Matura mit Religionspflicht?

Das hatte die katholische Kirche in Österreich schon. Nicht nur zu Zeiten vor der Einführung der Staatsgrundgesetze im Jahre 1867, sondern auch in der Zeit des Klerikalfaschismus 1934-1938. Damals war eine Matura ohne Teilnahme am Religionsunterricht nicht möglich, Kinder aus religionslosen Familien wurden auf staatlichen Druck sogar zwangsgetauft, wie sich Ernst Hinterberger erinnerte:
"Wer eingeschult wurde oder die Schule bereits besuchte und nicht im Schoß irgendeiner der staatlich zugelassenen Religionsgemeinschaften war, musste getauft werden, weil es Kinder ohne religiöses Bekenntnis nicht zu geben hatte. Auch mich traf es damals, ich wurde wegen meines bevorstehenden Schuleintritts als Sechsjähriger (im Jahre 1937) in der Schubert-Kirche auf der Schönbrunner Straße getauft, mein Taufpate, der Schani-Onkel, stand bloß dabei, weil ich ja schon alt genug war, den damaligen Riten selbst nachzukommen und die Fragen "Willst du getauft werden?" und die damals noch übliche unsäglich alberne "Entsagst du dem Teufel?" mit einem deutlichen Ja zu beantworten, hielt auch selbst die brennende Taufkerze und konnte mit dem ganzen Brimborium nichts anfangen, weil meine Eltern weder an Gott noch seine Kirche glaubten, mich areligiös erzogen hatten, mir von dem ganzen christlichen Blimmel-Blammel nur das Christkind und der Osterhase vertraute Begriffe waren und ich weder mit dem dreieckig dargestellten allwissenden Gott noch seinem ans Kreuz genagelten Sohn und schon gar nicht mit einer gebenedeiten Jungfrau etwas anfangen konnte."

Mit dem Staatsgrundgesetz von 1867 wurde und wird das Recht auf Religionsfreiheit garantiert. Da besonders in den nachrückenden Generationen das religiöse Interesse sich zunehmend in Richtung null bewegt, arbeiten klerikale Ideologen nunmehr an der Installierung staatlicher Zwangsreligionisierung. Die aktuell als Schulversuch laufenden Bemühungen, Religionsverweigerern in der Schule einen zwangsweisen Ethikunterricht zuzuweisen, erfuhr dieser Tage eine noch extremistischere Steigerung. In einer Diskussion in der christlichen Wochenzeitung "Die Furche" sagte der Salzburger Professor für Religionspädagogik Anton A. Bucher das Folgende:


Ihm ist also nicht Ethik wichtig, ihm ist religiöse Ethik wichtig. Und er will "religiöse Analphabeten" abschaffen durch eine religiöse Pflichtausbildung in den Mittelschulen (dass Zwangstaufen heute nimmer möglich sind, hat sich offenbar auch in klerikalen Kreisen herumgesprochen).

Was wäre der Unterschied der Bucher-Wünsche zum oben angeführten klerikalfaschistischen System? Ganz klar aus dem Schlusssatz zu ersehen, Bucher will statt des konfessionellen Religionsunterrichtes einen Religionenunterricht. Was heißt das? Dass man sich im Schulunterricht auch wissenschaftlich-kritisch mit dem Phänomen "Religion" auseinandersetzt? Das wäre eine gute Idee, siehe dazu die Pläne der Initiative "Religion ist Privatsache"!

Aber das meint der Herr Bucher ja nicht, er meint, den Schülerinnen und Schülern sollen alle Religionen im Sinne deren Selbstverständnisses dargestellt werden, also unhinterfragt und kritiklos.
Weil so wie das der Herr Professor Bucher sieht, geht das gar nicht anders. Weil wenn über "Religionen" unterrichtet wird, dann entweder kritisch gegenüber allen oder gegenüber keiner, die atheistischen Argumente müssten einen festen Platz im Lehrplan haben: Gibt's Götter oder gibt's keine Götter, das ist die Grundsatzfrage. Und ein Professor für Religionspädagogik wird schwerlich für einen kritisch-aufklärerischen Unterricht über Religionen sein.

Wehret daher diesen neuen Anfängen! Deren Ziel ist es, die in einer großen Anzahl von Familien fehlende Weitergabe von Religion durch einen staatlichen Zwangsunterricht über Religionen in den Oberstufen der Mittelschulen ausgleichen zu trachten. Wobei man allerdings anmerken muss, dass 16-, 17-, 18-jährige, die bis dahin religionsfrei gelebt haben, von der Darstellung der Weltreligionen meistens bloß belustigt sein würden und die dafür verbrauchte Unterrichtszeit als sinnlos vergeudet sehen täten. Aber Klerikaner probieren alles aus, um die religiöse Schwindsucht einzuschränken. Bloß von der Neuevangelisierung reden sie nur, ohne sie auszuprobieren, weil sie sich vor Blamagen fürchten. Aber selber die Religion an Leute, die zuhören wollen, zu verkünden, wäre das einzig Statthafte! Schließlich versäumt man nichts, wenn man nichts über Religion weiß. Für die Bildung der Menschen wäre es jedoch wichtig, rechtliche Dinge zu wissen, etwa im Bereich Konsumentenschutz und Arbeitnehmerrechte. Aber für einen solchen Unterricht setzt sich bisher niemand ein. Und es ist es sicherlich weitaus wichtiger, was über Empfängnisverhütung zu wissen als über die Jungfrau Maria oder die Steinigung von Ehebrecherinnen.