Katholische Liturgiereform als Messbesuchervertreibung

Die Ansicht äußerte am 10.3.2015 das strengkatholische gloria.tv,
es heißt dort:

Keine Probleme mit der Neuen Messe?
Vatikan. Dem Papst sei die nachkonziliare Liturgiereform sehr wichtig. Das sagte Kardinal Walter Kasper vor „Radio Vatikan“. Franziskus habe erst kürzlich vor dem römischen Klerus betont, dass die landessprachliche Messe die normale Liturgieform sei. Laut Kasper wollten die Menschen die Neue Messe. Nur wenige suchten den überlieferten Ritus.
Die Wirklichkeit ist anders
Deutschland. Gestern stellte ein Facebook-User die offiziellen Zahlen der deutschen Bischofskonferenz zum Messbesuch in Deutschland grafisch dar. Bis zur Liturgiereform blieb die Teilnahme an der lateinischen Messe auf knapp 12 Millionen konstant. Seit der Einführung der deutschen Liturgie befindet sich der Messbesuch im freien Fall.

Und man illustriert diese Entwicklung mit dem Facebook-Bild:


Der Beginn des Dahinschmelzens der Zahl der Messbesucher lag also laut Abbildung zwischen 1965 und 1970. Da war ja doch noch irgendwas anderes, nicht nur die neue Liturgie? Hat es damals nicht diese 1968er-Zeit gegeben, wo auch in katholischen Gegenden die seinerzeit von der katholischen Kirche so sehr verteufelte "Moderne" zur Selbstverständlichkeit werden begann?

Aber die obige Graphik schaut überdies ganz anders aus, wenn man auch die Zahlen der Katholiken mit einrechnet und die Messbesucher in Mitgliederprozenten angibt:


Die Kurve nach unten wird bei den Messbesuchern dadurch deutlich flacher
, bei den Kirchenmitgliedern ersetzte der Rückgang den Anstieg erst in den 1990er-Jahren (in der Nachkriegszeit hatte man noch einen deutlichen Geburtenüberschuss und 1990 erbte man einige hunderttausend DDR-Katholiken). Der Prozentsatz der Messteilnehmer fällt allerdings schon in den 1950er-Jahren und verstärkt sich dann in der neuen 1968er-Aufbruchszeit und in den 1970er-Jahren. Die von der katholischen Kirche selbst gezählte Zahl der Messbesucher ist allerdings objektiv nicht nachprüfbar, weniger Messbesucher wurden es auf alle Fälle.

Dass die 2007 von Papst Ratzinger wieder zugelassene alte lateinische Messe auf geringes Interesse stößt, wird niemandem überraschen. In einem Internettext war die folgende Stellungnahme zur alten Messe zu finden, in einem FAZ-Artikel hatte ein auf der Fundsite namentlich nicht genannter Autor den Priester als das Entscheidende beschrieben und die Form der Messe als nebensächlich:
"Hinter dem Rücken des Priesters aber hing zu den alten Zeiten genauso oft eine grausam gelangweilte, unergriffene, unberührte, vom Formelkram nur umspülte Gemeinde herum - wie vor dem Antlitz des Priesters heute eine gelangweilte, unergriffene, unberührte, vom Beliebigkeitskram umspülte Gemeinde. Es liegt nicht an der Vorder- oder Hinterrückskonstellation, in der ein Priester agiert. Auch nicht an der Sprache, in der er spricht. Latein garantiert so wenig Würde und Weihe, wie das Deutsche Würde und Weihe ausschließt."

Ja, es ist eben so: Liturgiereform vertrieb die Messbesucher nicht, die christliche Lehre vertreibt heutzutage die Leute, nicht die Messform oder die Sprache. Die katholische Kirche hat seinerzeit schon gewusst, warum sie bis weit ins 20. Jahrhundert den "Modernismus" der heutigen Zeit so derartig scharf abgelehnt hat. Man wusste, die modernde Zeit braucht eine im Altertum entstandene und im Mittelalter hochblühende Religion immer weniger. Und dagegen kann man gar nichts mehr machen...