Vermutungen über den Karfreitag

Das Christentum lebt von der Lehre, dass der Sohn des Schöpfergottes mit dem lateinisierten Namen "Jesus" auf Erde als Mensch geboren worden sei, um mit seinem Opfertod am Kreuz die Sünden der Welt hinwegzunehmen, durch seine Auferstehung am dritten Tag soll der Weg der Menschen gezeigt werden, die am "Jüngsten Tag" ebenfalls auferstehen und als Unsterbliche ins ewige Gottesreich einziehen würden.

Die "Auferstehung" oder sonst eine Art des Weiterlebens nach dem Tode gibt es ja in vielen Religionen, siehe Hades, Walhalla oder ewige Jagdgründe. Seine Ursache hat dieser Glaube wohl darin, dass man sich den eigenen Tod, die eigene Nichtexistenz nicht vorstellen kann und auch nicht vorstellen will. Wenn man daran denkt, dass wir nach dem Tode im selben Zustand wie vor unserer Geburt, nämlich nichtexistent sind, kann man solche Gedankengänge durchaus nachvollziehen. Solche Vorstellungen sind der elementare Ausdruck menschlicher Allmachtsphantasien.

Aber warum ist die Jesus-Geschichte so umständlich? Nachdem der Vater von Jesus die Sünder laufend steigend immer schwerer abgestraft hatte, siehe Vertreibung aus dem Paradies, Vernichtung von Sodom und Gomorrha, Menschheitsersäufung durch die Sintflut, werden nun keine Menschen mehr umgebracht, sondern der Gottessohn stirbt den Opfertod. Wobei auch zu fragen ist: an wen opfert sich Jesus? Er ist ja selber eine Falte des dreifaltigen Christengottes, opfert er sich an die zwei anderen Falten oder auch an sich selber?

Und warum schaffte der Christengott nicht einfach die seit der Vertreibung aus dem Paradies strafweise den Nachkommen von Adam und Eva angeheftete Erbsünde ab? Und was für eine Leistung ist es für einen unsterblichen und allmächtigen Gottessohn, am Karfreitag zu sterben und am Ostersonntag wieder aufzuerstehen? Das könnte er doch in göttlicher Pracht und Herrlichkeit seit 2000 Jahren jede Woche machen.

Auch die Christenlehre hätte sich ohne Kreuzigung verkünden lassen. Der alte Schöpfergott hätte keinen Sohn zeugen müssen, sondern die christliche Praxis von Reue und Buße zur Sündenentlastung direkt einführen können, etwa durch Verkündigung aus einem brennenden Dornbusch oder mittels am Berg Sinai oder sonst wo verteilten neuen Gesetzestafeln.

Aber das ging nicht! Weil die Kreuzigung dieses Jesus und seine Auferstehung haben sich nicht Gottvater und Gottsohn ausgedacht, sondern das taten hinterbliebene Anhänger des Predigers Jesus. Und zwar nicht solche, die selber diesen Jesus predigen gehört gehabt hätten, sondern Leute, die nachträglich diese Geschichte aufgriffen und zu verbreiten trachteten. Der berühmte Apostel Paulus hat Jesus nicht gekannt, die in der Bibel geschilderten Jünger und Apostel haben keinerlei Belege hinterlassen (die angeblichen Petrusbriefe sind Fälschungen), Paulus konnte daher umlaufende Erzählungen, Gerüchte, Geschichten nach eigenem Bedarf zusammenstellen und damit beginnen, daraus eine neue Religion zu formulieren.

Die Geschichte von der Auferstehung war in der von Paulus geformten Gemeinschaft umstritten, schließlich schrieb Paulus im 1. Korintherbrief 15,14-17: "Wäre aber Christus nicht auferstanden, so hätte unsere ganze Predigt keinen Sinn, und euer Glaube hätte keine Grundlage. Mit Recht könnte man uns dann vorwerfen, wir seien Lügner und keine Zeugen Gottes. Denn wir behaupten doch: Gott hat Christus auferweckt. Das kann ja gar nicht stimmen, wenn mit dem Tod alles aus ist! Denn wenn Tote nicht auferweckt werden, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Wenn aber Christus nicht von den Toten auferweckt wurde, ist euer Glaube nichts als Selbstbetrug, und ihr seid auch von eurer Schuld nicht frei."

Hätte es tatsächlich Zeitzeugen einer Auferstehung dieses Jesus gegeben, dann hätte es dieser Belehrungen des Paulus nicht bedurft. Die einfachste Erklärung für das Problem: dem gescheiterten Prediger Jesus wurde nach seinem Tode ein Neustart gebastelt, er war demnach nicht gescheitert und tot, sondern hatte die Kreuzigung geplant gehabt, um die Menschheit zu erlösen.

Wie weit ein Prediger namens Jesus sich selber als "Messias", also als Mittler zu Gott und Retter der Gläubigen, inszeniert hatte, ist nicht rekonstruierbar. Aber der "Gottessohn" war die Konstruktion, die in den Jahrzehnten nach dem Ende des Predigers erschaffen wurde. Kein vergessener Toter, sondern der aufopfernde göttliche Menschheitsretter, das wurde zum neuen Image. Die neuen Jünger schufen sich einen neuen Gott und hoben damit in erster Linie ihren eigenen Status. Wie ja bekannt ist, gewann diese neue Sekte vor allem außerhalb des jüdischen Bereiches Anhänger und im vierten Jahrhundert passierte dann das Schreckliche: im zerbröselnden römischen Reich wurde das Christentum als neue Staatsreligion verordenet, mutmaßlich um damit eine neue Gemeinschaftsideologie einzuführen. Das römische Reich ging unter, die antike Kultur versank, das finstere christliche Mittelalter warf die Entwicklung der Menschheit um tausend Jahre zurück. Und wir sind immer noch damit beschäftigt, dieser Finsternis Licht zuzuführen, getreu des von Immanuel Kant geprägten Mottos der Aufklärung: "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. (..) Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen"

Wir glauben nicht, wir denken selber. Zumindest versuchen wir es.

Und darum schließt diese Glosse am Karfreitag 2014 mit noch einem anderen Motto:
Always look on the bright side of life!