Ja dürfen die das denn? Die Russen? Dürfen die
denn auch bomben? Herr Steinmeier kritisiert den Einsatz der russischen
Luftwaffe, Frau Merkel ist "in tiefer Sorge" über russische Luftangriffe
in Syrien, der NATO-Chef Stoltenberg ist ebenfalls besorgt, der
britische Verteidigungsminister sieht die Falschen bombardiert und
Barack Obama ist gleichfalls nicht einverstanden. Folgsam wie gewohnt
hat die deutsche Medienlandschaft auch eine Meinung– nur keine eigene.
Wie aus einem tiefen Schlaf aufgewacht meldet
sich der Westen mit scheinbar antimilitaristischen Tönen. Hatte man was
von Sorgen gehört oder gelesen, als die Israelis 2007 mal eben
Luftangriffe auf syrisches Gebiet flogen? Gab es aus Washington oder
Berlin Proteste, wenn die israelische Armee zum x-ten Mal die syrische
Grenze überschritt und zum Beispiel im Januar 2015 dort einen iranischen
General umbrachte? Haben sich die deutschen Medien verängstigt
gemeldet, als US-Tarnkappenbomber, gemeinsam mit Personal aus
Saudi-Arabien, aus Katar und anderen Terror-Finanzierungs-Staaten
angeblich al-Quaida-Stellungen in Syrien bombardierten? Hat die NATO zur
Bombardierung Syriens durch die Briten (im August) oder durch die
Franzosen (im September) auch nur Bedenken formuliert? Dazu gab es
keinen Ton. Denn im Denken des Westens ist ein primitiver Reflex
angelagert: West-Bomben gut – Russen-Bomben böse.
Vor allem bangt die westliche Medien-Koalition
um ihren Bündnispartner beim Regime-Change in Syrien, um die Freie
Syrische Armee (FSA), die von russischen Bomben getroffen werden könnte.
Nun ist es immer schwierig, eine Truppe zu treffen, die kaum existiert.
Denn nach Einschätzung des Generalinspekteurs der Bundeswehr Volker
Wieker befindet sich die Freie Syrische Armee schon im Frühherbst 2013
als Kampfverbund in voller Auflösung. Zudem ist die FSA nur schwer von
gewöhnlichen Islam-Terror-Gruppen zu unterscheiden. Das liegt an ihrer
religiösen, sunnitischen Ausrichtung, aber auch an ihren Partnern: Man
kooperiert mit Bataillonen der Muslimbrüder und Teilen der
terroristischen Al-Nusra-Front, die sich nur wenig vom Islamischen Staat
unterscheidet, sie konkurriert nur.
Dass die FSA mit Panzerabwehrwaffen aus
Saudi-Arabien, Katar und Libyen ausgerüstet wurde, stört den Westen
offenkundig nicht. Zwar kann man die arabischen Staaten getrost bei den
islamischen Terror-Freunden einordnen, aber das verschweigt der
Mainstream gern. Auch die Vorwürfe von Human Rights Watch gegen die FSA
wegen Menschenrechtsverletzungen, ihre Rekrutierung von Kindersoldaten
und die Klage der syrisch-orthodoxen Kirche wegen "ethnischer
Säuberungen gegen Christen“ in Homs durch eine Einheit der FSA,
irritiert den Westen kaum. Selbst die Ausbildung der FSA-Kämpfer durch
den türkischen Geheimdienst, der zeitweilig Waffen an al-Quaida
lieferte, kann die wahren westlichen Demokraten nicht stören. Wenn also
russische Bomben die Truppen der FSA treffen sollten, treffen sie
Freunde des Westens und Partner des islamischen Terrors zugleich.
Schließlich haben die Russen im Auge des
westlichen Betrachters einen weiteren Makel: Sie haben ihren
Militär-Einsatz öffentlich und offiziell mit der syrischen Regierung
abgestimmt. Das entspricht zwar dem Völkerrecht, aber da der Westen
bisher völkerrechtswidrig in Syrien unterwegs war – denn für die
Obama-Fraktion ist die syrische Regierung die falsche, sie muss also
nicht gefragt werden – ist das russische Verhalten eine Blamage für den
Westen. – Schon seit geraumer Zeit drängt die russische Regierung auf
Verhandlungen mit allen Beteiligten am Syrien-Krieg. Aber so lange die
USA den Präsidenten Syriens von Verhandlungen ausschließen will,
zumindest solange ist ein Ende des Krieges nicht in Sicht. Also wird
weiter gebombt in Syrien. Und gleich wer bombt: Es siegt nur der Krieg.