Ein Video geistert durch die Medienlandschaft: Durch eine nicht zu identifizierende
Gegend fährt ein Raketenwerfer ohne die üblichen militärischem
Kennzeichen, also ebenfalls nicht identifiziert. Aber die Kiewer Regierung liefert
im Kommentar dann doch die Erkennungs-Daten: Es sei ein Raketenwerfer, den die
ukrainischen Separatisten benutzt hätten, um die malaysische Passagiermaschine
des Flug MH17 abzuschießen und er sei auf dem Weg zur russischen Grenze.
Aus solchen und ähnlichen unbewiesenen Behauptungen einer mit Faschisten
gespickten Regierung bastelt US-Präsident Obama mal eben eine Schuldzuweisung:
"Das war kein Unfall. Das passiert wegen russischer Unterstützung".
Fraglos sind ähnliche Propaganda-Töne auch von russischer Seite zu
lesen. Dort ist man ziemlich sicher, dass die Kiewer Regierung schuld sei. Dieser
Artikel wird also nicht die einseitigen Spekulationen wiederholen, die in deutschen
Medien zu lesen sind. Sondern das tun, was ordentlicher Journalismus zu tun
hat bevor handfeste Beweise vorliegen: Zweifel anmelden. Zum Beispiel diesen:
Kein Land der Welt verfügt über eine solch präzise und lückenlose
Video-Überwachung vom Weltraum aus wie die USA. Hoch gerühmt ist die
Tiefenschärfe der Drohnen-Videos. Wo sind die Satelliten-Bilder vom Abschuss
der Rakete?
Vor drei Tagen meldete die ARD, dass "regierungstreue
ukrainische Rettungskräfte" einen Flugschreiber gefunden hätten.
Andere Medien haben die Meldung übernommen. Leider wisse man nichts über
deren Verbleib. Die Flugschreiber wären bei der Aufklärung des Absturzes
unbedingt hilfreich. Und Aufklärung täte dringend not, wenn es wie
im Ukraine-Fall um Krieg und Frieden geht. Also könnte die ARD, die den
Kiewer Autoritäten zu Recht als befreundetes Medium gilt, doch die Frage
nach dem Verbleib stellen, fragen wer die Flugschreiber gefunden hat und wann
sie denn der Auswertung zur Verfügung gestellt würden. Und selbst
wenn die ARD keine Antwort bekäme, wäre das eine Nachricht. Doch zu
so viel Recherche-Mühe mag sich der öffentlich-rechtliche Sender nicht
aufraffen.
Ein wenig später findet das ZDF, mithilfe eines Kamermannes
der Agentur Reuters, einen zweiten Flugschreiber. Unmittelbar an der Abschusstelle.
Aber der ZDF-Sprecher kommentiert unverdrossen auf die Bilder einer unbehinderten
Bergung, dass die Separatisten die Aufklärung behindern. Und dann setzt
er das unwürdige Verwirrspiel um die Leichen der Opfer fort: Seit Tagen
wird in staatlichen und privaten Medien erzählt, die Separatisten würden
die Leichen "verschleppen", um sie der Untersuchung zu entziehen.
Zwar gibt das ZDF erstmalig zu, dass die Leichen wegen das warmen Wetters in
Kühlwaggons verbracht werden, weil sie nur so weniger Schaden vor der Untersuchung
nehmen. Aber jetzt gefällt dem ZDF-Sprecher der Ort nicht zu dem sie gebracht
werden. Er verwendet den Begriff "Leichen-Schacher" und will nicht
merken, dass er mitschachert: Um die betsmögliche Diffamierung.
"Anton
Geraschtschenko, ein Berater des ukrainischen Innenministers", teilt uns
die österreichische Zeitung "Die Presse" mit , "veröffentlichte
auf seiner Facebook-Seite, dass das Flugzeug von einer bodengestützten
weitreichenden Luftabwehrrakete vom Typ Buk (SA-11 Gadfly) getroffen worden
sei." Woher wusste der das unmittelbar nach dem Absturz? Das ist eine der
Fragen, die niemand stellt, deren Antworten aber viel erzählen könnte.
Der genannte Raketenwerfer wird uns häufiger begegnen. Unter anderem bei
der BILD-Zeitung. Die mit folgender Schlagzeile an der "Aufklärung"
beteiligt ist: "BILD erklärt Putins Horror-Raketen." Was BILD
nicht "erklärt" und was auch eher seltener zu lesen oder im TV
zu sehen ist: Dieser Raketen-Typ wird ebenfalls von der ukrainischen Armee genutzt.
Im Medien-Dunst kaum zu entdecken ist, dass nordwestlich von Donezk Batterien
des 156. Fla-Raketenregiments der ukrainischen Streitkräfte, mit insgesamt
27 Startanlagen Buk M1, Stellung bezogen haben. Eine weitere Frage sollte von
objektiven Medien gestellt werden: Warum die Raketen-Werfer dort stationiert
sind. Haben die Separatisten doch kein militärisches Fluggerät das
mit Boden-Luft-Raketen bekämpft werden müsste. Immerhin mag die WELT
daran erinnern, dass die ukrainische Armee im Jahr 2001 schon einmal versehentlich
ein Passagierflugzeug über ihrem Territorium abgeschossen hat: "Alle
66 Passagiere und zwölf Besatzungsmitglieder an Bord des Jets von Tel Aviv
nach Nowosibirsk starben damals."
Der TV-Sender N24 teilt uns mit,
dass "die Boeing 777 . . nach Angaben von Malaysia Airlines niedriger als
eigentlich geplant (flog). Beantragt sei eine Flughöhe von 35.000 Fuß
(10.700 Meter) gewesen. Die ukrainische Flugsicherung habe aber angewiesen,
auf 33.000 Fuß zu fliegen." Warum, weiß N24 nicht. Obwohl eine
niedrigere Flughöhe über einem Kriegsgebiet eine höhere Risiko
bedeutet. Auch scheinbar sonst keines der schlauen Medien weiß die Frage
zu beantworten. Weil sie niemand gestellt hat. Es sind solche Medien, die, wenn
sie nicht gleich behaupten Putin sei es gewesen, durch dauerhaftes Zitieren
der natürlich parteilichen Offiziellen aus Kiew oder Washington kaum eine
andere Lesart zulassen. Wenn schon die vorgeblich seriöse FAZ - natürlich
ohne Beweis - sagt, dass die fragliche Rakete "mutmaßlich" von
den Separatisten abgefeuert worden sei und deshalb die "Moskauer Führung"
zur "Besinnung" ruft, dann kann die australische Regierung nur folgen:
Regierungschef Tony Abbott kündigte im Parlament in Canberra an, er werde
wegen des Absturzes von MH17 den russischen Botschafter einbestellen. Und auch
das HANDELSBLATT und jede Menge anderer deutscher Nach-Sprecher und -Schreiber
weiß: "Nach US-Erkenntnissen ist es sehr wahrscheinlich, dass moskautreue
Kräfte die Maschine abgeschossen haben". Nur nicht fragen, woher die
USA diese "Erkenntnisse" haben und womit sie die denn belegen könnten.
Man will die FREUNDE offenkundig nicht in Verlegenheit bringen und auf keinen
Fall an die Giftgas-Nummer von Colin Powell erinnern, mit der er vor der UNO
den Irak-Krieg begründete.
Angesichts des Leids der Opfer des Flugzeug-Absturzes
und dem ihrer Angehörigen sollten eigentlich alle Propagandamaschinen schweigen.
Doch der Medienmainstream schweigt zumeist vornehm nur von den vielen, vielen
zivilen Toten, die der "Kampf gegen den Terror" der Poroshonko-Regierung
in der Ost-Ukraine hinterlässt. So kann, schon der widerlichen Instrumentalisierung
der Opfer des Flugzeugabsturzes wegen, nicht geschwiegen werden. Zumal es in
diesem Propaganda-Kampf auch um künftige Tote geht: Unmittelbar nach dem
Absturz hat der "Rechte Sektor", jene ukrainische Faschisten-Organisation,
von der die Strukturen der "Nationalgarde" und der Milizen bestimmt
werden, dem ukrainischen Präsidenten ein Angebot gemacht: Wenn man 5000
Maschinengewehre und Munition erhalte, würde man den Krieg in zwei Wochen
beenden. Der Präsident hat bisher nicht nein gesagt. Auch hat die FAZ noch
keine Mutmaßungen über das Angebot angestellt. Überhaupt wird
diese großzügige Geste des Nazi-Sektors - am 19. 07. 2014 von der
staatlichen Nachrichten-Agentur UKRINFORM
publiziert - in den deutschen Medien bisher beschwiegen. Wahrscheinlich der
Ausgewogenheit wegen.