Man kann sich auf Joschka Fischer verlassen: Wenn ein großes Thema
vorbeikommt, nimmt er sein Fußbänkchen, stellt sich drauf und kräht.
Diesmal wieder in der SÜDDEUTSCHEN, im atlantischen Zentral-Blatt für
neue deutsche Herausforderungen in fremden Ländern. "Die Rückkehr
der Geopolitik" ist Fischers Beitrag dort überschrieben und unterstellt,
die Geopolitik wäre zeitweilig weg gewesen. In der besonderen grünen
Logik war sie weg, weil Russland sich lange nicht mehr auf der geopolitischen
Welt-Bühne gezeigt hatte. Aber jetzt, nach der "Annexion" der
Krim, da sei sie einfach wieder zurück, folgert Joschka Fischer. Was mag
das zum Beispiel damals, vor 14 Jahren in Afghanistan gewesen sein, als die
USA mit kräftiger deutscher Unterstützung einen Krieg vom Zaun brach?
Eine Friedensmission zur Sicherung der afghanischen Grenzen vor einem mongolischen
Überfall?
Damals war Fischer Mitglied der deutschen Regierung, die
ihren Kriegs-Fall schon im NATO-Luftkrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien
geprobt hatte, und eine ähnliche grundgesetzwidrige Nummer nun auch in
Afghanistan durchziehen wollte. – "Als Geopolitik" schreibt Wikipedia,
"wird allgemein das raumbezogene, außenpolitische Agieren von Großmächten
im Rahmen einer Geostrategie bezeichnet." Sollte Fischer meinen, weil
die Großmacht Russland zeitweilig kaum sichtbar war, habe die andere Großmacht
aus der bipolaren Welt einfach mal Urlaub vom Geopolitischen genommen? Die Blutspur
US-amerikanischer "Missionen" zieht sich vom Jugoslawien- über
den Irak- und Libyen- bis hin zum Syrien-Krieg. Irgendwie hatten die US-Machtinteressen
einfach keine Auszeit zugelassen. Vielleicht hat der Lobbyist Fischer seinem
Gehirn einfach nur eine Wahrnehmungspause verordnet.
Aber pünktlich,
als Russland auf dem Feld geopolitischer Interessen auftaucht, schaltet Fischer
seinen Impressions-Apparat wieder ein und stellt eine russische Militärintervention
in Syrien fest. Immer noch fallen bei ihm türkische, amerikanische oder
französische Interventionen in Syrien augenscheinlich nicht unter Geopolitik.
Dafür aber entdeckt er mit Russland "eine beständige Gefahr
für die europäische Sicherheit." Haben die Russen, ohne dass
wir alle das bemerkten, einen Regime-Change in zum Beispiel Finnland bewerkstelligt?
Oder sollten sie heimlich eine NATO-Grenze überschritten haben? An solch
geheimen Erkenntnissen mag uns der große Josef auf der kleinen Fußbank
nicht teilhaben lassen. Statt dessen plädiert er für "eine starke
transatlantische Rückversicherung" und "die Sicherung des Nato-Bündnisgebietes
im Osten". Wann immer Gebiete aller Art "gesichert" werden sollen,
muss der Sprach-Warndienst eingreifend übersetzen: Wer Gebiete "sichern"
will, sendet Truppen, wie jüngst die NATO ihre "Speerspitze".
Manchmal
gerät der einstige Ministrant Fischer ins Lateinische: "Mare Nostrum"
nennt er das Mittelmeer als einen Teil des "europäischen Sicherheitskalkül".
Großzügig ist bei ihm bereits die Europäische Union das ganze
Europa. Dass an "unserem" Mittelmeer acht Nicht-NATO-Staaten siedeln,
fällt unter die selbe imperiale Großzügigkeit, der sich schon
die Römer befleißigten, von denen der Begriff "Mare Nostrum"
stammt. Doch vielleicht sieht Fischer auch nur sieben mittelmeerige NATO-Länder,
will doch der grüne Böll-Stiftung-Vorstand Ralf Fücks seit Jahr
und Tag Israel in die NATO holen. Wenn Fischer dann noch für eine enge
Bindung der aktuellen Türkei an die EU eintritt, sie gar "alternativlos"
nennt, blättert die ganze grüne Menschenrechts-Tünche ab – da
haben die Kurden eben Pech gehabt – und der imperiale Stammtisch erhebt sein
dummes Geschwätz zum Credo.
Zwischendurch, wer weiß ob es
in einer Atem- oder Denkpause ist, weist der Polit-Dirigent diesem und jenem
Land mal eben die Plätze zu: "Russland wird sich mit der Rolle eines
Juniorpartners Chinas abfinden müssen" weiß der Pipeline-Experte
Fischer in der Konsequenz des chinesischen Seidenstraßen-Projekts. Dass
der Traum einer Handels- und Verkehrsverbindung von Pazifik und Mittelmeer Zukunft
verspricht, tröstet Fischer offenkundig über die geopolitische Gegenwart
der BRICS-Staaten hinweg. Sie tauchen in seinem Große-Welt-Panorama erst
gar nicht auf. Wollen doch die Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und
Südafrika (eben BRICS) Geopolitik ohne Krieg entwickeln. Wie langweilig
für das ehemalige Mitglied der "Putztruppe", das sich im Frankfurt
der 70er Jahre gesellschaftliche Veränderungen nur im Straßenkampf
vorstellen konnte. Jemandem der Umgestaltung bis heute nur an der Spitze
bewaffneter Truppen begreift, muss die Gründung der BRICS-Bank, der "New
Development Bank" als Gegenmodell zum IWF ignorieren, wenn er von Geopolitik
schreibt. Umfasst die doch nur ein Wirtschaftsgebiet von mehr als drei Milliarden
Einwohnern, von rund 41 Prozent der gesamten Weltbevölkerung sowie 25 Prozent
des weltweiten Bruttoinlandsproduktes. Und hat bisher nicht mal einen ordentlichen
Krieg begonnen.
Macht kommt von möchten, denken die Fischers
auf den Bänken ihrer Stammkneipen rund um den Berliner Gendarmenmarkt.
Und erinnern fatal an ihre Väter, die nach dem verlorenen deutschen Krieg
ganz genau wussten, wie man die Schlacht bei Stalingrad beinahe gewonnen hätte:
"Separatfrieden mit dem Ami, dann nix wie drauf auf den Russen. Herr Ober,
noch ne Runde!"
Dazu ein von atheisten-info online gestellter Zusatz: Wladimir Putin
über die europäische Flüchtlingskrise und seine Ursachen