"Durch die Wüste", Band 1 von den Gesammelten Werken Karl
Mays beginnt so: »Und ist es wirklich wahr, Sihdi, daß Du ein
Giaur bleiben willst, ein Ungläubiger, welcher verächtlicher ist als
ein Hund, widerlicher als eine Ratte, die nur Verfaultes frißt?«
»Ja.« »Effendi, ich hasse die Ungläubigen und gönne
es ihnen, daß sie nach ihrem Tode in die Dschehenna kommen, wo der Teufel
wohnt; aber Dich möchte ich retten vor dem ewigen Verderben, welches Dich
ereilen wird, wenn Du Dich nicht zum Ikrar bil Lisan, zum heiligen Zeugnisse,
bekennst. Du bist so gut, so ganz anders als andere Sihdis, denen ich gedient
habe, und darum werde ich Dich bekehren, Du magst wollen oder nicht.«
So sprach Halef, mein Diener und Wegweiser, ...
Der obige Text stand
in dieser Form in der ersten Fassung in einer Zeitschrift als Fortsetzungsroman
und er steht heute noch so in den bearbeiteten Ausgaben.
Das darf nicht sein!
Allen Ernstes will man solche Texte nun über 125 Jahre nach ihrem
Entstehen zensieren: Hadschi Halef Omar soll nicht mehr so reden dürfen,
weil die großartige islamische Religion durch eine solche Ausdrucksweise
geschmäht wird.
Karl-May-Sammelbild
aus den 1930er-Jahren - links Kara ben Nemsi, rechts Hadschi Halef Omar
Wie wird Halef künftig reden müssen unter
philoislamistischer Zensur? Vielleicht so: »Und ist es wirklich wahr,
Sihdi, dass Du ein Anhänger einer anderen von den drei abrahamitischen Religionen
bleiben willst, zwar ein Gläubiger, aber einer, welcher die großartigen
multikulturellen Bereicherungen des Islam doch noch nicht zur Gänze nutzen
möchte?« »Ja.« »Effendi, ich liebe die Nichtmuslims
und respektiere ihren Glauben, aber ich würde Dich trotzdem gerne auf die
zusätzlichen Vorzüge des Islam aufmerksam machen, denn der Islam wurde
durch den Erzengel Gabriel, den du ja aus Deiner christlichen Religion kennst,
an den Propheten Mohammed verkündet, auf dass die Menschenwelt ein weiteres
Mal durch eine großartige, friedfertige und zutiefst menschenfreundliche
Lehre vor dem Verderben bewahrt und näher zu Gott gebracht wird. Wir glauben
ja alle an denselben Gott, aber Du bist so gut, so ganz anders als andere Sihdis,
denen ich gedient habe, dass Du es verdienst auf das heilige Zeugnis, auf Ikrar
bil Lisan hingewiesen zu werden und das wunderbare islamische Paradies. Ich
möchte Dein Leben multikulturell bereichern.«
Ja und am Ende der sechsbändigen Reise durch die Wüste, durchs
wilde Kurdistan, von Bagdad nach Stambul, durch die Schluchten des Balkan und
das Land der Skipetaren bis zum Schlupfwinkel des Schut wird dann Kara Ben Nemsi
voller Freude das heilige Zeugnis Ikrar bil Lisan ablegen und sich Hadschi Kara
ben Nemsi nennen! Weil in Band 1 war er ja schon im heiligen Mekka gewesen.
Solche Spätzensuren sind für die politische Korrektheit
wohl unbedingt notwendig, weil sonst könnten ja feine religiöse islamische
Gefühle verletzt statt geheiligt werden!