Westliche Medien hatten sich seit seiner Verurteilung für Michail Chodorkowski
eingesetzt, weil der sei in einem Schauprozess schuldlos enteignet und verurteilt
worden, weil er Putin kritisiert habe. Jetzt ist er wieder frei und die freie
Welt freut sich.
So einfach ist die Sache allerdings nicht. Denn das
Entstehen der russischen Oligarchenwelt war eine höchst seltsame Angelegenheit.
Keiner dieser neuen Milliardäre ist durch reelle Arbeit oder wirtschaftliche
Tüchtigkeit zu großen Reichtum gelangt. Alle bedienten sich an der Konkursabwicklung
der Sowjetunion, die auf primitivste Weise erfolgte.
Der damalige Russenherrscher
hieß Jelzin, ein ehemaliger ständig im Alkohol schwimmender leitender Sowjetapparatschick,
der nach dem Zusammenbruch der Planwirtschaft die vorhandenen Reichtümer des
Landes an alle ehemaligen Sowjetbürger mittels Anteilscheinen (Vouchers) verteilen
ließ. Die Bürger konnten mit den Anteilscheinen nichts anfangen, sie verkauften
sie billigst an Aufkäufer, meist Leute aus der ehemaligen Nomenklatura oder
dem Betriebsmanagement oder Leute mit Auslandsbeziehungen, denen es gelungen
war, mit irgendwelchen Tricks, Gaunereien oder Auslandsverbindungen entsprechende
Finanzmittel aufzustellen und die billig erhältlichen Vouchers aufzukaufen.
Leute
wie Chodorkowski, der früher Komsomol-Sekretär gewesen war, konnten sich auf
diese Weise aus den herrenlos geworden Staatsbetrieben Milliardenwerte aneignen.
Während der Kommunismus seinerzeit Privatfirmen enteignet hatte, geschah nun
das Gegenteil, die diversen Chodorkowskis enteigneten nun das ehemalige Sowjetvolk,
was in Jahrzehnten durch die Arbeit der sowjetischen Arbeiterklasse an Werten
geschaffen worden war, war in kurzer Zeit im Privatbesitz von einigen Dutzend
neukapitalistischer Schlauköpfen.
Da Chodorkowski speziell im Energiebereich
zugeschlagen hatte (Yukon Oil), wurde er allerdings für Putin, der das vom Säufer
Jelzin geschaffene Chaos zumindest etwas beseitigen wollte, eines der Zielobjekte,
um diese Raubtierprivatisierung etwas einzuebnen. Als Putingegner war Chodorkowski
zweifach dafür geeignet.
Chodorkowski jetzt als armes politisches
Opfer darzustellen und ihn als eine Art politischen Freiheitskämpfer zu feiern,
ist extrem naiv. Chodorkowski war gegen Putin gewesen, weil er seine wirtschaftlichen
Interesse noch besser abseits von jedweder staatlichen Regulierung durchsetzen
wollte. Er verlor die Schlacht und die erbeuteten Firmen.
Rechtlich
dürfte das Verfahren in Ordnung gewesen sein, wie auch der Europäische Gerichtshof
befand. Am 20.9.2011 meldete der "Stern": Im Rechtsstreit um
die Auflösung des russischen Erdölkonzerns Yukos vor knapp vier Jahren hat der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Russland weitgehend Recht gegeben.
Moskau habe die gesetzlichen Vorgaben nicht für eine "versteckte Enteignung"
oder "absichtliche Zerstörung" des Konzerns missbraucht, urteilten
die Straßburger Richter am Dienstag. Alle Verfahren der beteiligten Behörden
hatten eine legale Grundlage. Die rechtlichen Bestimmungen waren präzise und
klar genug, um den Maßstäben der Europäischen Menschenrechtskonvention zu entsprechen.
Das
Vergehen, das man Putin wirklich vorwerfen muss, ist, er habe die anderen Oligarchen
nicht auch so behandelt, weil die Sowjetprivatisierung war zu großen Teilen
reine Gaunerei gewesen.
Die westlichen Medien huldigen dem Chodorkowski.
Dass auch die beiden Frauen der Protestband "Pussy Riots" begnadigt
wurden, wird nebenbei erwähnt. Wenn bei uns nicht die herrschenden Ideen die
Ideen der herrschenden neoliberalen Ausbeuter wären, dann hätte die aktuell
russische Begnadigungsaktion sich medial "Pussy Riot" (siehe Info
Nr. 1095) und deren Zukunft zuwenden müssen und
nicht einem Chodorkowski, der außer sich selber zum Milliardär zu machen, nichts
geleistet hat, weder für Russland oder für sonst was.