Christliche Feiertage wie Ostern stellen den säkularen Medienkonsumenten
vor harte Herausforderungen. Seichtes Infotainment gerät schnell zur unreflektierten
religiösen Propaganda.
Man hat irgendwie das Gefühl, der
ORF wolle es einem mit aller Macht aufs Aug drücken, dass bis vor knapp
100 Jahren die katholische Kirche Staatsreligion war. Zumindest einmal im Jahr.
Jeden Karfreitag veranstaltet der öffentlich-rechtliche Sender um 15 Uhr
eine Schweigeminute und begründet das mit dem - angeblichen - Todestag
des - angeblichen - Religionsgründers.
Feuerwehr-Sirenen heulen
öffentliche Trauer
Glücklicherweise schaffen die heimischen
Feuerwehren einen Ausgleich gegen die ORF-Schweigeminute. Punkt Karfreitag um
15 Uhr ließen mehrere steirische Feuerwehren die Sirenen heulen. Was freilich
nicht als säkularer Protest misszuverstehen ist. "Es handelte sich
um einen Sirenen-Probealarm (Dauer 15 sec.) anlässlich der Todesstunde
Jesu Christi am Karfreitag um 15:00 Uhr, der im Einvernehmen zwischen Pfarre
und Feuerwehr in mehreren Gemeinden durchgeführt wird", schreibt das
steirische Landesfeuerwehrkommando der Initiative gegen Kirchenprivilegien auf
Anfrage per Mail.
Die Bevölkerung scheint sicherheitshalber nicht gefragt
worden zu sein, ob sie die religiöse Zwangsbeschallung will. Ob es gesetzlich
gedeckt ist, dass Feuerwehrkommandanten eigenmächtig entscheiden, wann
eine Sirene ausgelöst wird, ist eine andere Frage. Der Sirenen-Probealarm
ist sonst nur - und wirklich nur - für Samstagmittag vorgesehen und das
österreichweit.
Religiöse Festspiele auf allen Kanälen
Wem
das nicht genug religiöse Zwangsbeschallung ist, der musste zu Ostern nur
Radio hören oder eine Tageszeitung ansehen. Wahlweise auch das Internet.
Die Religionsabteilung des ORF überschlug sich auf allen verfügbaren
Kanälen vor Jubelmeldungen, wo der Jose Maria Bergoglio gerade eine irgendwie
als österlich zu interpretierende Handbewegung gemacht hatte. Freilich
die harmloseste Form des seichten Infotainments dieser Tage.
Bemerkenswert
die Schlichtheit, mit der der KURIER
seinen Lesern einzureden versuchte, dass Zivilisation ohne Religion unmöglich
sei. Ein Musterbeispiel aus schlechten Wissenschaftsjournalismus gepaart mit
Missionierungsdrang und versuchter Sensationshascherei.
Aus Einzelmeinungen
wird die große Welterklärung
Schreibt die Autorin, Trägerin
des Kardinal-Innitzer-Preises, doch ernsthaft: "Wissenschaftler haben herausgefunden,
dass moderne Zivilisation ohne Gottesfurcht kaum möglich gewesen wäre.
Gemeinsame Gebete und Rituale formten Gesellschaften."
Oder: "Die
Frage, die Wissenschaftler derzeit beschäftigt: Hätte der Mensch überhaupt
aus der Steinzeit herausgefunden ohne wachsame Götter? In Göbekli
Tepe, in der Türkei, glauben sie, die Antwort gefunden zu haben."
Und
zitiert, man lese und staune, einen Psychologen und zwei Kulturanthropologinnen.
Es
bedarf eines beachtlichen Ausmaßes an Chuzpe, das als wissenschaftlichen
Konsens darzustellen. "Das Leben zu Ostern ist für Atheisten ein 'Kreuzweg'.
Zumindest medial. Die Zeitungen sind voll mit so kompaktem Unsinn wie dieser
Artikel", kommentiert Gerhard Engelmayer, Vorsitzender des Freidenkerbunds.
Die
Lebenslügen der Katholiken
Die Behauptung, dass Religionen Menschen
vertrauenswürdiger machen, konterkariert eine dürre Meldung im Nachrichtenmagazin
profil. Auf eine Umfrage, wie oft man in die Kirche gehe, sagten lediglich
21 Prozent der Befragten: "Nie". Gleich viele gaben an, zwei Mal im
Monat oder öfter zu gehen. 19 Prozent gehen nur einmal im Monat oder seltener.
Das
schlägt sich ein wenig mit der Wirklichkeit. Laut eigenen Zählungen
der katholischen Kirche sind - außer an Feiertagen - nie mehr als zwölf
oder dreizehn Prozent der Katholiken in einer Sonntagsmesse. Das sind knapp
acht Prozent der Bevölkerung.
Auch wenn die Erhebungsmethoden und die
Begrifflichkeiten unterschiedlich sind - damit die Ergebnisse der Umfrage für
das profil auch nur halbwegs stimmen könnten, müssten sämtliche
anderen Religionsgemeinschaften in Österreich aberwitzige Kirch- bzw. Gottesdienstbesucherquoten
haben. Immerhin ist fast ein Viertel der Bevölkerung konfessionsfrei und
von dort werden sich keine Gottesdienstbesucher rekrutieren lassen.
Das legt
den Verdacht nahe, dass viele Umfrageteilnehmer gelogen haben. Sie wollten dem
Interviewer sagen, was sie glaubten, dass er hören will. Sozial erwünschte
Antwort nennt man das. Der Kolumnist wird der Frage nachgehen, inwiefern das
bei dieser Umfrage zugetroffen hat.
Ein Berufskatholik auf Reisen
Im
Fernsehen lief’s nicht besser. ZDF-Info grub für seine Feiertagsdokus den
Science-Fiction-Autor und Berufskatholiken Michael Hesemann wieder aus. Sein
Spezialgebiet: Verlässlich jede katholische Reliquie, die man ihm vorlegt,
für echt zu erklären. Um das halbwegs glaubwürdig tun zu können,
tritt er als Historiker auf. In einem seriösen wissenschaftlichen Institut
hat er nie gearbeitet.
Seine Karriere begann Hesemann sozusagen als UFO-Spezialist
beim schwer esoterischen Magazin 2000plus. Als die politische Ausrichtung der
immer schon rechtslastigen Eso-Illustrierten zu Konflikten führte, gingen
Hesemann und der Rest der Redaktion getrennte Wege. Magazin 2000plus ist endgültig
im braunen Sumpf gelandet.
Hesemann verkauft seine persönlichen Fantasien
weiter als Fakten. Nur sind es mittlerweile konservativ-katholische, vorgebracht
mit teils rührender Naivität. Da denkt er etwa nicht daran, eine aus
seiner Sicht weltbewegende wissenschaftliche Erkenntnis in einem wissenschaftlichen
Journal zu veröffentlichen. Nein, der gute Mann schreibt dem Papst einen
Brief!
So viel Stumpfsinn tut weh
Ein Forum bei öffentlich-rechtlichen
Sendern findet er verlässlich. Kritische Distanzierung sucht man vergeblich.
Bei
einem skeptischen Geist - das muss beileibe kein atheistischer sein - verursacht
so viel Stumpfsinn auf einmal körperliche Schmerzen. Die kulinarischen
Highlights der Frühlingssaison muten da an wie ein schwacher Trost. Aber
immerhin ein wohlschmeckender.