Katholischer Pfarrenreformaufschub

"Religion aktuell" heißt die Sendung, die der ORF im Radioprogramm Ö1 täglich um 18:55 ausstrahlt, am 15.10.2013 wurde die erste Meldung so eingeleitet: "Sinkende Priesterzahlen, weniger Mitglieder und damit auch weniger Geld aus Kirchenbeiträgen... Die römisch-katholische Kirche in Österreich muss sparsamer arbeiten. Vor einem Jahr hat Kardinal Christoph Schönborn für die Erzdiözese Wien, die ja auch das östliche Niederösterreich umfasst, daher die Zusammenlegung vieler Pfarren angekündigt. Beim Pilotprojekt dieser Reform in Wien-Favoriten kommt es nun aber zu Verzögerungen - und zu Kritik."

Im Weiteren wurde berichtet, dass es im Dekanat Favoriten nicht zu den für 1. September 2013 geplanten Veränderungen gekommen ist. In Favoriten wohnen um die 60.000 (laut mancher Quellen 68.000) Katholiken, für deren Betreuung fünfzehn Pfarren eingerichtet sind, aber am Sonntag besuchen im Schnitt nur 2.000 Katholiken die Sonntagsmesse, das sind also nur etwa drei Prozent der Kirchenmitglieder.

Die geplante Reduzierung der 15 Pfarren auf nur noch vier, fand am 1.9. nicht statt, weil es zu heftige Widerstände dagegen gegeben hatte. Für die ganze Diözese Wien war geplant, die 654 Pfarren auf rund 200 zu reduzieren. Da zu dieser Diözese auch das östliche Niederösterreich gehört und nur 175 Pfarren in Wien liegen, würde das bedeuten, dass die Pfarren in Wien auf etwa fünfzig reduziert werden müssten und die 479 nö. Pfarren auf 150.

Damit würde der Priestermangel sicherlich wirksam behoben. Laut katholischer Statistik von 2011 gibt es in der Wiener Diözese 460 ortsansässige Priester, 157 aus anderen Diözesen (oft aus dem Ausland, speziell aus Polen) und 507 Ordensgeistliche. Das wären also 1.124. Aber ein beträchtlicher Teil davon wird in Pension sein, Ordenspriester sind nicht unbedingt in Pfarren tätig und in etwas größeren Pfarren gibt es auch Kapläne. Mit 200 Pfarren in der Diözese müsste man dann nicht alte Priester sozusagen zum Pfuschen aus der Pension zurückholen, man benötigte keine Aushilfen aus Polen oder Afrika und man hätte immer noch ein paar als Kapläne übrig.

Jedoch ist das wirkliche Problem nicht der Priestermangel, sondern der Gläubigenmangel. In Favoriten kann man die 2.000 Gretln und Hansln, die zur Sonntagsmesse gehen, auch mit einem Viertel der Pfarren betreuen und es kämen auf einen Pfarrer trotzdem nur 500 Leute. Aber gerade die paar Hansln und Gretln, die am Sonntag noch zur Kirche gehen, sind ja die real existierende wirkliche Substanz der katholischen Kirche und mit denen kann man sich nicht auch noch direkt anlegen und den meist sowieso alten und oft wenig mobilen Menschen dann verlängerte Anmarschwege und neue Strukturen und Umgebungen aufnötigen.

Es würden zwar durch die geplanten Reformen die verbliebenen Kirchen etwas voller und man könnte die übriggebliebenen verschenken, verkaufen oder abreißen, aber dabei die gewachsenen Strukturen zu vernichten, bessert die ohnehin schon so schwache Verbundenheit der Kirchenmitglieder mit der Kirche sicherlich nicht.

Aber man hat ja jetzt den ersten Probelauf in der Diözese Wien eh um zwei Jahre verschoben. Nunmehr sollen bis 2015 probeweise drei Pfarren zusammengelegt werden (wovon eine nur noch 2.000 Kirchenmitglieder in ihrem Bereich hat). Bis 2022 sollte eigentlich der gesamte Reformplan der Diözese Wien abgewickelt sein - bis dahin ist Erzbischof Schönborn schon in Pension. Er braucht jetzt nur in seiner bekannt zaghaften Art so weitermachen, dann kann ab 2020, wenn Schönborn mit 75 in Pension geht, sich sein Nachfolger darum bekümmern.

Was dann leichter gehen wird, weil bis dahin haben sich die aktiven Gläubigen sicherlich mindestens halbiert, Priester werden heiraten dürfen, weil es sonst gar keine mehr geben würde und in Wien käme man dann locker mit einer Pfarre & Kirche pro Bezirk aus und hätte genug Pfarrer plus Kapläne. In den ländlichen Teilen der Diözese müsste halt am Sonntag ein Buspendelverkehr zu den Kirchen in den Bezirksstädten eingerichtet werden.

So, liebe Leute, Ihr seht, auch ein Atheist macht sich Gedanken über die strukturellen Reformen in der katholischen Kirche! Im Jahre 2022 würde ich zwar schon 75 sein und diese Website kaum noch betreiben, aber wenn ich noch lebe und nicht zu sehr Alzheimer bin, werde ich sicherlich nachschauen, wie weit ich im obigen Absatz mit meinen Prophezeiungen und Reformvorschlägen danebengelegen bin!