Die islamischen Mordanschläge im Jänner 2015 auf die Redaktion
des französischen Satireblattes "Charlie Hebdo" waren der Grund,
einleitend heißt es darum im Artikel: "Ein Angriff auf die Grundfesten
der Demokratie, der unsere Gesellschaft tiefgreifend transformiert, und vielen
Fragen zu neuer Brisanz verhilft: Wie weit dürfen Presse- und Meinungsfreiheit
in politisch-religiös aufgeheizten Zeiten gehen? Wo sind die Grenzen? Sind
religiöse Überzeugungen schützenswert?"
Der französische
Botschafter Pascal Teixera da Silva stellte klar, obwohl die Meinungsfreiheit
seit 250 Jahren integraler Bestandteil der Gesellschaft Frankreichs ist, sei
durch das Attentat wieder ins Bewusstsein gedrungen, dass diese Errungenschaft
"unbedingt verteidigt werden muss".
Der Cartoonist Gerhard
Haderer hat mit dem berüchtigten österreichischen Blasphemie-§188
schon einschlägige Erfahrung, wie auf der Haderer-Wikipedia-Seite zu lesen
ist: "Sein 2002 erschienenes Buch Das Leben des Jesus löste heftige
Reaktionen insbesondere der katholischen Kirche aus. Der Salzburger Weihbischof
Andreas Laun forderte die Einhaltung des § 188 StGB".
Haderer äußerte darum, satirische Kunst habe die Pflicht, sich
zu heiklen Themen zu äußern! Er forderte die Abschaffung des "Blasphemieparagrafen",
denn: "Humor lässt sich nicht in ein Gesetz gießen."
Wie
dem Artikel zu entnehmen ist, kritisierte der Staatsrechtler Andreas Janko die
"Schwammigkeit" des Paragrafen, und skizzierte zwei Szenarien, wie
dem Problemfeld "freie Meinung versus religiöse Gefühle"
aus juristischer Sicht begegnet werden könnte: Man lässt der Presse-
und Meinungsfreiheit mehr Spielraum, riskiere aber, "dass die nächste
Redaktion weggebombt wird". Oder es kommt zu einer Einschränkung dieser
Freiheiten, wobei dies mit einer massiven Beschneidung der Bürgerrechte
einherginge.
Hier der österreichische § 188 des Strafgesetzbuches:
"Herabwürdigung religiöser Lehren - Wer öffentlich eine
Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden
Kirche oder Religionsgesellschaft bildet, oder eine Glaubenslehre, einen gesetzlich
zulässigen Brauch oder eine gesetzlich zulässige Einrichtung einer
solchen Kirche oder Religionsgesellschaft unter Umständen herabwürdigt
oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis
zu erregen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe
bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen."
Wie der §188
bei strikter Auslegung die freie Meinungsäußerung im Religionsbereich
tatsächlich praktisch völlig lahm legen könnte, wurde hier schon
einmal am Buch "Der Jesuswahn" dargestellt:
Auf
dem Cover eines Buches des gelernten protestantischen Theologen Heinz Werner
Kubitza ist zu lesen: "Der Jesuswahn - Wie die Christen sich ihren Gott
erschufen - Die Entzauberung einer Weltreligion durch die wissenschaftliche
Forschung". Bisher hat jedoch noch niemand deswegen eine Anzeige gegen
Kubitza erstattet. Dabei ist allein schon mit dem Buchcover zweifellos der Tatbestand
nach dem Paragraphen 188 erfüllt! Denn Jesus ist ganz sicherlich der "Gegenstand
der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche", es ist ganz sicherlich
"Glaubenslehre", dass er Gottessohn wäre und vom "Jesuswahn"
zu schreiben und zu schreiben, die Christen hätten sich den Jesus-Gott
selber erschaffen, würdigt ganz sicherlich die christliche Lehre herab
und verspottet ihren Inhalt, was geeignet ist, bei strenggläubigen Christen
"berechtigtes Ärgernis zu erregen".
Warum wurde kein Strafverfahren
gegen Werner Kubitza eingeleitet und warum wurde das Buch nicht verboten? Es
verstößt doch ganz klar und eindeutig gegen das Gesetz!
Die
Forderung, diesen Paragraphen ersatzlos auf den Müllhaufen der Geschichte
der katholischen Diktaturen zu entsorgen, braucht eigentlich gar nimmer begründet
werden, religiöse Anschauungen werden gegenüber säkularen
Ansichten grundlos privilegiert! Ein Atheist kann nicht wegen Verletzung
atheistischer Gefühle klagen, warum sind religiöse Gefühle was
Besseres, Höheres, Heiliges? Das widerspricht eindeutig dem Artikel 2
des Staatsgrundgesetzes von 1867: "Vor dem Gesetze sind alle Staatsbürger gleich."
Angewendet wird das Gesetz allerdings praktisch nur noch im Bereich von Religionen wie
dem Islam oder Buddhismus
- dort sind die religiösen Gefühle fundamentaler und darum wohl vor
Gericht echt was Heiliges. Was wiederum gegen Artikel 2 verstößt!
Über die Meinung des Chefredakteurs der OÖN wird in seinem Blatt
so berichtet: "... sagte OÖN-Chefredakteur Gerald Mandlbauer, dass
Pressefreiheit 'nicht heißt, dass man alles darf'. Als Journalist müsse
man sich seiner Verantwortung bewusst sein, und entsprechende gesellschaftlichen
Sensoren besitzen. Gleichzeitig sei es wichtig, die Leser zu fordern und pointierte
Reizpunkte in der Berichterstattung zu setzen."
Leserbriefschreiber wissen es, an die OÖN irgendwas Religionskritisches
zu schreiben, fällt unter den Mandlbauer-Gesichtspunkt, Pressefreiheit
heißt nicht, dass man alles darf. Die Gefühle religiöser Fundamentalisten
sind den Zensoren, äh, Sensoren des Herrn Mandlbauer und seiner Zeitung heilig, heilig, heilig, da gibt's
keine freien Meinungen, da wird der §188 vorbeugend angewandt!