Schon seit einiger Zeit ist in der islamischen Welt wie auch unter den
in Europa lebenden Muslimen ein beunruhigender Anstieg von Antisemitismus und
Hass auf die Juden feststellbar. Der Migrationsforscher Ruud Koopmans führte
2013 in sechs europäischen Staaten Untersuchungen durch, die ergaben, dass
zwar auch unter den befragten Christen neun Prozent antisemitische Ressentiments
artikulierten, aber unter den Muslimen waren es gleich fünfmal mehr.
Heuer
sind es 70 Jahre, dass das NS-Regime kollabierte. Das sollte zum Anlass genommen
werden, gemeinsam gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aufzutreten und zu
verhindern, dass Angehörige betroffener Menschengruppen selbst zu rassistischen
Akteuren werden. Auch in Österreich sollten Initiativen gesetzt werden,
die das friedliche und solidarische Zusammenleben der Religionen ermöglichen
und fördern.
Im Koran wird ja auch aus jüdischen und christlichen
religiösen Schriften zitiert. Alle drei Religionen berufen sich auf
Abraham und sollten sich deshalb auch entsprechend respektieren. Sie sollten
für die Beendigung gegenwärtiger Konflikte eintreten und vergangene
Konflikte, die wiederholt ihren Niederschlag in religiösen Schriften gefunden
haben, nicht wieder neu aufwärmen.
Muslime werden in ihren Herkunftsländern leider zu Antisemiten erzogen.
Mit der Migration in nicht muslimische, europäische Gesellschaften ändert
sich diese feindselige Einstellung gegenüber den Juden nicht, aus diesen
Gründen ist der Anteil von Antisemiten unter den Muslimen überproportional
hoch. Ähnlich feindselige Einstellungen gibt es auch gegenüber Christen
und Vertretern anderer Religionsgemeinschaften, aber auch gegenüber den
liberalen Muslimen sowie säkular eingestellten Menschen.
In meiner
Heimat, dem Irak, gab es in früheren Zeiten durchaus Freundschaften zwischen
Arabern und Juden, die oft als erfolgreiche Ärzte, Intellektuelle, Journalisten
und Künstler geschätzt wurden. Als nach der Staatsgründung Israels
1948 Juden, die mit unserer Familie befreundet waren, auswanderten, sagten mein
Vater und mein Großvater oft, dass sie ihre jüdischen Freunde vermissen
würden.
Der Nahost-Konflikt stärkte die radikalen Islamisten und ihre Organisationen
– und damit auch den Antisemitismus. Fatal war und ist die milliardenschwere
Unterstützung, die die religiösen Fanatiker aus Saudiarabien, Katar
und anderer Ölstaaten erhalten: Sie finanzieren damit den Terrorismus mit,
der heute für Europa und inzwischen auch für sie selbst zur Bedrohung
wird. Aber kein islamisches Land, keine islamische Organisation hat bis heute
öffentlich dem Antisemitismus abgeschworen.
Eine Integration der
Muslime in Europa ist nur möglich, wenn sie sich vom Ballast ihrer Vorurteile
lösen und den Islam reformieren: Die heiligen Schriften müssen einer
zeitgemäßen Interpretation unterzogen und dürfen nicht als sakrosankt
betrachtet werden.
70 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz sollten
die Muslime mit einem Holocaust-Gedenkjahr versuchen, sich vom Vorwurf reinzuwaschen,
nicht genug gegen den Antisemitismus zu tun. Wir brauchen eine breite und langfristige
Aufklärungskampagne gegen den Antisemitismus unter den Muslimen, auch in
Österreich.
Freilich, solange hier und in Europa nur die politisch
organisierten Islamisten und ihre oft radikalen Organisationen unterstützt
werden, wird die Integration von Muslimen scheitern und die Gefahr der Terrorismus
wachsen.
Amer Albayati (*1942 in Bagdad) ist Journalist und Islamexperte, Präsident der Initiative Liberaler Muslime Österreich (ILMÖ).