Knapp vor 20 Uhr sendet DAS ERSTE manchmal folgenden Werbespot: "Information
schafft das Klima für eine bessere Zukunft – ARD." Das wirkt wie
die TV-Reklame mit dem Chefkoch, der seinen erwartungsfrohen Gästen bei
klassischer Musik und Kerzenschein eine köstliche Bouillon reicht. Gleich
nach Gongschlag, Ansage und Erkennungsmelodie bekommst du allerdings ARD-aktuell-Chefredakteur
Gniffkes Tagesschau vorgesetzt. Statt einer Bouillon vom Feinsten dünne
Einheitsbrühe. Schluck sie gefälligst und nähre damit deine Illusion
vom rundum informierten Demokraten.
In unserer kapitalistischen Gesellschaft
ist auch die Information bloß Ware, mit der die Geldaristokratie profitable
Geschäfte macht. Mohn, Springer, Burda, Madsack, Plattner, Thiel, Haub,
Gruner, Jahr, Holtzbrinck, Grothkamp, Donnermuth, Strüngmann usw. Allesamt
Milliardäre - und einige zugleich Anteilseigner unserer den Nachrichtenhandel
beherrschenden Deutsche Presse-Agentur GmbH (dpa). Jenes Kommerz-Instituts also,
das eine Tradition von Falschmeldungen und konformistischer Regierungsnähe
hat. Und das trotzdem – oder gerade deshalb? – Hauptlieferant aller Nachrichtenverwurster
geblieben ist.
Spätestens seit Beginn der tendenziösen Berichterstattung
über den Ukraine-Konflikt scheinst du, gebührenzahlender TV-Kunde,
dem prowestlich manipulativen Trug unserer konventionellen Medien aber zu misstrauen.
Du hast wohl eingesehen, dass unsere grundgesetzlich verankerte Medien-Freiheit
auch die Freiheit zur Falschinformation einschließt. Dass es keine Rechtsmittel
gegen Lügen von Politikern und ihren Hofberichterstattern gibt. Du ziehst
füglich Konsequenzen und wendest dich von den Traditionsmedien ab – die
Zuschauerzahlen von ARD und ZDF sowie die Leserzahlen bei Spiegel & Co.
sinken dramatisch – und siehst dich nach neuen Formen des Informationsaustauschs
um, im Internet und in den sozialen Netzwerken.
Ziehen die zwangsfinanzierten
Sender inhaltliche Konsequenzen aus dieser entlarvenden Entwicklung? Nein, die
Verantwortlichen geilen sich lieber an den statistikwirksam hohen Einschaltquoten
bei der Übertragung von Sportereignissen auf (Fußball, WM, Olympia),
erweitern technische Kapazitäten und tun so, als müsse die Sonne gottgewollt
auf ihrem umfriedeten Gebührengarten scheinen.
Ich will das
arrogante Gehabe am Beispiel des Umgangs mit einer Beschwerde aufzeigen, die
ich wegen der realitätsverzerrenden Nachrichten über die Ukraine-Krise
beim Rundfunkrat des NDR eingereicht hatte (der Sender ist im Auftrag der
ARD für Tagesschau und Tagesthemen zuständig). Mein Protest galt unbestreitbaren
Verstößen gegen geltendes Rundfunkrecht:
§ 5 Programmauftrag
(1)
Der NDR hat (...) einen objektiven und umfassenden Überblick über
das internationale, europäische, nationale und länderbezogene Geschehen
(...) zu geben. Sein Programm hat der Information (...) zu dienen.
§
7 Programmgrundsätze
(2) Das Programm des NDR soll (...) die internationale
Verständigung fördern, für die Friedenssicherung (...) eintreten
(...)
§ 8 Programmgestaltung
(1) Der NDR ist in seinem Programm
zur Wahrheit verpflichtet. (...) Ziel aller Informationssendungen ist es, sachlich
und umfassend zu unterrichten (...)
(2) Berichterstattung und Informationssendungen
haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen (...) zu entsprechen.
Sie müssen unabhängig und sachlich sein. Nachrichten sind vor ihrer
Verbreitung mit der (...) gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen.
(...)
Wie vertragen sich diese hehren Grundsätze mit der prowestlich-USA-tendierten,
russlandfeindlichen, agitatorischen Nachrichtenvermittlung der ARD?
Als
Tagesschau und Tagesthemen im April wochenlang von "OSZE-Militärbeobachtern"
schwafelten, die in der Ostukraine von "prorussischen Separatisten"
entführt worden seien, sah ich die Regeln sauberen journalistischen Arbeitens
eindeutig verletzt und forderte zunächst die Redaktion ARD-aktuell auf,
schleunigst von ihrer manipulativen Falschinformation abzulassen. Es war
ja hinlänglich bekannt und offiziell geklärt, dass kein OSZE-Beobachterteam,
sondern eine verdeckt operierende Clique von NATO-und Bundeswehr-Offizieren
in der Ostukraine aufgeflogen war. Die Antwort der Redaktion bestand aus
einer kurzen E-Mail mit ein paar ablenkenden Floskeln.
Deshalb wandte ich
mich am 29. April an den Rundfunkrat, Aufsichtsgremium und demokratisches Aushängeschild
des NDR. Zugleich übergab ich diversen Internet-Portalen (u.a. Medien-Analyse-International)
eine umfangreiche Dokumentation. "Ex-Tagesschau-Redakteur beschwert sich
über Falschinformationen" machte die Runde im Internet.
Am
2. Juni schickte mir NDR-Intendant Lutz Marmor folgende "Stellungnahme"
des ARD-aktuell-Chefredakteurs Gniffke: "Wir haben den Begriff ‚OSZE-Militärbeobachter’
richtig verwendet. ... Die Bezeichnung ... steht im Einklang mit dem Wording
von Nachrichtenagenturen und Qualitätszeitungen..." Gniffke kombiniert
also Arroganz und Ignoranz. Er merkt nicht mal, dass er ein intellektuelles
Null Ouvert spielt und zugleich die zumindest mentale – nachrichtenagenturgestützte
– Gleichschaltung der Medien nachweist, indem er das eigene Falschinformieren
mit demjenigen der Agenturen und "Qualitätszeitungen" rechtfertigt.
"In der Gesamtheit unserer Berichterstattung (über die Ukraine, V.B.)
ist es uns gelungen, den Konflikt in seiner Breite abzubilden," meint er.
Na klar, und der Kopf ist nur zum Haarekämmen da.
Natürlich
habe ich den Gniffke-Stuss nicht hingenommen und darauf bestanden, dass der
Rundfunkrat endlich selbst aktiv wird. Am 18. Juni schrieb dessen Vorsitzende
Ute Schildt: "... Der Rechts- und Eingabenausschuss wird sich ... am 11.
09. 2014 und der Programmausschuss am 30.09. 2014 mit Ihrer Beschwerde befassen.
Die abschließende Beratung erfolgt voraussichtlich in der Sitzung des
Rundfunkrats am 31. 10. 2014. Über das Ergebnis werde ich Sie unterrichten."
Vermutlich also im Laufe des November. Nur keine Eile, Herrschaften. Bis
ihr zu Stuhle kommt, kann ARD-aktuell seine Ukraine-Berichterstattung – und
nicht nur die – in gewohnt tendenziöser Weise fortsetzen. Und danach wohl
auch. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk lebt schließlich im Konkubinat
mit der Politik. Einwände? Hygienewünsche? Da könnte ja jeder
kommen.
Der schöne Satz von Karl Kraus "Was Redaktionen beschlossen
haben, vergelten und büßen Nationen" (in: In dieser großen
Zeit?, Aufsätze 1914-1925) stand übrigens in einem Artikel des leider
viel zu früh gestorbenen FAZ-Mitherausgebers Frank Schirrmacher zu lesen.
Dieser wahrlich kluge Kopf hatte sich im März zu Recht über die verfälschende
und russlandfeindliche Informationspolitik des ZDF und dessen Protagonisten
Claus Kleber empört und sie ungewöhnlich scharf kritisiert. Gleiche
Brüder, gleiche Kappen: Kleber oder sein ARD-Pendant Thomas Roth sind,
wie ihre Chefredakteure, die Kai Gniffkes, Michael Strempels oder Peter Freys,
resistent gegenüber Forderungen nach seriösem, unabhängigem Journalismus.
Es ist auch in Österreich nicht anders. Aber ich kann mich erimnnern, dass es in früheren Zeiten Unterschiede gab. Z.B. während des Vietnamkrieges war es in Österreich selbstverständlich, dass im staatlichen TV der in den USA ausgebildete Journalist Hugo Portisch Tag für Tag wie der Pressesprecher der US-Army agierte, also über US-Erfolge vor Freude in Ekstase geriet und wenn die Nationale Front für die Befreiung Vietnams (in US-speaking "Vietcong" genannt) erfolgreich war, vor Aufregung bebte und das Ende der freien US-Welt befürchtete. Damals, so kann ich mich erinnern, war die ARD-Tagesschau oft durchaus wahrnehmbar weniger US-hörig als der ORF. Aktuell ist kein Unterschied zwischen ARD und ORF, beide agieren gleich stramm im Interesse der US-amerikanischen Geopolitik.