Freiwillige Selbstzensur...

...für eine solche setzte sich offensichtlich der Chefredakteur der OÖNachrichten, Gerald Mandlbauer, ein. Am 16.4. wurde in den OÖN über einen Diskussionsabend am 14.4.2015 unter dem Titel "Humor lässt sich nicht in Gesetz gießen" berichtet.

Die islamischen Mordanschläge im Jänner 2015 auf die Redaktion des französischen Satireblattes "Charlie Hebdo" waren der Grund, einleitend heißt es darum im Artikel: "Ein Angriff auf die Grundfesten der Demokratie, der unsere Gesellschaft tiefgreifend transformiert, und vielen Fragen zu neuer Brisanz verhilft: Wie weit dürfen Presse- und Meinungsfreiheit in politisch-religiös aufgeheizten Zeiten gehen? Wo sind die Grenzen? Sind religiöse Überzeugungen schützenswert?"

Der französische Botschafter Pascal Teixera da Silva stellte klar, obwohl die Meinungsfreiheit seit 250 Jahren integraler Bestandteil der Gesellschaft Frankreichs ist, sei durch das Attentat wieder ins Bewusstsein gedrungen, dass diese Errungenschaft "unbedingt verteidigt werden muss".

Der Cartoonist Gerhard Haderer hat mit dem berüchtigten österreichischen Blasphemie-§188 schon einschlägige Erfahrung, wie auf der Haderer-Wikipedia-Seite zu lesen ist: "Sein 2002 erschienenes Buch Das Leben des Jesus löste heftige Reaktionen insbesondere der katholischen Kirche aus. Der Salzburger Weihbischof Andreas Laun forderte die Einhaltung des § 188 StGB".

Haderer äußerte darum, satirische Kunst habe die Pflicht, sich zu heiklen Themen zu äußern! Er forderte die Abschaffung des "Blasphemieparagrafen", denn: "Humor lässt sich nicht in ein Gesetz gießen."

Wie dem Artikel zu entnehmen ist, kritisierte der Staatsrechtler Andreas Janko die "Schwammigkeit" des Paragrafen, und skizzierte zwei Szenarien, wie dem Problemfeld "freie Meinung versus religiöse Gefühle" aus juristischer Sicht begegnet werden könnte: Man lässt der Presse- und Meinungsfreiheit mehr Spielraum, riskiere aber, "dass die nächste Redaktion weggebombt wird". Oder es kommt zu einer Einschränkung dieser Freiheiten, wobei dies mit einer massiven Beschneidung der Bürgerrechte einherginge.

Hier der österreichische § 188 des Strafgesetzbuches: "Herabwürdigung religiöser Lehren - Wer öffentlich eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft bildet, oder eine Glaubenslehre, einen gesetzlich zulässigen Brauch oder eine gesetzlich zulässige Einrichtung einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft unter Umständen herabwürdigt oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen."

Wie der §188 bei strikter Auslegung die freie Meinungsäußerung im Religionsbereich tatsächlich praktisch völlig lahm legen könnte, wurde hier schon einmal am Buch "Der Jesuswahn" dargestellt:
Auf dem Cover eines Buches des gelernten protestantischen Theologen Heinz Werner Kubitza ist zu lesen: "Der Jesuswahn - Wie die Christen sich ihren Gott erschufen - Die Entzauberung einer Weltreligion durch die wissenschaftliche Forschung". Bisher hat jedoch noch niemand deswegen eine Anzeige gegen Kubitza erstattet. Dabei ist allein schon mit dem Buchcover zweifellos der Tatbestand nach dem Paragraphen 188 erfüllt! Denn Jesus ist ganz sicherlich der "Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche", es ist ganz sicherlich "Glaubenslehre", dass er Gottessohn wäre und vom "Jesuswahn" zu schreiben und zu schreiben, die Christen hätten sich den Jesus-Gott selber erschaffen, würdigt ganz sicherlich die christliche Lehre herab und verspottet ihren Inhalt, was geeignet ist, bei strenggläubigen Christen "berechtigtes Ärgernis zu erregen".
Warum wurde kein Strafverfahren gegen Werner Kubitza eingeleitet und warum wurde das Buch nicht verboten? Es verstößt doch ganz klar und eindeutig gegen das Gesetz!

Die Forderung, diesen Paragraphen ersatzlos auf den Müllhaufen der Geschichte der katholischen Diktaturen zu entsorgen, braucht eigentlich gar nimmer begründet werden
, religiöse Anschauungen werden gegenüber säkularen Ansichten grundlos privilegiert! Ein Atheist kann nicht wegen Verletzung atheistischer Gefühle klagen, warum sind religiöse Gefühle was Besseres, Höheres, Heiliges? Das widerspricht eindeutig dem Artikel 2 des Staatsgrundgesetzes von 1867: "Vor dem Gesetze sind alle Staatsbürger gleich." Angewendet wird das Gesetz allerdings praktisch nur noch im Bereich von Religionen wie dem Islam oder Buddhismus - dort sind die religiösen Gefühle fundamentaler und darum wohl vor Gericht echt was Heiliges. Was wiederum gegen Artikel 2 verstößt!

Über die Meinung des Chefredakteurs der OÖN wird in seinem Blatt so berichtet: "... sagte OÖN-Chefredakteur Gerald Mandlbauer, dass Pressefreiheit 'nicht heißt, dass man alles darf'. Als Journalist müsse man sich seiner Verantwortung bewusst sein, und entsprechende gesellschaftlichen Sensoren besitzen. Gleichzeitig sei es wichtig, die Leser zu fordern und pointierte Reizpunkte in der Berichterstattung zu setzen."

Leserbriefschreiber wissen es, an die OÖN irgendwas Religionskritisches zu schreiben, fällt unter den Mandlbauer-Gesichtspunkt, Pressefreiheit heißt nicht, dass man alles darf. Die Gefühle religiöser Fundamentalisten sind den Zensoren, äh, Sensoren des Herrn Mandlbauer und seiner Zeitung heilig, heilig, heilig, da gibt's keine freien Meinungen, da wird der §188 vorbeugend angewandt!