ENDZEIT. Die Geschichte der christlichen Jahreszählung von Sepp Rothwangl,
Edition-Innsalz ISBN 978-3-902981-81-3, 232 Seiten, 65 Abbildungen, Hardcover,
Euro 19,80 http://www.amazon.de/dp/3902981814
Wonach zählen wir die Jahre wirklich?
Weltweit herrscht
die christliche Jahreszählung nach Anno Domini (A.D.) vor. Das Jahr von
Geburt Christi (A.D.) und damit der Beginn der christlichen Zeitrechnung wurde
aber erst rückwirkend im frühen 6. Jhd. durch den skythischen Gelehrten
Dionysius Exiguus eingeführt. Er erwartete für die damals schon berechenbare
Planetenkonjunktion im Jahre 2000 A.D. das Ende der Zeit und die Auferstehung
Christi. Entsprechend wurde der A.D.-Kalender quasi als Countdown zur Apokalypse
angelegt. Die Endzeit blieb freilich aus. Geblieben ist ein esoterisches, überholtes
Kalendersystem, das nicht mit den astronomischen Fakten übereinstimmt.
In
seinem Buch klärt der Kalenderexperte und Archäoastronom Sepp Rothwangl
über die Hintergründe verschiedener Zeitrechnungssysteme auf. Der
Waldbauer und Autodidakt, der sich seit seiner Jugend für Sternenkunde
in Verbindung mit Mythen und Religion begeistert hat, legt nun das Opus Magnum
zur Anno Domini Zeitrechnung vor. Das Buch zeigt nicht nur, wie die frühen
Christen mit ihren Weltuntergangsphantasien die Jahreszählung manipuliert
haben. Es ist eine Geschichte der Jahreszählungen überhaupt. ‚Mit
einer Vielzahl von Originalzitaten und zahlreichen Bildern untermauert, eröffnet
es auch Perspektiven für eine "säkularisierte Zeitrechnung".
Christliche
Geschichte wird als Mythos entlarvt.
So ist der biblische Mythos, wonach
Herodes die Tötung des neugeborenen Jesus angeordnet hat, überholt,
denn Herodes starb bereits 4 Jahre vor der Zeitrechnung nach Chr. Geb. Ebenso
entlarvt Buchautor Rothwangl den Kreuzigungstermin als kalendarisch unmöglich:
Die erwähnte Sonnenfinsternis zur Kreuzigung Christi ist ein Mythos, denn
sie hätte nur bei Neumond auftreten können - da das überlieferte
Pessachfest am Tag nach der Kreuzigung an den Frühlingsvollmond gebunden
war. Rothwangl analysiert mit präzisen astronomischen Berechnungen und
zeigt, dass eine Geburt Christi nicht im Jahr 1 A.D. gewesen sein konnte.
Tatsächlich jedoch wurde dieses Jahr in der Erwartung der Endzeit erstellt
und macht die christliche Jahreszählung zu einem Weltuntergangskalender.
SI-Einheiten
statt Weltuntergangs-Kalender:
"Unser Kalender basiert auf einem
überholten, abergläubischen, apokalyptischen Weltbild mit fehlerhafter
astronomischer Berechnung. Heute versucht man ausschließlich mit dem SI,
dem metrischen Einheitssystem, zu Normieren und mit Naturkonstanten in Einklang
zu bringen. Daher sollte unser päpstlicher Gregorianischer Kalender durch
eine neue Zeitrechnung ersetzt werden”, empfiehlt Rothwangl.
Dazu noch eine ausführliche
Rezensionen eines Wissenschafters:
Am Beginn des 33. Kapitels seines Buches zitiert der
Autor Sepp Rothwangl den Dichter und Philosophen Dante Alighieri mit
dem Aphorismus „Der eine wartet, dass die Zeit sich wandelt, der andere
packt sie an und handelt“. Ein Zitat, das Herrn Rothwangl geradezu auf
den Leib geschneidert erscheint, nimmt dieser doch die (christliche)
Zeitrechnung ins Visier, packt sie gewissermaßen also an – und handelt,
indem er letztere detailliert vorstellt, hinterfragt und bemerkenswerte
eigene Erkenntnisse präsentiert.
Dieses Buch, um ein Fazit der Rezension gleich
vorwegzunehmen, ist eine wahre Fundgrube für an der Zeit und ihrer
systematischen Erfassung interessierte Menschen. Eine Hin- und
Einführung in die komplexe, religiös und mythisch geprägte, von
Endzeiterwartung dominierte Entwicklung der Zeitrechnung. Wer meint,
dass der einschlägige geschichtliche Ballast heutzutage vollends
abgeworfen wurde, irrt gewaltig, wie der Autor nicht bloß behauptet,
sondern ausführlich diskutiert und belegt. In anderen Worten: Wir, die
wir durch das christliche Kalenderwesen im so genannten 21. Jahrhundert
angekommen sind, sollten innehalten und darüber nachdenken, ob denn
dieser uns selbstverständlich anmutende Sachverhalt wirklich Sinn
macht. Ob wir nicht einfach „chronologisch“ manipuliert wurden und –
weitaus bedenklicher - noch immer werden. Wer Rothwangls Buch zu Ende
gelesen hat, soll, ja wird, nachdenklich geworden sein.
Falls man dieses Buch mit Adjektiven
charakterisieren möchte, dann mit dem Trio „beeindruckend, lehrreich,
verstörend“. "Beeindruckend", weil da jemand schreibt, der über
offensichtlich höchst umfangreiche Kenntnisse der Sache, über die er
sich auslässt, verfügt. Ein Beleg dafür ist die sehr lange Liste an
Literatur gegen Ende des Buches. "Lehrreich", weil man kaum glauben
kann, wie vieler Fachkenntnis und sonstiger Komponenten es bedurfte, um
sich überhaupt an die Schaffung einer über einen namhaften Zeitraum
gültigen Zeitrechnung heranzuwagen. Rothwangl versetzt die Leserschaft
in die Lage, das nachzuvollziehen bzw. auch nachzufühlen. "Verstörend",
weil etliches als glaubhaft Angesehene von ihm - teils geradezu
genüsslich - zer- und widerlegt wird. Beispiel: Die weithin
bekannt gewordene These vom "erfundenen Mittelalter" des
Chronologiekritikers Heribert Illig. Verstörend mag zudem für religiös
Gläubige christlichen Zuschnitts sein, wie denn Rothwangl mit so
manchem Glaubensinhalt verfährt.
Das führt den Rezensenten zu den womöglich leichte
Irritationen hervorrufenden Stellen des ansonsten exzellenten Buches.
Die Botschaft "weg mit unserem christlichen Kalenderquatsch!" ist
nämlich, ohne das das explizit so ausformuliert worden wäre,
unüberlesbar. Freilich, um Goethe zu zitieren und die Wirkung auf so
manche dem Christentum anhängende Personen aufzuzeigen: "Man merkt die
Absicht und ist verstimmt". Zudem hätten dem Werk an einigen Stellen
Straffung und das Vermeiden der einen oder anderen Wiederholung gut
getan. Weshalb im Glossar astronomischer Ausdrücke gegen Ende des Buchs
die im Text so häufig angesprochenen Planeten keiner gesonderten
Erwähnung für wert befunden wurden, wird wohl ebenso ein Geheimnis des
Autors bleiben wie, weshalb er manche für kaum jemanden verständliche,
noch dazu unerklärt gebliebene Ausdrücke zu schätzen scheint. Beispiel:
"proleptisch". Das alles sind gewiss bloß "lässliche Sünden". Eine
gewichtigere Sünde wäre es indes, wenn Sie, verehrte(r) potentielle(r)
Leser(in), dieses Buch nicht erwerben und in Ruhe durchlesen
würden.
Ao. Univ.-Prof. Ronald Weinberger, Astronom an der Universität Innsbruck