Die USA sind ein interessantes Phänomen. Einerseits das wirtschaftlich
und technisch-wissenschaftlich am höchsten entwickelte Land der Welt, andererseits
ein Land mit einer Religiosität, die deutlich höher liegt als in so manchem
Staat der Dritten Welt.
Dass wirtschaftlicher Aufstieg und sinkende
Religiosität zusammenhängen, ist offenbar kein allgemein gültiges Gesetz. Aber
die USA sind aus zwei Gründen anders gestrickt als die Staaten Europas oder
Japan, wo dieser Zusammenhang von Anstieg des Lebensstandards und Sinken der
Religion deutlich ist.
Denn in den USA fehlte die von der europäischen
Aufklärung verursachte direkte Auseinandersetzung mit der kirchlichen Macht.
Die Einwanderer in die USA waren oft Personengruppen, die in Europa aus religiösen
Gründen verfolgt wurden und in den USA für alle Religionen die gleichen Rechte
vorfanden. Es gab also die Konfrontation mit einer mit der Staatsmacht verschränkten
monopolen Kirchenmacht nicht.
Zur fehlenden kritischen Auseinandersetzung
mit der Religion kommt in den USA der fehlende Sozialstaat und die traditionelle
Individualisierung: Jeder ist sich selbst der Nächste und für sich und sein
Schicksal alleine verantwortlich. Die Folgen davon sind hohe Kriminalität und
hohe Religiosität. Ein weiterer negativer Umstand ist das US-Schulsystem. Die
breite Masse erhält eine eher minderwertige staatliche Schulbildung, gutsituierte
Kreise können ihre Kinder in deutlich bessere Privatschulen schicken.
Aber
trotz dieser widrigen Umstände, die massiv den Genuss des "Opium des
Volkes" begünstigen, entwickeln sich auch die USA schön langsam zum
Besseren, wie eine Untersuchung der Berkeley University Of California,
ermittelte. Hier eine Auflistung der Prozentanteile von Personen, die keiner
Religionsgemeinschaft angehören im Vergleich von 1990 und 2012:
Man
sieht dieselben Merkmale, die auch anderswo auftreten: Männer sind weniger
religiös als Frauen, Gruppen mit weniger Anteil an besser situierten Gesellschaftsschichten
brauchen mehr religiöses Opium, mit steigender Bildung und mit sinkendem Alter sinkt die Religiosität,
ländliche Gebiete sind religiöser und je konservativer die politische Einstellung
ist, umso höher die Religiosität.
Aber die obige Tabelle zeigt trotzdem
den riesigen Nachholbedarf in den USA, weil Personen, die keiner Religionsgemeinschaft
angehören speziell in einem Land mit traditionell hoher religiöser Organisationsdichte
deswegen ja nicht dezitiert glaubenslos sein müssen, in den 19.7 % US-Konfessionslosen
sind auch unorganisierte Gläubige und diejenigen mit einem Glauben an ein nicht
näher definiertes "höheres Wesen" enthalten.
Als Atheisten
deklarierten sich mit der klaren Aussage "ich glaube nicht an Gott"
in den USA 2012 bloß 3,1 % (in Österreich stimmten 2012 bei einer Umfrage
17 % dem Satz "Ich glaube, dass es keinen Gott gibt" zu). US-Agnostiker
gibt's 5,6 %, 11,6 % haben ein "höheres Wesen" in der Hinterhand.
Von 1990 bis 2012 ist die Zahl der US-Amerikaner, die ohne zu zweifeln an ihren
Gott glauben, lediglich um 4,8 % gesunken, 59,1 % sind von der Gottesexistenz
überzeugt, wie die zweite Tabelle zeigt:
Wie
man sieht, ist die amerikanische Entwicklung in Richtung zu einer säkularen
Gesellschaft noch ein weiter Weg, wenn das so wie von 1990 bis 2012 weitergeht,
gibt es in den USA in hundert Jahren nur doppelt so viele Atheisten wie heute
und die unbeirrt Gläubigen sinken nur um ein Drittel. Da jedoch wie in der ersten
Tabelle ersichtlich, die Konfessionslosigkeit unter den jungen Menschen stark
steigt, wird es in den USA in 100 Jahren auch deutlich besser ausschauen als
heute und deutlich weniger als die Hälfte der Amerikaner werden einer Religionsgemeinschaft
angehören.