Kurze christliche Wurzeln

Quelle:
Freidenkerbund
Österreich - veröffentlicht am 02.12.2013

Staatssekretär Sebastian Kurz und die
Schimäre von unseren Christlichen Wurzeln

Der politische Musterschüler ist dafür, dass wir unsere "christlichen Wurzeln" verteidigen. Das ist in mehrfacher Weise ein unseliger Kommentar.

Der ministrable Jungpolitiker hat damit eine Aussage getätigt, die auf Unwissen schließen lässt. Herr Kurz stellt sich damit in eine Reihe mit Herrn Strache, der in der Brigittenau das Abendland gegen den Islam verteidigen wollte, mit erhobenem Kreuz wie einst der Hass-Prediger Abraham a Santa Clara (Türken: "Blutegel").

Was wir alle wirklich verteidigen, sind die Werte des Abendlandes, die uns in die Lage versetzt haben, dass heute alle Welt bei uns leben will, Werte, die uns Wohlstand gebracht haben und Frieden, die uns ein friedlich demokratisches Zusammenleben ermöglichen mit einem gerechten Ausgleich von Interessen.

Die Schimäre ist, dass das Christentum irgendetwas damit zu tun hat - im Gegenteil:
Menschenrechte, Rechtssicherheit und demokratische Ordnung
wurden gegen den erbitterten Widerstand der Kirche als damaligem Machthaber durchgesetzt und fürwahr: "Nächstenliebe" -Strache sei Dank! -war über Jahrhunderte genauso gemeint wie beim Herrn Oppositionsführer, nämlich als "Übernächstenhass".

Alle Werte, die unser Leben heute so attraktiv machen, sind Werte der Aufklärung. Viele Menschen kamen zu uns, nicht nur weil sie einen Job suchten, sondern weil sie unter diesen Werten leben wollten, mit Rechtssicherheit, ohne Gesinnungsterror von Gottesstaaten und mit Bildungschancen für die Kinder. Viele sind aber auch noch so indoktriniert, dass sie ihre Identität noch stark mit der ihnen eigenen Religion verwechseln.

Zweitens ist diese Argumentation unselig, weil sie eine religiöse Frontstellung aufbaut. Die macht sie zu besseren Muslimen, anstatt zu besseren Demokraten. Statt die christliche Partei sollte Herr Kurz den säkularen Staat vertreten, der einzige Garant für echte Toleranz. Muslime können sich heute leicht "tolerant" nennen. Die Wahrheit ist: Tolerant kann nur jemand sein, der auch die Macht hat, etwas zu tolerieren!

Der dritte Fehler besteht darin, dass Religionen per definitionem "desintegrative Weltanschauungen" mit einem totalitären Hintergrund sind. Dass der Staatssekretär für Integration damit seiner Aufgabe nicht dienlich ist, liegt auf der Hand. Gerade er müsste sich der integrativen Kraft der Aufklärungswerte klar sein. Wenn, dann schafft man es nur so. Aber da war die Partei und das christliche Netzwerk hinter der Partei wieder stärker als Wahrhaftigkeit. Den Muslimen die christliche Flagge zu zeigen ist wahrlich das falsche Signal, die sie in ihrer schwachen Situation die Faust in der Tasche ballen lässt.

Die einzige wirklich zukunftsträchtige Strategie ist, bei der Wahrheit zu bleiben und den aufklärerischen Weg weiterzugehen: Auf die Plattform der Humanität zu setzen, da kann man mit den oben genannten Werten aufbauen, da können wir uns in Vernunft über eine gemeinsame Zukunft verständigen. Jede religiöse Plattform führt dahin, wo wir herkommen: Zu Unterdrückung und Krieg.

Statt die Bundeshymne sollten die Menschen über Menschenrechte informiert werden und über die Werte der Aufklärung. Dem Herrn Staatssekretär täte ein Auffrischungskurs ebenfalls gut, damit er Christentum und Aufklärung auseinanderhalten kann.

© Dr. Gerhard Engelmayer, Vorstands- und Pressesprecher des Freidenkerbundes Österreich, Dezember 2013