Besonderer Teil des Strafgesetzbuches - Streichung des § 166 Strafgesetzbuch (Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen) vom 08.01.2015
Text der Petition
Der Deutsche Bundestag möge beschließen,
dass die Strafvorschrift über Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgemeinschaften
und Weltanschauungsvereinigungen ersatzlos gestrichen wird.
Begründung
Nach § 166 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis
zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer öffentlich oder durch
Verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen
Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen
Frieden zu stören. In der Praxis hat dieser Paragraph zu einer völligen
Verkehrung des Täter-Opfer-Verhältnisses geführt, in deren Folge
namhafte Künstler wie Kurt Tucholsky oder George Grosz gemaßregelt
wurden. Dabei wurde der öffentliche Friede niemals durch kritische Kunst
bedroht, sondern durch religiöse oder politische Fanatiker, die nicht in
der Lage waren, die künstlerische Infragestellung ihrer Weltanschauung
rational zu verarbeiten.
Während aufgeklärte Gläubige keine
Probleme mit satirischer Kunst haben und somit einen besonderen Glaubensschutz
gar nicht benötigen, berufen sich religiöse Fundamentalisten seit
Jahrzehnten immer wieder auf § 166 StGB, um die Meinungs-, Presse- und
Kunstfreiheit einzuschränken. Die hier zum Vorschein kommende Kritikunfähigkeit
sollte vom Gesetzgeber nicht zusätzlich befördert werden. Borniertheit,
Intoleranz und Humorlosigkeit sind keine Rechtsgüter, die unter Schutz
gestellt werden sollten. Vielmehr sollte der Staat den Freiraum für kritische
und vor allem satirische Kunst erweitern und Künstlerinnen und Künstler
in ihrer wichtigen kulturellen Aufgabe bestärken, althergebrachte Sichtweisen
gegen den Strich zu bürsten.
Mit der Streichung von § 166 StGB
käme der deutsche Staat auch einer wichtigen Forderung des UN-Menschenrechtskomitees
nach. Dieses erklärte nämlich 2011, dass "Verbote von Darstellungen
mangelnden Respekts vor einer Religion oder anderen Glaubenssystemen, einschließlich
Blasphemiegesetzen, mit dem Vertrag [gemeint ist der "Internationale Pakt
über bürgerliche und politische Rechte", ICCPR] inkompatibel"
seien [Human Rights Committee: General comment No. 34, CCPR/C/GC/34, §48].
Nicht
zuletzt wäre die überfällige Abschaffung des "mittelalterlichen
Diktaturparagraphen" (Kurt Tucholsky) auch eine angemessene rechtsstaatliche
Reaktion auf die Einschüchterungsversuche militanter Islamisten ("Karikaturenstreit"
von 2006, Attentat auf das französische Satiremagazin "Charlie Hebdo"
vom Januar 2015). Denn mit einer ersatzlosen Streichung von § 166 StGB
würde der Gesetzgeber unmissverständlich klarstellen, dass der Freiheit
der Kunst in einer modernen offenen Gesellschaft höheres Gewicht beizumessen
ist als den "verletzten Gefühlen" religiöser Fundamentalisten.