Der politische Musterschüler ist dafür, dass wir unsere "christlichen
Wurzeln" verteidigen. Das ist in mehrfacher Weise ein unseliger Kommentar.
Der
ministrable Jungpolitiker hat damit eine Aussage getätigt, die auf Unwissen
schließen lässt. Herr Kurz stellt sich damit in eine Reihe mit Herrn Strache,
der in der Brigittenau das Abendland gegen den Islam verteidigen wollte, mit
erhobenem Kreuz wie einst der Hass-Prediger Abraham a Santa Clara (Türken: "Blutegel").
Was
wir alle wirklich verteidigen, sind die Werte des Abendlandes, die uns in
die Lage versetzt haben, dass heute alle Welt bei uns leben will, Werte, die
uns Wohlstand gebracht haben und Frieden, die uns ein friedlich demokratisches
Zusammenleben ermöglichen mit einem gerechten Ausgleich von Interessen.
Die Schimäre ist, dass das Christentum irgendetwas damit zu tun hat -
im Gegenteil:
Menschenrechte, Rechtssicherheit und demokratische Ordnung
wurden gegen den erbitterten Widerstand der Kirche als damaligem Machthaber
durchgesetzt und fürwahr: "Nächstenliebe" -Strache sei Dank! -war
über Jahrhunderte genauso gemeint wie beim Herrn Oppositionsführer, nämlich
als "Übernächstenhass".
Alle Werte, die unser Leben heute
so attraktiv machen, sind Werte der Aufklärung. Viele Menschen kamen zu
uns, nicht nur weil sie einen Job suchten, sondern weil sie unter diesen Werten
leben wollten, mit Rechtssicherheit, ohne Gesinnungsterror von Gottesstaaten
und mit Bildungschancen für die Kinder. Viele sind aber auch noch so indoktriniert,
dass sie ihre Identität noch stark mit der ihnen eigenen Religion verwechseln.
Zweitens
ist diese Argumentation unselig, weil sie eine religiöse Frontstellung aufbaut.
Die macht sie zu besseren Muslimen, anstatt zu besseren Demokraten. Statt die
christliche Partei sollte Herr Kurz den säkularen Staat vertreten, der einzige
Garant für echte Toleranz. Muslime können sich heute leicht "tolerant"
nennen. Die Wahrheit ist: Tolerant kann nur jemand sein, der auch die Macht
hat, etwas zu tolerieren!
Der dritte Fehler besteht darin, dass Religionen
per definitionem "desintegrative Weltanschauungen" mit einem totalitären
Hintergrund sind. Dass der Staatssekretär für Integration damit seiner Aufgabe
nicht dienlich ist, liegt auf der Hand. Gerade er müsste sich der integrativen
Kraft der Aufklärungswerte klar sein. Wenn, dann schafft man es nur so. Aber
da war die Partei und das christliche Netzwerk hinter der Partei wieder stärker
als Wahrhaftigkeit. Den Muslimen die christliche Flagge zu zeigen ist wahrlich
das falsche Signal, die sie in ihrer schwachen Situation die Faust in der Tasche
ballen lässt.
Die einzige wirklich zukunftsträchtige Strategie ist,
bei der Wahrheit zu bleiben und den aufklärerischen Weg weiterzugehen: Auf
die Plattform der Humanität zu setzen, da kann man mit den oben genannten Werten
aufbauen, da können wir uns in Vernunft über eine gemeinsame Zukunft verständigen.
Jede religiöse Plattform führt dahin, wo wir herkommen: Zu Unterdrückung und
Krieg.
Statt die Bundeshymne sollten die Menschen über Menschenrechte
informiert werden und über die Werte der Aufklärung. Dem Herrn Staatssekretär
täte ein Auffrischungskurs ebenfalls gut, damit er Christentum und Aufklärung
auseinanderhalten kann.
© Dr. Gerhard Engelmayer, Vorstands- und Pressesprecher des Freidenkerbundes Österreich, Dezember 2013