Der britische INDEPENDENT berichtet am 27.8. von der Qualität
psychologischer Veröffentlichungen und die ist mau. Es hapert an der
Zuverlässigkeit und Reproduzierbarkeit der Forschungsergebnisse, wie der
Artikel besagt. Eine Menge psychologische Forschung sei nur
"Psycho-Gelaber" – Study reveals that a lot of psychology research really is just 'psycho-babble'. Nun ist diese Studie selbst ein psychologisches Forschungsergebnis, und wenn sie nur Psycho-Gelaber ist …So geht es einem bei der Psychologie, man ist nie sicher vor Gedanken,
die sich selber in den Schwanz beißen. Nach solch unwissenschaflicher
Abschweifung brav weiter im Text, frei übersetzt (Bild: DasWortgewand,
pixabay): Über die Psychologie wurde viel gespottet, vor allem von Seiten der
"harten" Wissenschaften wie Physik – und nun zeigt sich, dass an dem
Spott was dran ist. Eine frischpublizierte Studie von Science belegt:
vieles ist bloß Psycho-Gelaber (Estimating the reproducibility of psychological science).
Genauer gesagt, mehr als die Hälfte der Ergebnisse von 100 Studien aus
renommierten, kontrollierten (peer-reviewed) Psychologiejournalen sind
nicht reproduzierbar. Das haben 270 Wissenschaftler aus aller Welt jetzt
festgestellt. Nur 39% der Behauptungen ließen sich eindeutig
wiederholen, und auch die waren statistisch weniger signifikant als
behauptet.
Zu den Ausfällen gehörten Untersuchungen über die Faktoren, die das
Anbandeln zwischen Mann und Weib steuern, über die Fähigkeit, falsch
etikettierte Objekte richtig zu erkennen, und ob es rassisch bedingte
Präferenzen bei der Identifizierung verschiedener Waffen gibt (ein
Schelm, wer da Zusammenhänge wittert).
Die Forscher betonten, dass Reproduzierbarkeit die Essenz der
wissenschaftlichen Methode ist, und dass man mehr tun müsse, um den
geregelten Nachvollzug zu schaffen. Nicht die Autorität der Forscher sei
maßgeblich, sondern nur die Richtigkeit und Reproduzierbarkeit der
Ergebnisse.
Das geht auch an die medizinischen Publikationen, zumal man so großen
Wert auf evidenzbasierte Medizin lege. Wieso sind die Mediziner und
Psychologen mit viel weniger statistischer Signifikanz zufrieden als die
Physiker? Es gilt, gegen drei Fehlermöglichkeiten anzugehen:
Wenn es die Publikation nicht genau genug spezifiziert, können kleine
Unterschiede in Material und Methode große Auswirkungen beim Vergleich
ergeben.
Der Nachvollzug kann auch durch Zufall schiefgehen.
Im Original kann ein falsches positives Ergebnis (“false positive”)
rausgekommen sein, weil die Forscher einseitig forschten, statt auch
andere, damit inkonsistente Linien zu verfolgen – eher das als
knallharter Betrug.
Oft genug gebe es Widersprüche zwischen den Anreizen und Motiven der
Forscher und der Notwendigkeit, im reproduzierbaren Bereich zu bleiben.
Das gilt für alle Wissenschaftsbereiche. Überall ist der Widerspruch
zwischen der beruflichen Notwendigkeit, Ergebnisse und Publikationen
hervorzubringen, und der Pflicht, zur verlässlichen Wissensbasis
beizutragen.
Gewisse Resultate sind leichter unters wissenschaftliche Volk zu
bringen, nämlich wenn sie neu, überraschend, aufregend oder sonstwie
sexy sind. Da ist es kein Wunder, dass manchmal solche Ergebnisse
publiziert wurden, obwohl die Überprüfung genau den gegenteiligen Effekt
ergab. Die Kritik geht auch gegen viele Psychologiejournale, die nicht
genug dahinter her seien, Offenheit und Reproduzierbarkeit zu sichern.
Summa summarum habe die Psychologie nichts, worauf sie stolz sein
könne, wenn's an die Reproduzierbarkeit geht, so äußerte sich der president of the Association for Psychological Science, Charles Gallistel, gegenüber Science. Und das ist kein psycho-babble.
Am Tag drauf (28.8.) brachte es auch die Printausgabe der Süddeutschen
Zeitung, ein guter Artikel, wenn auch ohne psycho-babble: Psychologie – Viele Psychologie-Experimente lassen sich nicht wiederholen
Links, die von weitem was mit dem Thema zu tun haben: Weiß-gold-blau-schwarze Kleiderpsychologie und Sacco-Psychoanalysen sowie ein älterer Focus-Link Zwischen falscher und richtiger Erinnerung – Hätten Sie es gewusst? Wir können uns nicht an unsere ersten drei Lebensjahre erinnern. Schuld daran ist die "Infantile Amnesie". Vielleicht gibt's ja auch sowas wie eine psycho-babble-Amnesie? Das würde einiges erklären …
In meinen jungen Jahren war Sigmund Freud der große Psycho-Prophet. Das hing damals damit zusammen, dass die alten Zöpfe der katholischen Prüderie abgeschnitten wurden. Da mir Freud nicht viel brachte, suchte ich nach anderen Psycho-Erklärungen und fand diese im Werk von Alfred Adler, dem Entwickler der "Individualpsychologie". Damit hab ich mir mich selber erklärt und auch gelernt, das Handeln von Mitmenschen psychologisch nachvollziehen zu können. Vor gut 25 Jahren schrieb ich darüber ein Buch, das natürlich längst vergriffen ist, aber eine überarbeitete Version ist auf dieser Site als 57 A4-seitige PDF zum Downloaden zu finden: "Zwischen Allmacht und Ohnmacht".