Das Selbstmordattentat am 12.01.2015 auf ein beliebtes Touristenzentrum in
Istanbul verdeutlicht nicht nur die steigende Gefährdung westlicher Urlauber
in muslimischen Staaten als schwer zu schützende Soft Targets, da durch
solche Anschläge mittel- bis langfristig die jeweilige Tourismusbranche
des Landes getroffen werden soll, um ökonomische und politische Destabilität
zu erzeugen. Sondern auch eine gezielte Eskalation durch DAESH (= arabische
Abkürzung für IS), da nach derzeitigem Erkenntnisstand der Attentäter
aus den Reihen dieser salafistisch-dschihadistischen Gruppierung stammen soll.
Für
DAESH als Anstifter spricht auch die Zielauswahl, da sowohl die ethno-nationalistische
und linksextremistische PKK, als auch die marxistisch-leninistische Untergrundorganisation
"Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) bisher primär
Attentate gegen Repräsentanten des türkischen Staates ausübten.
Wie
Dr. Amer Albayati und der Counterterrorism Berater Dr. Thomas Tartsch in ihren
Beiträgen zu den Jahresberichten ILMOe_Jahresberichte.pdf 2016 der ILMÖ
ausgeführt haben, stellt der Salafi Dschihadismus von DAESH und Gruppierungen
des Netzwerkes al-Qaidah eine beständig steigende Gefahr für Europa
und Nordamerika dar.
Das verdeutlichte 2015 die quantitativ stark gestiegene
Zahl von Anschlägen und Attentate in Europa (Paris) und Nordamerika (San
Bernardino) durch Anhänger beider Gruppierungen. Auch 2016 muss mit einer
weiteren quantitativen und qualitativen Steigerung der Zahl terroristischer
Anschläge und Attentate durch ein heterogenes Täterspektrum gerechnet
werden, womit sich dieser religiös legitimierende Terrorismus zur Normalität
sozialer Wirklichkeit entwickelt, da die abstrakte Gefährdungslage immer
öfter in eine konkrete Gefährdungslage umschlägt. Richtigerweise
spricht daher der Terrorismusforscher Peter Neumann von einer beginnenden fünften
Welle des Terrorismus, die den Westen mindestens eine Generation beschäftigen
wird.
Albayati/Tartsch sehen den Anschlag in Istanbul, wenn sich die
Urheberschaft von DAESH bestätigen sollte, als Fanal und Ausgangspunkt
weiterer Entwicklungen:
Erstens als den Beginn vermehrter Anschläge auf westliche Touristen
in muslimischen Ländern als Soft Targets, um nicht nur einen hohen Bodycount
an Opfern zu erzielen, damit ein globales Medieninteresse erzeugt wird. Sondern
auch, um die Tourismusbranchen der jeweiligen Länder zu treffen. Das haben
die Attentate 2015 in Ägypten und Tunesien gezeigt, die seither massive
ökonomische Verluste hinnehmen mussten, was zu politischer Instabilität
und sozialen Eruptionen führt.
Zweitens der Versuch, durch Terrorismus als Kommunikationsstrategie die
politische Stimmung in den westlichen Ländern im Sinne von DAESH zu verändern,
damit die jeweilige Bevölkerung die Regierungen unter Druck setzt, damit
diese ihre militärische Unterstützung im Kampf gegen DAESH aufgibt,
wenn der Bodycount von Opfern durch Anschläge eine bestimmte Höhe
überschreitet.
Der jetzige Anschlag hat primär deutsche Urlauber
getroffen. Ein Land, welches sich in Syrien und Irak gegen DAESH und al-Qaidah
engagiert. So sind deutsche Tornados der Luftwaffe auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt
Incirlik stationiert, von wo aus Aufklärungseinsätze geflogen werden.
Ob der Anschlag daher gezielt deutschen Urlaubern galt, kann derzeit nicht bestätigt
werden. Gleichzeitig kann der Anschlag auch der Versuch von DAESH darstellen,
bestehende Ressentiments gegen Muslime in Europa und Nordamerika gezielt zu
verstärken, um eine gesellschaftliche Spaltung entlang ethnisch-religiöser
Bruchlinien voranzutreiben.
Drittens eine bewusste Eskalation der militärischen Situation durch
DAESH zur vermehrten Mobilisierung der globalen Anhängerschaft für
eine Hidschra als Foreign Fighter in das Kalifat und die Ausübung der gewaltsamen
Dschihadismus in Europa/Nordamerika, da das Kalifat in ash-Sham vermehrt in
die Defensive gerät.
Da DAESH auch eine eschatologische Islamauslegung
vertritt, die in al-Malhama (Armageddon) münden soll, könnte dieser
Anschlag gleichzeitig den Beginn einer Serie weiterer Attentate darstellen,
um die militärische Situation vor Ort zu verschärfen
Dieses
Ende der Welt soll mit al-Malhama al-Kubra, der großen Endschlacht zwischen
Muslimen und Christen bei dem syrischen Ort Dabiq beginnen, wobei Isa (Jesus)
bei der Umayyaden-Moschee in Damaskus wieder auf der Erde erscheinen wird, um
den Dajjal (die islamische Version des Antichristen) zu töten, da mit al-Malhama
al-Kubra der Yaum ad-Din (Tag des Gerichts) beginnt.
Ein im Islam
bekanntes und als Sahih (authentisch) eingestuftes Hadith aus der Sunnah Muhammads,
welches im Westen weithin unbekannt ist, berichtet von al-Malhama al-Kubra bei
Dabiq:
"Abu Huraira berichtete dass der Gesandte Allahs s.a.w. sagte:
"Die letzte Stunde wird nicht kommen bis die Römer bei al-A'maq oder
in Dabiq an Land gehen. Eine Armee der besten (Soldaten) von den Leuten der
Erde zu dieser Zeit wird von einer Stadt (Medina) kommen (um sich ihnen entgegenzustellen).
Wenn sie sich in Reihen aufstellen, werden die Römer sagen: Steht nicht
zwischen uns und jenen (Muslimen), die Gefangene von uns genommen haben. Labt
uns mit ihnen kämpfen. Und die Muslime werden sagen: Nein, bei Allah, wie
werden niemals von euch und unseren Brüdern weichen, damit ihr sie bekämpft.
Sie werden dann anfangen zu kämpfen, und ein Drittel der Armee wird weglaufen,
denen Allah nicht verzeihen wird. Ein Drittel wird getötet werden, und
sie sind in den Augen Allahs die besten Märtyrer, und ein Drittel, das
niemals Prüfung ausgesetzt wird, wird gewinnen, und sie werden Eroberer
Konstantinopels sein. Und während sie damit beschäftigt sind, die
Kriegsbeute zu verteilen, nachdem sie ihre Schwerter an die Olivenbäume
gehängt haben, wird Satan rufen: ‚Dajjal hat euren Platz bei euren Familien
eingenommen.‘ Und sie werden herauskommen, aber es wird nutzlos sein. Und wenn
sie nach Syrien kommen, wird er (Dajjal) erscheinen, während sie sich noch
für die Schlacht vorbereiten und sich in Reihen aufstellen. Sicherlich,
die Zeit des Gebetes wird kommen, und dann wird Jesus a.s., der Sohn der Maria,
herabkommen und wird sie im Gebet führen. Wenn der Feind Allahs ihn sehen
wird, wird er (verschwinden) genau wie Salz verschwindet, wenn es in Wasser
auflöst. Und wenn er (Jesus) ihn nicht konfrontieren würde, selbst
dann würde er sich komplett auflösen, aber Allah wird ihn durch seine
Hand töten und er wird ihnen das Blut auf seiner Lanze zeigen." [Sahih
Muslim, Kitab al-Fitan, Hadith 2897]
Nicht ohne Grund hat DAESH seinem führenden
Internetmagazin den Namen Dabiq gegeben.
Insoweit DAESH durch die bewusste
Einbeziehung der Türkei in den Konflikt in ash-Sham diesen eskalieren lassen
will, da der Türkische Staatspräsident Erdoğan und der türkische
Ministerpräsident Davutoğlu laut der zweiten Ausgabe des türkischsprachigen
DAESH Internetmagazins Konstantinopel nicht nur als "großer und kleiner
Satan" bezeichnet werden, sondern auch als Apostaten gelten, die "den
Islam verraten" haben, womit beide nicht mehr Muslime sind. Und auch die
Türkei in Zielspektrum von DAESH steht, da dieses ein "unislamisch"
regiertes Land ist, wo von Menschen gemachte Gesetze gelten, was Taghut (Beigesellung)
darstellt. Die schwerste Sünde im Islam.
Zusammenfassend warnen
Albayati/Tartsch vor weiteren Anschlägen und Attentaten über das Jahr
2016 gegen Soft Targets durch ein immer heterogener werdendes Täterspektrum,
welche sich sowohl gegen westliche Touristen in der muslimischen Welt, als auch
gegen die Bevölkerungen in den einzelnen europäischen Ländern
und Nordamerika richten werden, was beide in den ILMÖ Jahresberichten ILMOe_Jahresberichte.pdf ausführlich
thematisiert haben.