Epoche der Volkskirchen ging zu Ende

Das sagte der Wiener Weihbischof Stephan Turnovszky bei einem Festakt anlässlich seines 50. Geburtstags im Erzbischöflichen Palais. Gemäß eines Berichtes vom 1.7.2014 der Site kath.net: "Wir leben in einer ganz besonderen Epoche der Kirchengeschichte: 1.600 Jahre Volkskirche gehen zu Ende". Das bringe mit sich, "dass der Glaube geläutert wird, und dass nach neuen Formen gesucht wird, die noch nicht greifbar sind". Der Glaube gewinne jedenfalls an Ernsthaftigkeit (..). "Ich bin überzeugt, Gott schreibt gegenwärtig ganz groß Geschichte mit seinem Volk!"

Allerdings vergaß der Hilfsbischof zu erwähnen, dass die Volkskirche eine aufgenötigte Kirche war, der sich die Menschen jahrhundertelang nicht entziehen konnten.
Mit dem Dreikaiseredikt vom 28. Februar 380 war verfügt worden: "Alle Völker (..) sollen sich, so ist unser Wille, zu der Religion bekehren, die der göttliche Apostel Petrus den Römern überliefert hat." Und den Ungehorsamen wurde verkündet: "Endlich soll sie vorab die göttliche Vergeltung, dann aber auch unsere Strafgerechtigkeit ereilen, die uns durch himmlisches Urteil übertragen worden ist."

Durch gut 1000 Jahre funktionierte das ohne jede Chance auf Widerstand, dann wurde die katholische Allmacht doch langsam weniger, Reformation und Aufklärung schwächten die katholische Volkskirchenpflicht. Und in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die Menschenrechte in vielen Staaten nach und nach zu im Alltag wirksamen säkularen Geboten, die Nachfrage nach dem "Opium des Volkes" schwand, weil sich durch mehr Wohlstand und die Einrichtungen des Sozialstaates, die berühmten Seufzer der bedrängten Kreatur nimmer an Götter richteten. Religion ist heute deutlich seltener Schicksal als noch vor einigen Jahrzehnten und die Religionsfreiheit ist tatsächlich ins tägliche Leben eingezogen: es gibt kein Volk mehr, dass sich sonntags pflichtgemäß zur Messe versammelt und sich nach katholischen Weltanschauungen richtet. Die "Volkskirche", die es als freiwillige Einrichtung nie gegeben hat, sondern die immer ein Produkt der Unterdrückung und der Angst (speziell auch der Angst vor dem bösartigen christlichen Verdammungsgott) war, ist verschwunden. Dass der Glaube heute Ernsthaftigkeit gewinnt, stimmt sicherlich: weil all jene, die sich aus Angst und sozialem Druck religiös betätigten, tun das nimmer. Und die es tun, müssen es ernsthaft aus wirklicher Überzeugung machen. Aber wieviele sind das schon?

Bischof Turnovszky träumt von einer neuen Ära und von warmen Eislutschern. Er sucht nach neuen Glaubensformen. Mag sein, dass er welche findet. Aber die Gläubigen werden trotzdem weiterhin ungebremst dahinschwinden, es sind nicht die Formen, es ist der Glaubensinhalt. Die sonderbare Geschichte von der Erlösung durch einen Gottessohn namens Jesus stößt auf immer weniger Interesse.