In memoriam Barbara Prammer

Barbara Prammer spiegelte in ihrem Leben auch einen Aspekt wieder, der vermutlich als besonders österreichisch gelten kann. Sie gehörte nämlich zur großen Zahl der Menschen, die nicht religiös sind.

1988 organisierte der sozialdemokratische Gewerkschafter Horst Simmer die Gründung einer eigenen oö Landesorganisation des österreichischen Freidenkerbundes. Gesinnungsfreund Simmer war in der SPÖ auch als Vortragender in der Parteischule, als Referent bei Gewerkschaftskursen aktiv, er kannte also die Partei auch von innen sehr gut. Daher sprach er auch die Genossinnen und Genossen, die er persönlich und deren Haltung zu Religion und Kirche kannte, darauf an, ob sie nicht Interesse hätten, der wieder gegründeten oö Freidenkerorganisation beizutreten. Er hatte damit gute Erfolge, die Mitgliederzahl stieg rasch an. Auch einige SP-Funktionäre, die später weiter aufstiegen, waren darunter. Auch Barbara Prammer. Als sie in höhere politische Ämter aufstieg, ersuchte sie darum, ihre Mitgliedschaft sozusagen unter der Tuchent zu halten, weil sie ja wusste, wie in einem katholischen Land die christliche Nächsten- und Feindesliebe real beschaffen ist, sie wollte sich und ihre Partei mit ihrer Mitgliedschaft keinem katholischen Mobbing aussetzen.

So wie es auch Bruno Kreisky gemacht hatte, der auch noch als Politpensionist seine Beziehung zum Freidenkerbund, dem er schon in der Ersten Republik angehört hatte, undercover halten ließ, um keine Hetze aus katholischem Umfeld gegen die SPÖ auszulösen.
Erst nach seinem Tod 1990 wurde innerhalb des Freidenkerbundes über den Freidenker Bruno Kreisky geredet, der immer Atheist gewesen war und der Welt vorsichtshalber vorspiegelte, er wäre Agnostiker, also sozusagen auf Äquidistanz zu Glauben und Nichtglauben. Allerdings kam ihm einmal bei einem ORF-Interview die Wahrheit aus, er sagte, "ich als Atheist, ... will sagen, ich als Agnostiker ....".

Und der jetzige Bundespräsident ist natürlich auch bloß nur ein Agnostiker, weil Atheisten sind ja unmoralisches Untermenschenvieh und nach Meinung von ÖVP und Kirche hätten SchülerInnen ohne Religionsunterricht zwangsweise einen möglichst von Religionslehrern erteilten Ethikunterricht zu besuchen, damit auch sie eine so hohe Ethik wie Schüssel, Strasser, Molterer und Spindelegger erreichen, also Respekt vor den Reichen und Superreichen haben und keinen sozialistischen Umverteilungsideen anhängen. Dass das nicht unbedingt die richtige Welt ist, kann man allerdings real an den großartigen politischen Leistungen von Bruno Kreisky oder Barbara Prammer erkennen, die ohne religiöse Ethik für Österreich und die große Masse der nichtsuperreichen Bevölkerung so viel getan haben.

Barbara Prammer war bis 2007 Mitglied im Freidenkerbund
, bzw. nach dem Konflikt 2006/2007 zwischen der oö Landesorganisation und der damaligen neuen Freidenker-Führung, Mitglied des oö Nachfolgevereins. Als die Trennung der beiden Organisationen erfolgte, hatte sich Gesinnungsfreundin Prammer per Email für die Zugehörigkeit zur neuen oö Organisation ausgesprochen. Da der Freidenkerbund in Wien davon ausging, die Mitglieder in OÖ wären weiterhin auch Mitglieder in Wien, wurde Barbara Prammer, die inzwischen Nationalratspräsidentin war, auch dort weiter als Mitglied geführt und ungeschickterweise deckte ein Wiener Funktionär ihre Undercover-Mitgliedschaft bei einer Versammlung auf. Barbara Prammer erfuhr davon und trat aus.

Das ist nun schon einige Jahre her, ich habe mit ihr bei den Befreiungsfeiern in Mauthausen zweimal ein paar Sätze über ihre Freidenkerzeiten gewechselt, sie hat darauf jeweils recht freundlich reagiert (anbei ein dabei gemachtes Foto). Dass sie ihre Gesinnung nicht geändert hat, zeigte beispielsweise auch ihr Eingreifen im Februar 2013 als die von Kardinal Schönborn eingerichtete kirchliche Klasnic-Kommission im Parlament ein Symposium zu den Missbrauchsfällen ohne Teilnahme von kritischen Betroffenen abhalten wollte: Nationalratspräsidentin Prammer warf die Klasnic-Kommission mit deutlichen Worten hinaus.

Jedenfalls ist es für Österreich eine Schande, dass Politiker es immer noch nicht so recht wagen können, sich zu ihrer Freiheit von Religion zu bekennen, auch aus anderen Parteien in OÖ gibt es weitere ähnliche Beispiele. Dort folgte allerdings der Abgang jeweils schon bevor höhere Positionen erreicht wurden oder zumindest gleichzeitig damit. Weil die Anwendung des Artikels 14 des Staatsgrundgesetzes über die Religionsfreiheit ist in Österreich offenbar in der Variante, öffentlich keiner Religion anzugehören, aber einer religionskritischen Organisation, für Politiker immer noch nicht möglich. Diese sehen sich im katholischen Österreich genötigt, zu heucheln und den Mund halten, weil die Lemuren des Klerikalfaschismus immer noch durch den Staat geistern. Der letzte Erfolg dieses Lemurengeistes war im Juni 2014 die Absetzung des als Atheisten öffentlich zu bekannt gewordenen Niko Alm als Religionssprecher der Parlamentsfraktion der "Neos" durch den Neos-Chef Strolz, passenderweise geschah die kniefällige Verlautbarung dieser Unterwerfungsgeste am Rande eines Strolz-Auftrittes beim Cartellverband.

Liebe Gesinnungsfreundin Barbara Prammer, wir waren stolz darauf, dass Du zu unserer Gemeinschaft gehört hast und nicht davongelaufen bist als Du in hohe staatliche Ämter aufstiegst. Als deine vereinbarte stille Mitgliedschaft durch einen übereifrigen Funktionär ausgeplaudert wurde, hast Du zum Schutze Deiner Partei vor klerikaler Hetze mit Deinem Austritt reagiert. Du bist nicht mehr, wir können und werden Dich nun in Dankbarkeit und Respekt in Erinnerung behalten.

Erwin Peterseil, seinerzeit Mitglied des oö Landesvorstandes des Freidenkerbundes.

PS: wie der klerikale Hetzgeist auch heute blüht, kann auf der Site katholisches.info seit 4.8. im dortigen "Nachruf" gegen Prammer nachgelesen werden. Am 8.8. tauchte eine ähnlicher Anti-Prammer-"Nachruf" auch bei kath.net auf. Dieser Ungeist muss überwunden werden, zumindest in dem Sinn, ihn nicht mehr zu fürchten!