -wie
"Liebe", "Nächstenliebe", "Familie", "Frieden", "Himmelreich", etc. -auf die
jeder nach Bildungsstand, Alter und Lebenssituation oder Belieben das
projeziert, was er oder sie gerade braucht. Darin ist Franz offensichtlich ein
Meister seines Faches.
Nach dem starrsinnigen Gelehrten Benedikt nun ein bescheidener, menschlicher
Franz? Mitnichten, seine erste Enzyklika "Licht des Glaubens" ("Lumen
fidei") ist aus Benedikts Hand, sie zeigt seine Theologie, an der von Papst
Franz nur wenige Ergänzungen vorgenommen wurden. Das ist die systemimmanente
Kontinuität, an der auch ein paar nette Gesten nichts ändern werden: Die
katholische Kirche ist die einzig wahre. Frauen und Laien haben zu
schweigen.
Wenn Papst Franz eine Glaubwürdigkeit erhalten will, dann muss er seinen
bejubelten menschlichen Gesten auch entsprechende Taten folgen lassen. Sonst
wird diese emotionale Begeisterung wie ein Strohfeuer bald verglüht sein.