Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister, werter Genosse Wowereit,
mit
großer Verwunderung und Befremden habe ich die Kooperation der Staatskanzlei
für Kulturelle Angelegenheiten mit den Veranstaltern der diesjährigen Islamwoche
zur Kenntnis genommen.
Es ist mir unerfindlich, warum die Berliner SPD ihre
hilfreiche Hand darbietet, höchst zwielichtige islamische Veranstalter und muslimische
Referenten nicht nur aufzuwerten, sondern sie geradezu mit staatlicher Kooperation
noch adelt. Warum Sie, werter Genosse Wowereit, die Veranstaltung mit einem
Grußwort beehren und Genosse Körting sich gar als Podiumsdiskutant einspannen
lässt, ist mir unbegreiflich.
Entweder ist das die neue islampolitische Linie
der SPD (was ich als Mitglied der Partei der Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität,
der ich nunmehr seit 44 Jahren angehöre, noch nicht glauben mag) oder die Damen
und Herren, die in der Staatskanzlei für die Vorbereitung der Veranstaltung
verantwortlich waren, haben sich nicht über islamische Veranstalter und muslimische
Referenten informiert. Sie hätten durchaus einmal bei der Abteilung Verfassungsschutz
beim Innensenator nachfragen können und es wären ihnen gewisse Erkenntnisse
nicht verschlossen geblieben.
Ich kann in diesem kurzen Schreiben
nicht auf alle fragwürdigen Einzelheiten im Programm und im Blick auf die Referenten
eingehen, nur so viel:
"Islamic Relief" ist eine vom wahabitischen Saudi-Arabien finanzierte
politische Propaganda- und Vorfeldorganisation, deren Ziel es offensichtlich
ist, camoufliert durch "karitative" Aktivitäten, die Agenda des wahabitischen
Islam zu verbreiten. Es sollte Ihnen klar sein, was dies im Blick auf Menschenrechte
und Demokratie bedeutet.
Ibrahim El-Zayat ist ein der Muslimbruderschaft nahe stehender, bzw. ihr
angehörender, Aktivist der "Islamischen Gemeinschaft in Deutschland"
(IGD), die vom Verfassungsschutz als Teil der Muslimbruderschaft zu Recht beobachtet
wird. Sein Geschäftsgebaren, u.a. als Liegenschaftsverwalter islamischer Einrichtungen,
war in der Vergangenheit häufig Gegenstand von Untersuchungen und Ermittlungen.
Mustafa Yoldas ist ein dem Scharia-Islam treu ergebener Funktionär der Islamischen
Gemeinschaft Milli Görüs und hat dies in den letzten Jahren mit zahlreichen
öffentlichen Auftritten und Publikationen unterstrichen. Er ist einer der schärfsten
Kritiker von Professor Mouhanad Khorchide, einem bemerkenswerten islamischen
Theologen aus Münster, der es gewagt hat, der islamistischen und konservativ-orthodoxen
Islam Agenda der muslimischen Verbände eine alternative Islamkonzeption ("Islam
ist Barmherzigkeit") entgegenzustellen. Dass der Hamburger Senat mit der
Schura Hamburg, in der Yoldas eine führende Rolle einnimmt, einen Staatsvertrag
geschlossen hat, ändert nichts an der islamistischen Grundorientierung von Yoldas
und seinen Milli Görüs Freunden. Der Staatsvertrag hat sie nur leider weiter
aufgewertet. An dieser Aufwertung beteiligt sich nun bedauerlicherweise auch
die Führungsspitze der Berliner SPD. Ich bin mir aus eigener Erfahrung und Beobachtung
sehr sicher, dass eine große Zahl (wahrscheinlich die Mehrheit) von Genossinnen
und Genossen diesem Kurs nicht zustimmten, fragte man sie nur. Doch das wird
sorgfältig vermieden.
Damit Sie mich nicht missverstehen: Ich
bin nun wahrhaftig jemand, der sowohl für die staatliche als auch die kirchliche
Ebene den interkulturellen und interreligiösen Dialog für unverzichtbar hält
und habe mich seit vielen Jahren auf diesen Feldern engagiert (u.a. in dem "Gesprächskreis
Sicherheit und Islamismus" der Ersten Deutschen Islamkonferenz 2006-2009).
Aber es befremdet mich, dass die Staatskanzlei und führende Vertreter der SPD
nicht sorgfältig prüfen mit wem sie "Dialog" betreiben. Die Islamwoche
dient aus islamischer Sicht vor allem Propagandazwecken, was in dem "Missionskonzept"
des Islam ("da’wa") beschlossen ist. "Dialog" und "Da’wa"
gehören nach islamischem Verständnis zusammen. Das wäre zunächst nicht anstößig,
man muss es nur wissen. Problematisch und nicht akzeptabel ist aber, dass islamistisch
und konservativ-orthodoxe muslimische Gruppierungen jede sich bietende "Dialog"-Gelegenheit
nutzen, ihr Islamverständnis, das schwerlich mit der freiheitlich-demokratischen
Grundordnung vereinbar ist, den nicht-muslimischen Dialogpartnern als demokratisch
kompatibel zu verkaufen.
Ich lege Ihnen mein Buch über Islamismus bei, das
eine Reihe von hilfreichen Hinweisen zu den bei der Islamwoche aktiven Veranstaltern
und muslimischen Referenten enthält.
Mit freundlichen Grüßen - Dr. Johannes Kandel