Die Gesetzentwürfe zur Suizidhilfe, die der Bundestag am 2.
Juli 2015 behandeln will, schränken das Recht auf Selbstbestimmung ein
und gehen am Willen der Mehrheitsbevölkerung vorbei. Der Humanistische
Verband wendet sich klar gegen ein Verbot organisierter Suizidhilfe.
Der Bundestag berät am 2.7.2015 in erster Lesung über eine
künftige Regulierung der Suizidhilfe. Keiner der bisher vorliegenden
Gesetzesentwürfe wird dem Willen der Bevölkerung in ausreichendem Maße
gerecht und kommt ohne Einschränkung bestehender Rechte aus. Darauf hat
der Vizepräsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD), Erwin
Kress, am Mittwoch in Berlin hingewiesen. "Drei Viertel der Bevölkerung
wollen am Ende ihres Lebens kompetente Hilfe finden können, falls sie
ihr Leben freiwillig beenden möchten. Die Politik reagiert darauf
vielfach mit staatlicher Regulierungswut. Selbstbestimmung und das Recht
auf freie Entscheidung werden von übereifrigem Lebensschutz und
aufgezwungener Fürsorge erdrückt", sagte Kress.
Der Entwurf (Drs. 18/5373) einer Gruppe um den Abgeordneten Michael
Brand (CDU) will jede organisierte Suizidhilfe mit Freiheitsentzug
bestrafen und nur eine Hilfe durch Angehörige und Nahestehende erlauben.
"Warum dilettantische Suizidhilfe durch nicht immer selbstlose
Angehörige besser sein soll als professionelle Hilfe, vermag dieser
Entwurf nicht zu erklären", kritisierte Erwin Kress hier. "Der Entwurf
geht so weit, dass sogar deutsche Helfer für eine Freitodbegleitung in
der Schweiz bestraft werden können. Kollateralschäden durch gewaltsame
und riskante Suizide werden billigend in Kauf genommen", so der
Vizepräsident des Humanistischen Verbandes weiter. Zudem werden mit
diesem Entwurf Palliativ- oder Hausärzte, die schwerkranken und
hochbetagten Patienten auf deren reiflich überlegten Wunsch hin Sterbe-
oder Suizidhilfe leisten, mit Gefängnisstrafe bedroht, wenn sie dies
mehr als einmal tun.
Dem Brand-Entwurf setzen Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen), Petra
Sitte (DIE LINKE) und andere einen Gesetzentwurf (Drs. 18/5375)
entgegen, der die Möglichkeiten zur Selbstbestimmung am Lebensende
verteidigen soll. Erwin Kress sagte dazu: "Den Grundgedanken, dass zur
Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechtes das Angebot einer
organisierten Suizidhilfe und -beratung bestehen muss, halten wir für
richtig. Wir sehen das ja auch in der Schweiz. Dort machen über 80.000
Mitglieder der Sterbehilfeorganisation EXIT deutlich, dass die Menschen
eine Wahlfreiheit am Lebensende haben wollen. Leider weicht der
Künast-Entwurf in seinen untergeordneten Regelungen weit von dem in der
Schweiz bewährten Verfahren ab."
Ein etwas realistischeres Bild der Lebenswirklichkeit hätte auch die
Abgeordnetengruppe um Peter Hintze (CDU), Carola Reimann (SPD), Karl
Lauterbach (SPD) und anderen in ihrem Entwurf (Drs. 18/5374) erkennbar
gemacht, sagte Erwin Kress weiter. "Sie wissen um grausame Krankheiten
am Lebensende und machen das Durchleiden nicht zur Pflicht. Ärzte sollen
beim Freitod helfen dürfen, ohne durch Standesrecht bedroht zu werden.
Die Beschränkung auf Fälle, in denen palliativ nichts mehr geht außer
Sedierung, ist jedoch wieder bevormundend. Auch multimorbiden Menschen
oder z.B. ALS-Patienten darf man die Freiheit nicht nehmen, sich für ein
selbstbestimmtes Lebensende zu entscheiden", so Kress.
Bei diesem Gruppenantrag würden in allen dort nicht geregelten Fällen
die Verhältnisse bleiben wie sie sind. Sonstige organisierte
Suizidhilfe bliebe weiterhin straffrei. Daher sollte er ursprünglich mit
ergänzenden Suizidhilfe-Verboten durch andere Gesetzentwürfe gekoppelt
werden. Mit dem Brand-Entwurf, den u.a. Horst Seehofer, Volker Kauder
und Hermann Gröhe unterstützen, werde dies nicht zu machen sein, so
Kress.
Er betonte: "Das Selbstbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger
darf nicht parlamentarischer Bevormundung zum Opfer fallen. Gegen
vermeintlichen Missbrauch oder Verleitung zur Selbsttötung reichen die
bestehenden Gesetze aus. Anstatt über Verbote zu diskutieren, sollte
besser ein bundesweites Netz von Suizidberatungsstellen aufgebaut
werden, um Menschen in ihrer Not ergebnisoffen beraten und mit ihnen
Alternativen erarbeiten zu können. Schließlich ist auch bekannt, dass
organisierte Sterbehilfe in vielen Fällen suizidverhindernd wirkt."
Bisher trügen viele Äußerungen zur Regelung der Suizidhilfe absurd
anmutende Züge, so Erwin Kress weiter. "Menschen dürfen sich künstliche
Ernährung und künstliche Beatmung wünschen. Sie dürfen auch vom Arzt
verlangen, dass künstliche Ernährung oder Beatmung eingestellt werden,
damit sie sterben können. Aber wenn sie aus freien Stücken und
wohlbegründet um ein zum schnellen und friedlichen Sterben geeignetes
Mittel bitten, soll ihnen dies verwehrt werden und es droht denjenigen
Freiheitsentzug, die zu helfen bereit sind. Das ist weder für die
Mehrheit der Bevölkerung noch für viele Ärzte eine akzeptable
Situation", so Kress.