Das einleitende Wort in diesem Jahresrückblick – ein angebliches Zitat des
Vaters der indischen Nation – entnehmen wir, ausnahmsweise, einer Email, die
uns infolge eines Artikels
Gernot Bauers zur Initiative ("Non-Prophet-Organisation", "profil" 48/2014, S.
30-31), erreichte. Schmeichelhaft war der Bericht keineswegs; die zahlreichen
und fast ausschließlich (dem Artikel gegenüber) kritischen Kommentare und
Rückmeldungen hingegen überwältigend. Ungeachtet der Frage, ob die Initiative
tatsächlich als "antireligiöse Sekte" (Zitat Bauer) zu betrachten ist, steht
eines fest: wir werden schon lange nicht mehr ignoriert. Vom Ziel, nämlich einer
weltanschaulichen Gleichbehandlung sämtlicher Bürger der Republik, sind wir aber
auch noch weit entfernt.
Ein Paradebeispiel für die hierzulande ja fast selbstverständliche religiös
motivierte Bevormundung aller Menschen lieferte uns abermals die Diskussion um
die Sterbehilfe. Während in einigen Staaten mit einer
erstklassigen medizinischen Versorgung und soliden rechtsstaatlichen Strukturen
ein selbstbestimmter Tod gesetzlich toleriert oder gar geregelt ist, und in
zahlreichen weiteren Staaten eine rege Sterbehilfedebatte tobt, sollte in
Österreich, auf Geheiß der katholischen Kirche, die restriktive gesetzliche Lage
einer künftigen Überarbeitung entzogen werden.
Die im Regierungsprogramm Ende
2013 vorgeschlagene Verfassungsmanipulation und die zu diesem Zweck
einzusetzende parlamentarische Enquete-Kommission "Würde am Ende des Lebens"
stellten eine demokratiepolitische Zumutung dar, gegen die wir 2014, als einzige
wahrnehmbare politische Kraft in Österreich, Widerstand leisteten. Mit der
Veröffentlichung eines prominent unterstützten Positionspapiers
konnte erstmals eine liberale Gegenthese in den Sterbehilfediskurs eingebracht
werden. Die parallel vorgenommene Gründung von "Letzte Hilfe – Verein für ein
selbstbestimmtes Sterben" wurde zwar, wie erwartet, behördlich <link untersagt,
das damit losgetretene juristische Verfahren war und bleibt
aber bestens dazu geeignet, die verfassungsrechtliche Konformität eines
generellen Sterbehilfeverbots infrage zu stellen.
Vor dem Hintergrund der
allgemeinen Diskussionsblockade im Inland freuen wir uns besonders auf die
Kooperation, die wir mit ausländischen Organisationen aufbauen konnten. Diese
gilt es im kommenden Jahr weiter auszubauen. Wie sich kürzlich herausstellte,
wird die Enquete-Kommission eine ergebnisoffene Behandlung des Themenkomplexes
Sterbehilfe gänzlich meiden. Um die religiöse Bevormundung auch am Lebensende zu
bekämpfen werden wir daher demnächst weitere Aktionen setzen und darüber laufend
informieren.
Mit religiöser Bevormundung hatten wir heuer aber, wie jedes Jahr, auch in
der Schule zu kämpfen. Eines der hässlichsten Beispiele für das
Zusammenspiel Religion-Politik-Boulevard kam – wenig überraschend – aus
Niederösterreich: eine überfromme Schuldirektorin missbrauchte den
Musikunterricht systematisch, um die katholischen Kinder in ihrer Volksschule
auf die bevorstehende Erstkommunion vorzubereiten.
Nichtkatholische Kinder hatten sich still zu verhalten und anderwärtig zu
beschäftigen. Für die Vorbereitung auf kirchliche Feiern war aber der
Religionsunterricht offensichtlich zu schade und eine außerschulische
Veranstaltung, wie selbst von der Rechtsabteilung des Landesschulrates
gefordert, zu unbequem. Nach einer Intervention
der Initiative nahm die Geschichte ihren mittlerweile allgemein bekannten Lauf:
ein führender Beamter wurde zwangsversetzt, das fromme
Treiben mit höchstpersönlicher "Garantie" des Landeshauptmannes wieder
eingeführt und die Landesschulratsspitze wegen Amtsmissbrauchs angezeigt. Es wäre aber nicht
Österreich, wenn eine beim Landesverwaltungsgericht gegen die Schule
eingebrachte Massnahmenbeschwerde
nicht kurzer Hand als unzulässig zurückgewiesen
und sämtliche strafrechtlichen Bedenken mit abenteuerlichen Argumenten beseitigt
worden wären. Dieser Fall wird uns daher auch 2015 beschäftigen – aber auch
weitere, die demnächst spruchreif werden sollten!
Aber auch anhand weiterer zahlreicher Fälle konnte im vergangenen Jahr
demonstriert werden, dass "Laizismus" in Österreich weitgehend als Fremdwort
gilt. Rechtzeitig zur Adventzeit billigte
beispielsweise der Österreichische Verfassungsgerichtshof die
steuerliche Bevorzugung von besserverdienenden Christen. Es
versteht sich von selbst, dass Initiative-Sprecher Eytan Reif, der den
ursprünglichen Individualantrag eingebracht hat, 2015 gegen dieses Urteil beim
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Beschwerde einbringen wird. Mit der
Vorlage eines umstrittenen Islamgesetz-Entwurfs zeigte aber
auch die Regierung, was sie von der Trennung von Staat und Religion hält. Dem
demokratischen Prozess und einem konstruktiven Ansatz verpflichtet, brachten wir
eine Begutachtung
dieses undemokratischen Gesetzesentwurfs ein. Anders als die meisten Kritiker
konnten wir aber nicht nur diskriminierende Inhalte des Gesetzesentwurfs sondern
auch die darin verkörperte flächendeckende Legalisierung der rituellen Genitalverstümmelung von
Buben medienwirksam thematisieren. Wie schnell es mit der Rechtsstaatlichkeit
hierzulande vorbei ist, wenn Religion im Spiel ist, veranschaulichte aber auch
eine mehr als fragwürdige Stellungnahme des Unterrichtsministeriums zum
immerwährenden Streit um Schulkreuze. Infolge eines von der
Initiative bereits im Vorjahr angestrebten Verfahrens gab die Republik bekannt,
wie man Christen zu zählen
hat, damit die gesetzliche Pflicht, Schulkreuze anzubringen, am ehesten auslöst
wird. Dass Schulkreuze meistens auch dann hängen (müssen), wenn eine christliche
Mehrheit mit allen Zähltricks nicht festgestellt werden kann, wurde von allen
Diskussionsteilnehmern freilich ignoriert.
Sämtliche weitere mehr oder weniger medienwirksame Meldungen der Initiative
zu Fragen der Trennung von Staat und Religion in Österreich werden wir hier
natürlich nicht Revue passieren lassen. Interessierte laden wir ein, sich über
unsere News-Seite
zu wichtigen Ereignissen zu informieren, oder über unsere Facebook-Seite,
die von mittlerweile über 3000 Fans verfolgt wird, ihren Austausch mit uns zu
intensivieren.
Abschließend dürfen wir uns, wie jedes Jahr, bei allen, die über ihre Geld-
oder Sachspende, ihre ehrenamtliche Mitarbeit, ihren Rat oder die
Mitfinanzierung von Gerichtsverfahren unsere Tätigkeit unterstützt haben,
herzlich bedanken!
Ein erfolgreiches neues Jahr wünschen
Heinz Oberhummer
Michael Franz
Eytan Reif
PS: Rechtsanwaltsleistungen und Gerichtsverfahren, Presseaussendungen und
-konferenzen, Veranstaltungen und selbst unsere Webpräsenz: alles hat seinen
Preis. Anders als die Kirchen und Religionsgesellschaften Österreichs erhält die
"Initiative Religion ist Privatsache" von der öffentlichen Hand jedoch KEINEN
CENT. Unsere parteipolitische Unabhängigkeit, die nach wie vor außer Diskussion
steht, lässt weitere Finanzierungsmöglichkeiten ausscheiden. Die Aktivität der
Initiative ist daher auch von deiner Spende
abhängig!