Kein Sterbehilfeverbot in die Verfassung

Im Zuge der Verhandlungen um die Bildung der neuen österreichischen Regierung bekräftigte anfangs November 2013 Kardinal Schönborn für die katholischen Kirche, die schon im Sommer aufgetauchte ÖVP-Forderung, dem in Österreich bestehenden Sterbehilfeverbot Verfassungsrang zu geben.

Ende November gab es dann Medienberichte, bei den Koalitionsverhandlungen sei man zur Übereinkunft gelangt, dieser katholischen ÖVP-Forderung nachzukommen.

In der Öffentlichkeit rief dies nur geringfügiges Echo hervor, die SPÖ äußerte sich vorerst nicht zur kolportierten Zustimmung der Partei zu diesen Forderungen. Laut eines Standard-Berichtes vom 4.12. nannte dann der Verfassungssprecher der SPÖ, Hannes Jarolim, das Vorhaben "absolut inakzeptabel und völlig absurd", das Thema müsse breit diskutiert werden.

Im Arbeitsprogramm der Regierung steht auf Seite 100:
"Grundrecht auf Sterben in Würde
Ziel:
Sterbebegleitung, Hospiz und Palliativversorgung können bis zuletzt ein hohes Maß an Lebensqualität ermöglichen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen auch in Zukunft ein würdevolles Sterben ermöglichen. Zugleich soll ein nachhaltiges Bekenntnis zum Verbot der Tötung auf Verlangen abgegeben werden.
Maßnahmen: Befassung einer parlamentarischen Enquete-Kommission sowie der Bioethik-Kommission mit der Möglichkeit der verfassungsrechtlichen Verankerung des Verbots der Tötung auf Verlangen und des Rechts, in Würde zu sterben. In der einfachgesetzlichen Ausgestaltung soll dieses Recht insbesondere dadurch weiter sichergestellt werden, dass der gleiche Zugang zur Palliativmedizin sowie zu den gegebenen Möglichkeiten der Sterbebegleitung gewährleistet ist."

Es wurde somit vereinbart, Kommissionen mit der katholischen ÖVP-Forderung zu befassen.

Am 7. 1. 2014 wurde die Debatte dann fortgesetzt. Entgegen der Meldungen vom November über eine Übereinkunft ging es in den Berichten nun darum, dass seitens der SPÖ Forderungen nach einer Liberalisierung des Sterbehilfeverbotes laut wurden.

Das Ö1-Morgenjournal meldete dazu:
"Die ÖVP wollte in den Koalitionsverhandlungen ein nachhaltiges Verbot der aktiven Sterbehilfe durchsetzen und dieses Verbot in der Verfassung verankern. Aus dem Vorhaben wurde wie in vielen anderen Fällen ein Projekt, über das diskutiert werden soll und das keine Chance auf Umsetzung hat. Im Gegenteil: SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim fordert sogar eine Lockerung des Sterbehilfeverbots. (..)
Anders als in den Benelux-Staaten oder in der Schweiz ist Sterbehilfe in Österreich verboten. Paragraph 78 des Strafgesetzbuches sieht für dieses Delikt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vor. Dieses Verbot will die ÖVP in der Verfassung absichern - parallel zur Schaffung eines Grundrechts auf Sterben in Würde.
Für SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim ein glatter Widerspruch: 'Das Sterben in Würde bedeutet nicht, dass die Selbstbestimmung am Ende des Lebens eingeschränkt sein soll, nämlich dann, wenn man durch besondere Schmerzen oder eine besonders fatale Situation zu der Überlegung gelangt, dass man in dieser Form nicht mehr weiterleben möchte.' Das gehöre aus seiner Sicht zur Menschenwürde dazu, diesen schweren Gang letztlich selbst zu entscheiden. (..)"

Seitens der ÖVP wurde das zurückgewiesen und neuerlich ein Schutz des Lebens bis zu Ende gefordert - also auch ein unabdingbares Weiterleben auch für Sterbewillige, weil es nicht dem ÖVP-Weltbild entspräche, dass schwer leidende Menschen ihr Leben nicht nur vorzeitig beenden möchten, sondern mit entsprechend zugelassener Hilfe auch könnten. Jarolim sagte dazu: "Eine Bevormundung - der Mensch darf nur Mensch sein, wenn er auch leidet und das in aller Unwürde - hat in einer aufgeklärten Gesellschaft nichts mehr verloren."

Dem ist nichts hinzuzufügen. Der Zwang zum Leiden gehört zu den Grundlagen der katholischen Lehre. Schließlich habe der katholische Jesus am Kreuze auch gelitten und darum sollten die katholischen Christen gefälligst in ihrem Erdenleben ebenfalls und möglichst noch länger und ausführlicher leiden, damit sie sich das Paradies beim Jesus auch wirklich verdienen. Die ÖVP als christliche Partei ist klarerweise genauso sadistisch und menschenfeindlich wie die katholische Kirche.

Dass seitens der SPÖ nun endlich klare Worte zu diesen bösartigen ÖVP-Forderungen gefallen sind, war höchste Zeit. Die christliche Wahnsinnsidee, per Verfassungsgesetz die Sterbehilfe zu verbieten, dürfte damit gestorben sein. Allerdings die von Jarolim geforderte Selbstbestimmung für Schwerleidende wird wohl von der ÖVP weiter verhindert werden können. Speziell weil auch die Oppositionsparteien dazu keine klaren Haltungen einnehmen. Es sitzen vermutlich auch dort zu viele christkatholische Leidensfreunde herum...