"Raum der Stille"

So heißt eine neue Einrichtung der katholischen Kirche in Wien.

Dort wo früher der Wiener Südbahnhof war, wurden nun die Gebäude des neuen Wiener Hauptbahnhofs fertiggestellt, am 10.10.2014 war die Eröffnung. Bis alle Züge aus überall in diesen Bahnhof einlaufen, wird es aber noch einige Zeit dauern.
Hier ein Screenshot vom ZiB-Bericht über die Eröffnung:


Keine Erwähnung fand in diesem Bericht die neue katholische Kleinkirche am Bahnhof, hier das Abbild von der dazu veröffentlichten Broschüre:


In dieser Broschüre wird aufgezählt, dass täglich 120 000 bis 150 000 Personen den neuen Bahnhof benützen werden, sich dort zu den fünf Plattformen bewegen und in den knapp 100 Geschäften einkaufen werden. Darum habe die katholische Kirche einen Raum angemietet, ihn als Kapelle ausgebaut "Raum der Stille" benannt, er soll einen Platz und eine Chance zum Innehalten bieten.

Offensichtlich glaubt man tatsächlich, statt in leeren Kirchen vergebens auf gläubige Katholiken zu warten, könne man mit einer Kapelle den Leuten dorthin nachlaufen, wo sie zwangsläufig oder absichtlich in großen Mengen auftreten.

Aber echte Volksmassen erwartet man offensichtlich ohnehin nicht, der Kapelleninnenraum bietet nur 35 Sitzplätze an. Der Broschüre ist nicht zu entnehmen, wie weit die Kapelle in der Öffnungszeit von 7 bis 20 Uhr durchgehend durch Personal betreut wird, es werden in der Broschüre nur einzelne Tagestermine angekündigt, für den 13.10 z.B.: "12 h Angelus-Gebet und Gebet für die Familiensynode - Weihbischof Scharl".

Aber was fällt unsereinem zu obiger Abbildung ein? Seit schon längerer Zeit sind die öffentlichen Bahnhofstoiletten nur gegen Gebühr benutzbar. Da schleicht sich bei Menschen, die in der realen Welt leben, sofort die Idee ein, dass sparsame Männer hinter die Ummantelung des Kapellenraumes verschwinden könnten, um dort 50 Cent zu sparen. Man könnte sich vorstellen, dass es öfter passieren würde, dass jemand dort eine Notdurft als eine Andacht verrichtet. Aus Vorsichtsgründen bliebe dabei die Stille ja sogar besonders gewahrt und auch der Name passte bestens dazu, schließlich heißt sowas sonst ja "das stille Örtchen"...

PS: da am obigen Bild die Ecken nicht einsehbar sind, die zu Nebenräumen führen sollen, ist der obige Absatz keine Prophezeiung, sondern eine Assoziation zum Bild. Denn am Linzer Hauptbahnhof gibt es in der Parkgarage neben der Bahnhofshalle ganz ohne Kapelle auch solche blinde Winkel und diese sollte man in Sandalen vorsichthalber nicht zu queren versuchen...