Jesus trennt Religion und Politik

Was der liebe Jesus alles für die Menschheit geleistet hat, wird immer großartiger. Der Wiener Erzbischof und Kardinal Schönborn hat zum 70. Jahrestag der Gründung der ÖVP diese wunderbare Entdeckung gemacht. Hier dazu die APA-OTS (Austria-Presseagentur - Originaltextservice) von der Katholischen Presseagentur (KAP) vom 17.4.2015 mit einigen Anmerkungen:

Schönborn: Unterscheidung von Religion und Politik wesentlich

Wien, 17.4.2015 (KAP) Mit einem Gottesdienst und einem Festakt im Wiener Schottenstift feierte die Österreichische Volkspartei (ÖVP) am Freitagvormittag ihr 70-jähriges Bestehen. Kardinal Christoph Schönborn plädierte dabei in seiner Festpredigt vor den VP-Spitzen aus Bund und Ländern in der Schottenbasilika für eine klare Unterscheidung der Sphären Religion und Politik. Gleichzeitig rief er Politiker allgemein dazu auf, ihre Möglichkeiten zur Gestaltung des Landes zu nutzen und ihre politische Verantwortung wahrzunehmen.

Atheistische Anmerkung: Na sowas! Politiker sollen ihre Möglichkeiten nutzen! darauf wären sie selber nie gekommen! Die ÖVP nutzt ihre Möglichkeiten ohnehin exzessiv, sie richtet sich ganz klar nach der wichtigsten biblischen Botschaft für christliche Parteien: Matthäus 25, 29: "Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat". Sagen, dass die Möglichkeiten zur Gestaltung des Landes zu nutzen wären, hätte der Schönborn der SPÖ müssen, weil dass die was gestaltet im Lande fällt immer weniger auf. Welche politische Verantwortung die Politiker übernehmen sollten, sagt der Bischof leider nicht. Aber wenn sie es täten, wären Rücktritte wohl die Haupttat.

KAP: Auch Jesus habe sich der "Urversuchung zum politischen Messianismus" entzogen, erinnerte Schönborn. "Jeder Versuch einer politischen Religion oder einer religiösen Politik ist gefährlich. Religion soll Religion bleiben und Politik Politik", betonte der Wiener Erzbischof. Die Unterscheidung von Religion und Politik sei "das kostbare Ferment, das Jesus und das Christentum in die Welt gebracht haben". Dabei gehe es nicht um eine "feinsäuberliche Trennung", wohl aber um "ein klares Nein zur Vermischung", präzisierte der Kardinal.

Atheistische Anmerkung: Das wäre eine gute Idee, steht sogar schon in der Bibel: Markus 12, 17: "Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist und gebt Gott was Gottes ist". Aber die Hochblüte des Christentums entstand dadurch, dass die Kaiser dem Volk die christliche Religion aufzwangen, siehe Dreikaiseredikt, mit dem die römische Religionsfreiheit abgeschafft und die staatliche Christenpflicht eingeführt wurde:
"Cunctos populos" vom 28. Februar 380, verfasst in Thessaloniki von den römischen Kaisern Theodosius I., Gratian und Valentinian II.: "Alle Völker, über die wir ein mildes und maßvolles Regiment führen, sollen sich, so ist unser Wille, zu der Religion bekehren, die der göttliche Apostel Petrus den Römern überliefert hat, wie es der von ihm kundgemachte Glaube bis zum heutigen Tage dartut und zu dem sich der Pontifex Damasus klar bekennt wie auch Bischof Petrus von Alexandrien, ein Mann von apostolischer Heiligkeit; das bedeutet, dass wir gemäß apostolischer Weisung und evangelischer Lehre eine Gottheit des Vaters, Sohnes und Heiligen Geistes in gleicher Majestät und heiliger Dreifaltigkeit glauben. Nur diejenigen, die diesem Gesetz folgen, sollen, so gebieten wir, katholische Christen heißen dürfen; die übrigen, die wir für wahrhaft toll und wahnsinnig erklären, haben die Schande ketzerischer Lehre zu tragen. Auch dürfen ihre Versammlungsstätten nicht als Kirchen bezeichnet werden. Endlich soll sie vorab die göttliche Vergeltung, dann aber auch unsere Strafgerechtigkeit ereilen, die uns durch himmlisches Urteil übertragen worden ist."
Von diesem Diktat lebte die katholische Kirche bis zur Reformation, kehrte mit der Gegenreformation dorthin zurück und versuchte es im 20. Jahrhundert noch einmal mittels Klerikalfaschismus. Jetzt geht das endgültig nicht mehr, jetzt hat der Jesus mit dem Christentum die aufgeklärte Welt der Meinungs- und Religionsfreiheit erfunden, bzw. zumindest fermentiert, also quasi zum Gären gebracht.
Was durchaus stimmt: die europäische Aufklärung, der Widerstand gegen die klerikal-feudale Herrschaft beruhte eben darauf, dass tausend Jahre die katholische Kirche eine erbarmungslose Diktatur errichtet hatte! Aber so hat das der Herr Schönborn nicht gemeint, da es diese katholische Herrschaft höchstens in Überresten - z.B. in Niederösterreich und unter österreichischen Höchstrichtern - gibt, heuchelt er einen Frontenwechsel und sein Jesus wird zum Widerstandskämpfer gegen religiösen Despotismus. Die katholische Kirche lügt sich ja immer auf die Siegerseite.

KAP: (..) An dem Gottesdienst nahmen neben Bundesparteiobmann Vizekanzler Reinhold Mitterlehner VP-Spitzenpolitiker aus ganz Österreich teil. Explizit erwähnte Schönborn in seiner Predigt Außenminister Sebastian Kurz. Ihm dankte der Kardinal für dessen wiederholtes öffentliches Eintreten für verfolgte Christen, u.a. in einer Rede vor dem UN-Sicherheitsrat.
Die ÖVP war am 17. April 1945 in den Räumen des Schottenstifts gegründet worden. Kardinal Schönborn dankte den Parteiverantwortlichen zu Beginn des Gottesdienstes dafür, dass die Partei den "Mut" habe, ihr Jubiläum mit einer Messe zu begehen. Die Gründerfiguren der ÖVP seien nach dem "Horror des NS-Regimes" für "ein demokratisches Österreich, in dem christliche Werte, ein christlich-soziales Menschen- und Gesellschaftsbild prägend sind" eingetreten, erinnerte Schönborn. Sieben Jahrzehnte danach sei es "gut und richtig" für "Frieden, Eintracht und Wohlstand" in Österreich zu danken. Die Messe sei gerade angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage ein Zeichen dafür, "dass ein gesundes Verhältnis von Kirche und Staat, von Religion und Politik möglich ist".

Atheistische Anmerkung: Dass Funktionäre einer christlichen Partei mutig genug sind, um in die Kirche zu gehen, ist klarerweise auch wieder so eine typisch katholische Heuchelei. In Österreich ist die Religionsfreiheit verfassungsmäßig garantiert, ÖVP-Funktionäre riskieren daher nichts, wenn sie eine Messe besuchen. Aber das hat Schönborn wohl nicht gemeint: ihm dürfte klar sein, dass es heutzutage eher als seltsam erscheint, wenn man eine Messe besucht, weil es sogar zwischen 90 und 95% der katholischen Kirchenmitglieder nimmer tun. Aber Mut braucht man dafür nicht. Sogar ich als Atheist gehe regelmäßig fast jedes Jahr in die Kirche und nehme an einer Verabschiedung Verstorbener teil!
Dass 1945 die ÖVP für "ein demokratisches Österreich, in dem christliche Werte, ein christlich-soziales Menschen- und Gesellschaftsbild prägend sind" eingetreten sei, ist eine übliche katholische Geschichtsverkürzung. Der Herr Dollfuß, der 1933/34 das christliche Menschenbild zur großen Freude des Vatikan per klerikalfaschistischer Diktatur der Gesellschaft auferlegte, wird wieder einmal unbewältigt unter den Tisch gekehrt und die Demokratie wird zu einem christlichen Wert umgedreht. Da macht es nichts, dass in der Zeit des katholischen Antimodernismus Demokratie strikte abgelehnt worden war. Heute geht das nimmer und darum werden auch solche ehemals verfemte modernistische Sachen zu christlichen Werten.
Kardinal Schönborns Aussage, "jeder Versuch einer politischen Religion oder einer religiösen Politik ist gefährlich. Religion soll Religion bleiben und Politik Politik", bezog sich natürlich nicht auf die dunkle katholische Vergangenheit, sondern auf die gegenwärtige dunkle islamische Wirklichkeit, die er nicht namentlich zu erwähnen wagte. Er hatte nur den Mut, Außenminister Kurz für sein "wiederholtes öffentliches Eintreten für verfolgte Christen" zu danken. Wer die Christenverfolger sind, erwähnte er nicht. Aber so viel Mut ist natürlich von einem Kardinal sowieso nicht zu erwarten...