Neue katholische Verhütungsmoral?

Tut sich doch was in der katholischen Kirche?

In Österreich haben am 20.3.2015 die Katholischen Verbände eine Aussendung getätigt, die katholische Sexualmoral sollte neu diskutiert werden. Der Präsident der Arbeitsgemeinschaft katholischer Verbände, der Ex-ÖVP-Politiker Helmut Kukacka, tritt für eine "klare Trennung von Empfängnisverhütung und lebensbeendenden Mitteln und Methoden" ein.

Konkret heißt es in der Aussendung lt. kathpress u.a.:
"(..) 'Die AKV sieht die rigorose Beschränkung der Sexualität auf die strenge Haltung von Humanae Vitae nach mehr als 50 Jahren Erfahrung als problematisch und nicht mehr zeitgemäß an', so AKV-Präsident Helmut Kukacka (..). Er berief sich dabei auf eine Resolution, die die AKV-Generalversammlung am 18. März einstimmig beschlossen hatte.
Wie Kukacka feststellte, mache die medizinische Entwicklung und die veränderte Einstellung der Gesellschaft, aber auch der Gläubigen, eine Präzisierung erforderlich. Denn die von der Kirche empfohlenen sogenannten 'natürlichen Methoden' der Verhütung würden heute nur noch wenig berücksichtigt und verstanden.
Die AKV trete nachdrücklich dafür ein, sehr viel klarer zwischen jenen Methoden und Mitteln zu unterscheiden, die eine Empfängnis verhindern (z.B. Antibabypille) und jenen, die zur Beendigung bereits empfangenen Lebens führen. Hier seien besonders die verschiedenen Versionen der sogenannten 'Pille danach' zu nennen. Kukacka: 'Wir lehnen daher alle lebensbeendenden Mittel und Methoden strikt ab, hingegen sollte eine vom geprüften Gewissen getragene Verwendung künstlicher Methoden oder medikamentöser Mittel zur Verhütung akzeptiert werden'.
Die AKV setzte sich für eine verantwortet Elternschaft ein, wonach die Eltern entsprechend der Familiensituation in ihrem Gewissen über Zeitpunkt und Anzahl der Kinder selbst entscheiden müssen. Grundsätzlich solle das eheliche Leben offen sein für Kinder, aber das müsse nicht für jeden sexuellen Akt gelten. (..)"

Das Bemerkenswerte zu dieser Aussendung ist, dass die Kurzfassung davon ebenfalls am 20.3. unkommentiert auf der Homepage von Radio Vatikan veröffentlicht wurde:
"Die Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände (AKV) spricht sich dafür aus, dass bei der Familiensynode im Oktober im Vatikan offen über Reformen der katholischen Sexualmoral diskutiert wird. Die medizinische Entwicklung und die veränderte Einstellung der Gesellschaft und der Gläubigen machten eine Präzisierung erforderlich. Die von der Kirche empfohlenen sogenannten natürlichen Methoden der Verhütung würden heute nur noch wenig berücksichtigt und verstanden. Die AKV trete dafür ein, sehr viel klarer zwischen jenen Methoden und Mitteln zu unterscheiden, die eine Empfängnis verhindern und jenen, die zur Beendigung bereits empfangenen Lebens führen. 'Wir lehnen daher alle lebensbeendenden Mittel und Methoden strikt ab, hingegen sollte eine vom geprüften Gewissen getragene Verwendung künstlicher Methoden oder medikamentöser Mittel zur Verhütung akzeptiert werden'."

Diese rasche vatikanische Reaktion kann man vermutlich als Zustimmung auslegen: Die seinerzeitige Enzyklika "Humanae Vitae" von Papst Paul VI., der sich dafür den Spitznamen "Pillen-Paul" einbrockte, war ja schon damals nicht nur dem Spott der säkularen Welt ausgesetzt gewesen, sondern auch dem Widerspruch in der Kirche. So hatten beispielsweise sowohl die österreichische als auch die deutsche Bischofskonferenz die Pillen-Paul-Verfügungen in Sachen Verhütung durch eigene Beschlüsse faktisch aufgehoben: sie stellten die Verwendung von Verhütelis dem Gewissen der Gläubigen anheim.

In der österreichischen Mariatroster Erklärung heißt es in Sachen der vom Papst gestatteten Verhütungsmethode nach Knaus-Ogino:
"Die Enzyklika nennt ausdrücklich als erlaubtes Mittel auch die Zeitwahl. Nach ihr findet die eheliche Begegnung nur an den unfruchtbaren Tagen statt. Das ist nicht sittenwidrig, weil hier nur eine biologische Anlage genützt wird, die der Schöpfer selbst in die Menschennatur gelegt hat. Freilich werden Einwände dagegen gemacht, dass die Methode unsicher und in der praktischen Verwendung recht beschwerlich und umständlich sei."

Im nachfolgenden Text der Erklärung wird zuerst über das Gewissen und über die rechte Bildung eines richtigen katholischen Gewissens herumgeredet, schließlich schlussfolgert man: "Da in der Enzyklika kein unfehlbares Glaubensurteil vorliegt, ist der Fall denkbar, dass jemand meint, das lehramtliche Urteil der Kirche nicht annehmen zu können. Auf diese Frage ist zu antworten: Wer auf diesem Gebiet fachkundig ist und durch ernste Prüfung, aber nicht durch affektive Übereilung zu dieser abweichenden Überzeugung gekommen ist, darf ihr zunächst folgen. Er verfehlt sich nicht, wenn er bereit ist, seine Untersuchung fortzusetzen und der Kirche im übrigen Ehrfurcht und Gehorsam entgegenzubringen. Klar bleibt jedoch, dass er in einem solchen Fall nicht berechtigt ist, mit dieser seiner Meinung unter seinen Glaubensbrüdern Verwirrung zu stiften."

Was konkret für die reale Katholikenwelt bedeutete: Fast alle Katholiken wurden zu Fachkundigen und weichen von der päpstliche Enzyklika "Humanae Vitae" seit ihrer Verkündigung im Jahre 1968 ab! Und schon im Jahre 2015 trauen sich solche fachkundigen Abweichler unter Glaubensbrüdern Verwirrung zu stiften und sogar Radio Vatikan stiftet dabei mit!

Sensationell wie schnell heute die katholische Kirche reagiert! Es sind seit der Humanae-Vitae-Verkündigung weniger als 50 Jahre vergangen und schon denkt man sogar im Vatikan über eine Änderung nach! Als Galileo Galilei 1633 zu lebenslangem Hausarrest verurteilt wurde, weil er die Erde ganz unbiblisch um die Sonne kreisen ließ, dauerte es bis 1979 bis der Vatikan den Fall prüfte und nach 13 Jahren Forschung ebenfalls unbiblisch, aber wissenschaftlich feststellte, dass die Sonne wirklich nicht um die Erde kreist und darum anno 1992 Galilei rehabilitierte: die Erde kreist seither auch im Vatikan um die Sonne. 359 Jahre gegen 47! Enorm wie sich eine Beschleunigung in der vatikanischen Erkenntnisbereitschaft abzeichnet!

Aber noch ist "Humanae Vitae" nicht aufgehoben oder wenigstens abgemildert, aber dass die Bischofsynode im Herbst 2015 dies tun könnte, hat steigende Wahrscheinlichkeit.
Was allerdings an der katholischen Wirklichkeit nicht viel ändern würde, zumindest in unseren Breiten hat sich ohnehin wohl nur eine verschwindende Minderheit von Katholiken jemals an das Verbot von Präservativ und Pille etc. gehalten.